—— 242 — Magiſtrats Kenntnis zu nehmen. Das tut die BVerſammlung hiermit. Wir kommen nunmehr zu Punkt 15 der Tages⸗ ordnung: Antrag der Stadtv. Bollmann und Gen. betr. Berhängung der Schaufenſter während der Sonn⸗ und Feiertage. — Druckſache 242. Antragſteller Stadtv. Bollmann: Meine Herren, der Antrag lautet: Der Magiſtrat wird erſucht, bei dem Herrn Miniſter des Innern dahin vorſtellig zu werden, die Verfügung betr. Verhängung der Schaufenſter während der Sonn⸗ und Feiertage baldmöglichſt aufzuheben. Die urſprüngliche Polizeiverordnung oder Ver⸗ fügung, daß die Schaufenſter an Sonn⸗ und Feier⸗ tagen bezw. während des Hauptgottesdienſtes verhängt werden müſſen, eriſtiert ſchon ſeit ſehr langer Zeit. Nach Inkrafttreten des ſogenannten Sonntagsgeſetzes von 1891 iſt dieſe Verfügung noch verſchärft worden. Während früher die Schaufenſter nur während des Hauptgottesdie nſtes verhängt zu werden brauchten, iſt das Offenhalten jett nur während der feſtgeſetzten Verkaufszeit eſtattet. Die Beſtimmungen. die hier in Betracht ommen, finden ſich im § 6 der Verfügung des Oberpräſidenten der Provinz Brandenburg vom 4. Juli 1898 über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Feiertage und lauten, wie folgt: Das Aushängen und Ausſtellen von Waren in den Schaufenſtern und Schaukäſten ſowie in und vor den Ladentüren iſt an Sonn⸗ und Feiertagen nur während der zuläffigen Verkaufs⸗ zeit geſtattet. Außerhalb dieſer Zeit müſſen die Ladentüren geſchloſſen und die Schaufenſter geräumt oder verhängt ſein. Meine Herren, zweifellos iſt die urſprüngliche Verfügung auf die Freunde einer puritaniſchen Sonntagsheiligung und auf einen Antrag der damaligen kirchlichen Behörden, die vielleicht noch weniger liberal waren als heute, zurückzuführen. Es iſt mir nicht möglich geweſen, zu ermitteln, aus welchem Jahre oder Jahrhundert dieſe urſprüngliche Verfügung datiert. Die deutſchen Reformatoren forderten nur eine würdige Feier des Sonntags, doch ohne geſetzliche Strenge, wogegen die Reformierten das jüdiſche Sabbatgebot auf den chriſtlichen Sonntag anwenden wollten. Den einzigen Anhaltepunkt, den ich gefunden habe, bietet eine Allerhöchſte Kabinettsorder vom 7. Februar 1837, die folgendermaßen lautet: Zur Beſeitigung der Zweifel, welche nach dem Berichte des Staatsminiſteriums vom 15. v. Mts. über die Befugnis der Behörden, durch polizeiliche Beſtimmungen die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Feſttage zu bewahren, in einigen Landesteilen bisher obgewaltet haben, ſetze ich für den ganzen Umfang der Monarchie hierdurch feſt, daß die Regierungen, die nach den Verhältniſſen der ei Orte oder Gegenden ihres Bezirks zu dieſem Zwecke erforderlichen Anordnungen zu erlaſſen und deren Befolgung durch Straf⸗ verbote, welche jedoch die im § 10 ihrer Dienſtinſtruktion vom 23. 10. 1817 vorge⸗ ſchriebene Grenze nicht überſchreiten dürfen, zu ſichern, befugt ſein ſollen. Dieſer Befehl iſt durch die Geſetzſammlung bekannt zu machen. 2 Berlin, den 7. Februar 1837. n Friedrich Wilhelm. das Staatsminiſterium. Meine Herren, Zweifel haben damals ſchon beſtanden und beſtehen auch heute noch. Nach den Feſtſtellungen der Berliner Handelskammer hat das Verbot des Offenhaltens der Schau fenſter, abgeſehen von der Mark Brandenburg, nur noch in den öſtlichen Provinzen der preußiſchen Monarchie, alſo Oſtelbien, ferner in der Provinz Heſſen⸗Naſſau, im Königreich Sachſen, in Sachſen-Altenburg und Baden Geltung. Zu den preußtſchen Provinzen, in welchen das Verbot neuerdings aufgehoben iſt, gehört Schleswig⸗ Holſte in. Es fällt auf, daß gerade in denjenigen Gegenden, wo die katholiſche Bevölkerung vor⸗ herrſchend iſt, das Verbot nicht mehr eriſtiert, während cs in den Provinzen mit überwiegend proteſtantiſcher Vevölkerung Geltung hat bezw. ſeit 1898 noch verſchärft worden iſt. Die Bevölkerung dieſer Gebiete beziffert ſich auf ca. 20 Millionen; in den übrigen Teilen des Deutſchen Reiches mit etwa 36 Millionen Einwohnern iſt das Offenhalten der Schaufenſter geſtattet. Dieſe 36 Millionen können fich alſo an der Dekoration der Schaufenſter unbeſchränkt erfreuen, während das bei den 20 Millionen nur in ſehr beſchränktem Maße der Fall iſt. Es wurde mir vor einigen Tagen mit⸗ geteilt, daß in Köln ein Geſchäftsinhaber, der ſeine Schaufenſter nicht verhängt hatte, von der Polizei ein Strafmandat erhielt. Er hat dagegen Einſpruch erhoben, und das dortige Oberlandesgericht hat als letzte Inſtanz entſchieden, daß, da eine geſetzliche Beſtimmung nicht exiſtiere, das Strafmandat hinfällig ei. Dieſer Vorfall ſoll dazu beigetragen haben, daß das Verbot für die Kheinprovinz ſeinerzeit auf⸗ gehoben wurde. Der Gemeindekirchenrat der hieſigen Trini⸗ tatisgemeinde, dem ich ſeit Beſtehen der Gemeinde anzugehören die Ehre habe, hat im Mai 1905 bereits bei der Kreisſynode Friedrichswerder 11 den Antrag eingebracht, das Verbot des Offenhaltens der Schaufenſter an Sonn⸗ und Feiertagen zu beſeitigen. Das Königliche Konſiſtorium der Provinz Brandenburg hat dieſem Autrage ſchon am 11. September 1905 erfreulicher Weiſe ſe ine Zuſtimmung erteilt. Meine Herren, das iſt bis jetzt der erſte liberale Antrag der Synode, dem das Konſiſtorium zugeſtimmt hat! (Hört, hört!) Da nun aber das Konſiſtorium den Beſchluß nicht ausgeführt, ſondern einfach mitgeteilt hat: die Ver⸗ hängung der Schaufenſter an Sonn⸗ und Feiertagen halten auch wir nicht für empfehlenswert, ſo iſt am 15. Mai d. Is. der Vorſtand der Synode beauftragt worden, bei dem Herrn Miniſter des Innern in ähnlicher Weiſe vorſtellig zu werden, wie ich gebeten habe, daß es der Magiſtrat tun möchte. Meine Herren, es ſteht außer jedem Zweifel, daß Groß⸗Berlin mit ſeinen zahlreichen Detail⸗, insbeſondere Lurusgeſchäften, ſeinem bedeutenden Fremdenverkehr und ſeiner koloſſalen Arbeiter⸗ bevölkerung mehr als andere Städte von einer Anordnung getroffen wird, welche die Verwendung der Schaufenſterreklame gerade an den Tagen beſchräntt, wo ſie ihre beſte Wirkung entfalten