—— 255 — wird. Ich bedanere es, daß der Magiſtrat dieſe Stellung eingenommen hat; ſie liegt meiner Meinung nach nicht im Intereſſe der Stadtgemeinde. Vorſteher Roſenberg: Ich möchte zunächſt feſt⸗ ſtellen, Herr Stadtv. Hirſch, daß aus Ihren Aus⸗ führungen nicht heroorgehen ſoll, daß Sie dem Magi⸗ ſtrat elwa eine abſichtliche Schädigung der Arbeiter⸗ intereſſen vorwerſen wollen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich bilde mir nicht ein, den Herrn Stadtv. Hirſch durch meine Ausführungen zu überzeugen; aber ich lege Gewicht darauf, mit aller Beſtimmtheit die Auffaſſung des Herrn Stadtv. Hirſch, daß der Magiſtrat ſich hier in den wirtſchaftlichen Kampf dieſer beiden Parteien ge⸗ miſcht habe, und daß er nicht unparteiiſch entſchieden habe, zurückzuweiſen. Es wird ja allerdings hier wieder einmal Auffaſſung gegen Auffaſſung und Be⸗ hauptung gegen Behauptung ſtehen. Ich habe die Abſicht, mit aller Rüchternheit die Angelegenheit zu behandeln; aber ich muß doch Gewicht darauf legen, das, was ich zu ſagen habe, auch mit einer ſolchen Klarheit und Beſtimmtheit zu ſagen, wie es mir den ſchiefen Ausführungen des Herrn Stadtv. Hirſch gegenüber notwendig erſcheint. Meine Herren, es ſteht tatſächlich feſt, daß das Einigungsamt in dieſem wirtſchaftlichen Streit ge⸗ ſprochen hat, und dem Spruche dieſes Einigungsamts haben ſich die Arbeitnehmer nicht gefügt. Sie haben allerdings nicht die Konſequenz gezogen, ſorort den Streik zu proklamieren; aber ſie haben tatſächlich eine Situation geſchaffen, die es den Arbeitgebern zur wittſchaftlichen Uinmöglichkeit machte, weiterzuwirt⸗ ſchaften. (Sehr richtig!) Der Arbeitgeber, der über ein ganzes Jahr und vielfach noch länger mit ſeinen Arbeiten disponieren muß, muß die Faktoren, nit denen er zu rechnen hat, kennen, und das ſind vor allen Dingen die Ar⸗ beitsbedingungen. Die Arbeitnehmer haben nun geſagt: wir werden vorläufig ſehen, wie lange es uns paßt, ſo lange werden wir weiter arbeiten; paßt es uns nicht mehr, donn hören wir eines ſchönen Tages auf. Ja, meine Herren, das iſt eine Situa⸗ tion, die: die Arbeitgeber abſolut nicht akzeptieren konnten, und ſie haben meiner Meinung nach ihrer⸗ ſeiis das einzig Mögliche getan und geſagt: wir können nicht ſo weiterarbeiten, wir müſſen alſo aus⸗ ſperren. Nach der Auffaſſung des Magiſtrats find die Unternehmer allerdings durch dieſe Situation in eine Lage gebracht worden, die für ſie ſorce majeure war, zum allermindeſten für den einzelnen Arbeit⸗ geber, der eben jetzt, wie unſere wirtſchaftliche Kon⸗ ſtellation geworden iſt, von dem Rückhalt abhängig iſt, den er in ſeinem Verbande findet; für den ein⸗ zelnen Unternehmer war es gar nicht möglich, ſich dem Spruch des Verbandes, der Ausſperrung, zu entziehen. (Stadtv. Vogel: Es haben doch einige getan!) — Es haben ſich dem einige entzogen, ich glaube, nicht zu ihrem Vorteil. Das iſt aber eine Frage, die nur nebenbei zu behandeln iſt; auf die große Mehrzahl und jedenfalls auf die Arbeitgeber, mit denen wir es zu tun haben, trifft es nicht zu. Alſo, meine Herren, nach der Auffaſſung des Ma⸗ giſtrats iſt allerdings eine Simation geſchaffen, die zum mindeſten eine frappante Ahnlichkeit mit einer force majeure hat. Der Magiſtrat hat ſich aber in den Bedingungen ausdrücklich vorbehalten, ſelbſt wo eine höhere Gewalt noch nicht vorliegt, von Fall zu Fall zu