—— 245 Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Otto bittet noch einmal zu Nr. 20 ums Wort. Wenn ich ihm das Wort gebe, ſo iſt die Möglichkeit nicht ausge⸗ ſchloſſen, daß die Verſammlung anders beſchließt, als es bereits geſchehen iſt. Da es ſich hier aber um Rechte Dritter handelt, ſo bin ich nicht in der Lage, dem Antrage entſprechen zu können. Das könnte doch zu bedenklichen Konſequenzen gerade bei der Art dieſer Vorlage führen. Ich bin aber bereit, die Verſammlung über Ihren Antrag entſcheiden zu laſſen — oder wird ein Antrag nicht geſtellt? (Stadtv. Otto: Ich ſpreche die Bitte aus, die Beſprechung nochmals zu eröffnen.) — Wenn ich von Ihnen einen Antrag fordere, und Sie ſtellen nur die Bitte — (Stadtv. Otto: Dann ſtelle ich den Antrag!) — Sie ſtellen den Antrag, daß die Verhandlung noch einmal über Nr. 20 eröffnet werden ſoll? (Zuſtimmung des Stadtv. Otto.) Ich bitte diejenigen Herren, die dieſen Antrag des Herrn Stadtv. Otto annehmen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Das iſt die Mehrheit. Die Diskuſſion über Nr. 20 wird wieder eröffnet. Stadtv. Otto: Meine Heren, durch eine perſön⸗ liche Unterredung hatte ich leider ganz überhört, daß die Diskuſſion über Punkt 20 ſchon geſchloſſen war. Ich bitte um Entſchuldigung, wenn ich Sie durch meinen Antrag nochmals bemühen mußte. Aber meine Freunde halten die Frage, die in der Vorlage Nr. 20 zur Erörterung kommt, für ſo wichtig, daß mir einige Worte dazu ſagen möchten. Vor allem, meine Herren, erſcheint es mir auch aus einem äußern Grunde für die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung durchaus berechtigt, nochmals in eine Verhandlung über dieſe Frage einzutreten, da, wie Sie bei der Eröffnung unſerer Verſammlung hörten, zu dieſer Vorlage eine Petition eingegangen iſt und der Herr Stadtverordnetenvorſteher die Verſammlung erſuchte, in der Beſprechung über die Vorlage zu Nr. 20 zu dieſer Poſition Stellung zu nehmen. Meine Herren, der Magiſtrat beantragt in der Vorlage Nr. 20 die Weitergewährung der Teuerungs⸗ zulagen genau in derſelben Weiſe, wie dieſe Teue⸗ rungszulagen bis zum 30. Juni d. IJ. gewährt werden. Ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir über dieſen Magiſtratsbeſchluß außerordentlich erfreut ſind. Wir ſtimmen der Be⸗ gründung, die der Magiſtrat ſeinem Beſchluſſe gibt, in allen Punkten zu. Wir müſſen alſo mit dem Magiſtrat anerkennen, daß die Preisſteigerung für alle Bedürfniſſe des wirtſchaftlichen Lebens, die ſeinerzeit uns veranlaßte, eine Teuerungszulage zu gewähren, allenthalben noch weiter beſteht. Beſonders haben wir der Bemerkung in der Magiſtratsvorlage gern zugeſtimmt, in der es heißt, daß dieſe Preisſteige⸗ rung namentlich die Arbeiter und die gering be⸗ ſoldeten Beamten trifft. Die Vorlage weiſt im einzelnen nach, daß nicht nur die Fleiſchpreiſe hoch, die Hülſenfrüchte teuer ſind, ſondern ſie gibt mit vollem Rechte mit Rückſicht auf die Ernteausſichten, die uns bevorſtehen, der Befürchtung Ausdruck, daß in Zukunft auch die Brotpreiſe ſteigen werden. Sie weiſt ferner nach, daß eine Preisſteigerung auf allen Gebieten des gewerblichen Lebens eingetreten iſt, und vor allem, daß die Mieten eine bedeutende Höhe erreicht vaben, vornehmlich für kleinere und mittlere Wohnungen, die hauptſächlich von Beamten und Arbeitern gemietet werden. Wenn der Magiſtrat an einer Stelle ſeiner Vorlage ſagt, daß