22 wären, ganz anders mit den 45 abgefahren ſein, als daß ſie nun ſofort ins Mauſeloch krochen und ſagten: lieber riskieren wir unſer Brot als unſere heilen Knochen — und nun auch von der Arbeit weggeblieben ſind. Alſo der Herr Oterbürgermeiſter kann ſchon aus einer objektiven Würdigung der von ihm ſelber angegebenen Daten entnehmen, daß ganz ſo ſich die Dinge nicht abgeſpielt haben können, ſondern doch wohl etwas anders verlaufen ſein müſſen. Aber, wie geſagt, wir haben es hier nur mit der Frage zu tun: iſt ein Vertragsbruch geſchehen oder nicht? Nun ſagt der Oberbürgermeiſter, und zu meiner Verwunderung — in dieſer Beziehung bin ich mit Herrn Kollegen Hirſch nicht ganz einer Meinung; ich bin von vornherein nicht überzeugt, daß ſämtliche Mitglieder dieſer Verſammlung außer den ſozial⸗ demokratiſchen ſich immer ſofort auf einen andern Standpunkt ſtellen als wir; mich hat daher die Stellungnahme des Herrn Kollegen Frentzel außer⸗ ordentlich überraſcht — zu meiner Verwunderung tritt Herr Kollege Frentzel darin dem Herrn Ober⸗ bürgermeiſter bei: „Ja, hier lag eine Ausſperrung vor; der Vertrag muß nicht dem Sinne, ſondern dem Wortlaute nach ausgelegt werden, und dem Wort⸗ laute nach iſt Streik etwas anderes als Ausſperrung; infolgedeſſen können wir nicht ſagen, daß die Geſell⸗ ſchaft den Vertrag nicht innegehalten hat.“ Dieſer Standpunkt hat mich in der Tat etwas überraſcht. Aber, meine Herren, der Fall der Anrufung des Einigungsamtes war ja doch bereits viel früher gegeben. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagt: die Direk⸗ tion hat einen großen Fehler gemacht, ſie hat direkt wider den Vertrag dadurch gehandelt, daß ſie Herrn Gebert erlaubt hat, den Verhandlungen über die Einſetzung eines Arbeiterausſchuſſes und der Sitzung des Arbeiteransſchuſſes, in der der Lohn feſtgeſetzt wurde, mit beizuwohnen. Und der Herr Obervürger⸗ meiſter ſagt weiter: der Vertragsbruch reſultiert dar⸗ aus, daß der Arbeiterausſchuß nach Maßgabe der Bedingungen gebildet werden muß, wie ſie für den Arbeiterausſchuß der Gasanſtalt beſtehen. Es wird dem Herrn Oberbürgermeiſter ſchwer fallen, aus dem Statut des Arbeiterausſchuſſes der Gasanſtalt irgend⸗ einen Paragraphen herauszuleſen oder auch nur herauszudeuten, der es der Verwaltung der Gasan⸗ ſtalten und dem Arbeiterausſchuß der Gasanſtalten verbieten würde, irgend einen nicht der Gasanſtalt angehörigen Mann, ſondern der Organiſation der ſtädtiſchen Arbeiter oder der Metallarbeiter angehörigen Mann zu den Verhandlungen hinzuzuziehen. Etwas derartigs ſteht in dem Statut des ſtadtiſchen Arbeiter⸗ ausſchuſſes keineswegs. So unvernünftig iſt dieſes Statut denn doch nicht geſtaltet, wenn auch mancherlei bedenkliche und wenig vernünftige Dinge darin ent⸗ halten ſind. Auch die ſtädtiſche Verwaltung würde durchaus nicht töricht handeln, wenn ſie unter Um⸗ ſtänden Vertreter der Organiſation zu Verhandlungen mit dem Ausſchuſſe zuzieht. Sie hat das bieher nicht getan, wird es wohl auch in Zukunft ſo bald nicht tun; wohl aber wird ſie vermutlich ſehr wenig ungern es ſehen, wenn der Arbeiterausſchuß vor Stellung ſeiner Forderungen mit der Organiſation der Arbeiter ſelbſt in Verbindung tritt. Tatſächlich iſt das verſchiedentlich geſchehen, und ein Arbeiteraus⸗ ſchuß, der das nicht täte, würde überhaupt vollkommen in der Luft ſchweben, würde vollkommen außer Konner, außer Fühlung mit den Arbeitern derſelben Berufe an andern Orten ſein, würde gar nicht in der Lage ſein, irgendwelche Forderungen