prüfen, ob nach Lage der Verhältniſſe ſonſt eine Verlängerung der Friſten möglich und gerechtfertigt erſcheint, und dieſer Fall iſt zum allermindeſten hier eingetreten. (Stadtv. Holz: Sehr richtig!) Im vorliegenden Falle ſteht das Einigungsamt auf Seiten des Magiſtrats. Ich erinnere den Herrn Stadtv. Hirſch daran, daß bei der Beratung unſerer Submiſſionsbedingungen dieſe, wenn ich ſo ſagen foll, Souveränität des Magiſtrats durch ſeine Anträge ausgeſchaltet werden ſollte. Der Magiſtrat ſollte — als der ſogenannte nichtunparteiiſche Mann überhaupt nicht mitreden dürfen, es ſollte das Einigungsamt ein für alle Mal entſcheiden. Ja, hier hat der Ma⸗ giſtrat ſich nun genau auf den Standpunkt des Einigungsamts geſtellt, und da heißt es natürlich: „ja Bauer, das iſt ganz etwas anderes“. Jetzt ſollte der Magiſtrat ſelbſt prüfen, ob das Einigungsamt auch richtig eingegriffen hat; jetzt ſollle ſich der Ma⸗ giſtrat über das Einigungsamt ſtellen! Meine Herren, dazu hat er nicht die geringſte Veranlaſſung, und es wäre auch wirklich in einer ſo vielſeitigen Frage kaum möglich geweſen. Ich glaube z. B. auch nicht, daß es Herrn Stadw. Hirſch möglich iſt, alle Situa⸗ tionen bis zur vollſten Unparteilichkeit und Objektivität klarzulegen. Wir haben uns lediglich dem Spruche des Einigungsamts gefügt. Wir haben abſichtlich davon Abſtand genommen — das iſt in der Beratungen des Magiſtrats zum Ausdruck gelangt —, irgendwie in die Streitfrage ſelbſt einzugreifen und dazu Stellung zu nehmen. Die Fragen: auf weſſen Seite liegt das Recht, auf weſſen nicht?, iſt der Wunſch der Arbeiter nach Verkürzung der Arbeitszeit begründet oder nicht? — haben wir abſichtlich aus der Diskuſſion heraus⸗ gelaſſen. Wir haben lediglich geſagt: wenn das Einigungsamt dieſen Wunſch für begründet gehalten hätte, dann würde es entſchieden haben: die Arbeits⸗ zeit ſoll auf 8¼ Stunde herabgeſetzt werden. Das Einigungsamt iſt es geweſen, das dieſem Verlangen der Arbeiter die Verwirklichung verſagt hat. Nun ſagt der Herr Stadtv. Hirſch, die Unter⸗ nehmer haben von vornherein erklärt: hierüber wird gar nicht diskutiert. Ja, das konnten ſie ja wohl ſagen, ſolange ſie von Partei zu Parlei mit den Ar⸗ beiinehmern verhandelten; nachdem aber die Sache vor das Schiedsgericht gekommen war und ſie ſich einmal überhaupt in die Verhandlung vor dem Schiedsgericht eingelaſſen hatten, konnten die Unter⸗ nehmer ſich gar nicht mehr auf dieſen Standpunkt ſtellen, die Entſchließung hierüber lag lediglich beim Einigungsamt. Alſo iſt dieſe Verſion des Herrn Stadiv. Hirſch nach meiner Anficht auch falſch. Es wird nun ſo dargeſtellt, als ob die Arbeit⸗ geber jetzt die Leute wären, die in ganz unverant⸗ wortlicher, allen ſozialen Empfindungen widerſpre⸗ chender Weiſe die Arbeitnehmer am 21. Mai, nach den Pfingſtfeiertagen, auf die Straße geſetzt hätten. Davon iſt ja gar keine Rede. Ich habe bereits nach⸗ gewieſen, daß nach meiner feſten Überzengung die Arbeitgeber tatfächlich gar nicht anders handeln konnten, als ſie hier gehandelt haben, und der weitere Erfolg hat ihnen ja eklatant recht gegeben; er hat bewieſen, daß den paar Arbeitgebern, die bereit waren, weiter arbeiten zu laſſen, nachher von den Arbeit⸗ nehmern der Stuhl vor die Tür geſetzt wurde: es wurde der Generalſtreik von den Arbeitnehmern proklamiert. (Stadtv. Vogel: Da ſind Sie im Irrtum! Heiterkeit.)