einzelne dieſer Kategorien für die Miete ein Drittel ihres geſamten Einkommens und darüber aufwenden müſſen, ſo ſind das ſo ungeſunde Verhältniſſe, daß ſie dringend der Abhilfe bedürfen. Der Magiſtrat kommt denn auch durchaus zu dem richtigen Schluß, indem er ſagt: derartigen Mißſtänden iſt nur ab⸗ zuhelfen durch eine Reviſion der Löhne und Gehälter überhaupt, und er ſpricht es als notwendig aus, dieſe Reviſion baldigſt eintreten zu laſſen. Nach der Begründung des Magiſtrats wird dieſe Reviſion vor allem wohlwollend die Arbeiter und die unteren Beamten zu berückſichtigen haben Ich habe die Petition, die von dem Magiſtratsaſſiſtenten einge⸗ gangen iſt, mit lebhaftem Intereſſe geleſen, und ich muß ſagen, daß ſie weſentliche Punkte enthält, die dringend der Berückſichtigung bedürfen. Meine Herren, ich habe mit demſelben Intereſſe auch von der Druckſache Kenntnis genommen, die uns in den letzten Tagen zugegangen iſt, und die einen Entwurf über Beſtimmungen, betreffend die Arbeits⸗ und Lohnverhältniſſe der ſtädtiſchen Arbeiter, enthält. Dieſe Druckſache iſt nicht auf den augen⸗ blicklichen Notſtand zugeſchnitten, ſie verſucht auch nicht, aus dieſem augenblicklichen Notſtande beſondere Forderungen abzuleiten, ſondern ſie will die Frage grundſätzlich geregelt wiſſen. Ich bin nicht mit allen dieſen Punkten dieſer Vorlage ohne weiteres einverſtanden; aber ich muß auch hier zugeben, daß dieſe Druckſache der eingehendſten Prüfung wert iſt. Wenn trotzdem der Magiſtrat nicht zu dem An⸗ trage kommt, den Normaletat im Laufe des Etats⸗ jahres zu revidieren, ſo bringt er dafür Gründe bei, denen meine Freunde durchaus zuſtimmen. Wir ſind alſo damit einverſtanden, daß der Normaletat erſt mit Geltung vom 1. April 1908 revidiert werde, daß aber bis dahin als ein Ausgleich die Teuerungs⸗ zulagen weiter gewährt werden ſollen. Der Magiſtrat weiſt unter anderem für die Begründung des Hinausſchiebens der Reviſion auch auf diejenigen Geſetzesvorlagen hin, die ſich jetzt im Staate Preußen und im Reiche vorbereiten, er weiſt vor allem darauf hin, daß er auf die Sätze und die Geſichtspunkte, die in dieſen Vorlagen berückſichtigt werden, ſeinerſeits Rückſicht nehmen will. Ich meine das iſt nicht nur erwünſcht, ſondern es wird bei einzelnen Teilen unſeres Normaletals geradezu not⸗ wendig ſein; denn es iſt leider nicht ſicher, ob durch einzelne Geſetzesvorlagen auch der freien Bewegung der Kommunen hindernde Grenzen gezogen werden. Namentlich weiſt der Magiſtrat darauf hin, daß er, wie die Regierung, die Abſicht hat, den Wohnungs⸗ geldzuſchuß unterſchiedlich zu geſtalten mit Rückſicht darauf, ob der Gehaltsempfänger Familie hat oder nicht. Das iſt ein ſehr weſentlicher Schritt zu dem Beſtreben, die Beſoldungsnormen volkswirtſchaftlich und ſozialpolitiſch richtiger zuzuſchneiden, und wir werden gerade dieſem Vorſchlage des Magiſtrats mit beſonderem Intereſſe eine eingehende Prüfung zuteil werden laſſen. Wenn der Magiſtrat am Schluſſe ſeiner Vor⸗ lage ſagt, daß er die Abſicht hat, auch dieſen neuen Normaletat auf 5 Jahre, alſo bis zum 1. April 1913, in Kraft ſein zu laſſen, ſo bedeutet das eine direkte Aufhebung jenes Beſchluſſes, den wir bei den Ver⸗ handlungen über den Normaletat im Jahre 1905 faßten, daß nämlich vor dem 1. April 1910 eine erneute Reviſion nicht ſtattzufinden habe. Wir meinen aber, daß bei den total veränderten wirtſchaftlichen