aufzuſtellen und zu normieren, weil er die Verhältniſſe viel zu wenig 6 oder gar nicht überblickl. So hat auch der Arbeiter⸗ ausſchuß auf der ſtädtiſchen Gasanſtalt eine wirklich fruchtbare Tätigkeit erſt ſeit der Zeit entfaltet, wo er in Fühlung mit der betreffenden Organiſation ſteht, und die ſtädtiſche Gasverwaltung iſt vernünftig genug geweſen, gegen eine ſoſche Fühlung, ſoweit ich geſehen habe, nichts einzuwenden. Es hat alſo die Direktion durch die Zulafſung des Herrn Gebert zu den Ver⸗ handlungen keineswegs ihren Vertrag verletzt, ſondern ſie hat ſogar außerordentlich vernünftig im Sinne ihres Vertrages gehandelt. Nun kann man ja freilich ſehr geteilter Meinung darüber ſein, ob es angebracht war, daß die Arbeiter Forderungen an die Direktion um Erhöhung der Löhne ſtellten. Darüber maße ich mir kein Urteil an, weil ich dieſe Löhne zu wenig kenne. Aber das eine ſteht doch unbezweifelt aus dem Protokoll feſt, daß die Arbeiter auf Grund der Zuſicherungen der Direktion der Meinung nicht nur ſein konnten, ſondern auch ſein mußten — und der Meinung waren —, daß die Direltion gewillt war, das Proviſorium in ein Definitivum zu verwandeln, und nachdem die Direktion in verſtändiger Weiſe zu den Verhandlungen über das Proviſorium den Vertreter der Organiſation hinzugezogen hatte, hätten die Arbeiter geradezu ver⸗ blendet gehandelt, wenn ſie in einer andern Weiſe als durch den Vertreter der Organiſation über das Definitivum verhandeln wollten. Die Direktion hätte das ablehnen können; ſie hätle ſagen können: vorläufig beſteht noch unſer Proviſorium, wir ſind auch noch nicht in einem Streit über ein Definitivum; denn es war ihr noch gar nichts weiter von der Organiſation mitgeteilt worden als: wir wollen über ein Definitivum in Unterhandlungen treten. Wenn ſie das abgelehnt hätte, und wenn dann eine Unruhe oder Erregung ausgebrochen wäre, dann war der Fall gegeben, das Einigungsamt anzurufen. Statt deſſen ſagte ſich die Direktion: der Fall der Differenzen iſt bei uns ja ſchon gegeben lange vor dieſem Streit. Der Herr Oberbürgermeiſter erzählt uns von Erregungen ganz eigentümlicher Art. Freilich kann man, wenn man deuten will, ſagen: das waren ja zum Teil Streitigkeiten von Arbeitern unter ſich — obwohl ich ſagen muß, daß, wenn die Arbeiter ſagen: wir fahren nicht, wie es in dem einen Falle geſchehen iſt, dann tatſächlich Streitigkeiten vor⸗ handen ſind. Vor allen Dingen aber handelt es ſich um einen Fall. Am 19. April weigern ſich die Leute zu fahren, ich glaube, bis auf 15 oder 20, und geben als Grund an die Entlaſſung zweier Arbeiter; ſie ſagen: wird das nicht rückgängig gemacht, dann ſtreiken wir. Meint Herr Kollege Frentzel, daß das auch keine Differenz iſt, die zum Streik zu führen droht? Die Direktion, deren Poſition vor dem Gewerbegericht vielleicht eine außerordentlich günſtige war namentlich, wenn die Löhne derartig hoch ſind, wie man hier anzunehmen ſcheint —, hatie ja das Ge⸗ werbegericht ganz gewiß nicht zu ſcheuen. Die Poſition der Direktion vor dem Gewerbegericht war auch dann eine beſonders günſtige, wenn dieſe beiden Leute wirklich deshalb entlaſſen worden waren, weil, wie geſagt wurde, der eine betrunken war — was der andere ſich ſollte haben zu Schulden kommen laſſen, iſt mir entfallen; aber es waren Gründe nach den hier gemachten Angaben, die ohne weiteres eine Direltion zur Eatlaſſung berechtigen. Wenn alſo in einem ſolchen Falle die Arbeiter ſagen: wird die Maßregel nicht rückgängig gemacht, ſo ſtreiken wir, —