—— 258 —— auf unſerer Seite, und der deckt uns nach meiner Meinung vollkommen. (Lebhafte Zuſtimmung bei den Liberalen und der Freien Vereinigung. — Zuruf des Stadtv. Hirſch: Ausſperrung!) — Ich will wirklich nicht weiter darauf eingehen. Wir überzengen uns doch nicht, Herr Stadtverordneter Hirſch. Herrn Stadtv. Dr. Spiegel gegenüber nur noch ein paar Bemerkungen. Er hat die Sache nicht warm und nicht kalt behandeln wollen. Das iſt nach meiner Anficht hier abſolut unmöglich. Ich kann die von Herrn Stadtv. Dr. Spiegel befürworteten halben Maßregeln nicht billigen, wenn ich mich in die Lage der Arbeitgeber hineinverſetze, und das muß ich natürlich, um die Maßregeln, die ſie beſchloſſen haben, zu be⸗ greifen und zu verſtehen. Ich bitte, mich ganz richtig zu verſtehen. Herr Stadtv. Dr. Spiegel wollte von mir den Nachweis erbracht haben, daß die Arbeitgeber ſo handeln mußten und nicht anders handeln konnten. Er ſagt, ſie hätten doch ſehr wohl die alten Bauten nach den alten Verträgen zum Alb⸗ ſchluß bringen können, aber nur neue Bauten nicht übernehmen brauchen. Meine Herren, das wäre natürlich nicht von vornherein unmöglich geweſen; aber zu einem Ziele hätte es nicht geführt. Wir müſſen doch damit rechnen, daß die Arbeitgeber, deren Arbeits⸗ gebiet ſich in beſtändiger Entwickelung von heute auf morgen verſchiebt, indem heute ein alter Bau beendet, morgen ein neuer angefangen wird, zum mindeſten doch das ganze Jahr mit ſicheren Faktoren disponieren müſſen. Was hätten ſie denn wirklich gewonnen, wenn ſie die alten Bauten weitergeführt und bei jedem neuen Bau — jeden Tag übernehmen ſie doch einen ſolchen — nicht gewußt hätten, was nun weiter werden ſollte! Es wären ſo allmählich alle alten Bauten zu Ende geführt, neue nicht übernommen worden, und es wäre ſchließlich derſelbe Effekt der vollſtändigen Arbeitseinſtellung eingetreten, nur nach ſo und ſo langer Qual. In derartigen Kämpfen hilft eben nur ein Radikalmittel. Das iſt doch die Erfahrung. Genau ſo, wie die Arbeitnehmer das Radikalmittel des Streiks anwenden, genau ſo können in einer derartigen Situation nach meiner Auffaſſung die Arbeitgeber nicht anders, als ebenfalls zu einem Radikalmittel greifen. Wir wollen hoffen, daß je länger je mehr die Anwendung ſolcher Radikal⸗ mittel nicht nötig werden wird, und daß, wie das Haager Schiedsgericht, auch das Einigungsamt die Bedeutung gewinnen wird, daß ſolche Radikalmittel nicht mehr angewendet zu werden brauchen. Solange das aber nicht iſt, muß eben eine Erploſion erfolgen, die ſich im Wirtſchaftsleben als Streik oder Aus⸗ ſperrung kennzeichnet. Das war die Sachlage im Baugewerbe, unter welcher die Arbeitgeber zur Aus⸗ ſperrung gedrängt wurden, und das iſt, ſoweit ich das wenigſtens mit meinem beſchränkten Verſtande zu begreifen in der Lage bin, eine force majeure. Nun aber brauche ich nicht einmal unter allen Umſtänden zuzugeben, daß eine force majeure vorliegt. Meine Auffafſung mag unrichtig ſein, und es iſt ja ſehr wahrſcheinlich, daß es über dieſe Frage demnächſt einmal zu einem Rechtsſtreit kommt. Das zuſtändige Gericht wird ja dann in der Lage ſein, die Frage zu prüfen. Dieſer Entſcheidung habe ich keineswegs vorgreifen wollen. Ich habe nur geſagt: der Magiſtrat hatte ſich hier über die Anwendung von zwei Maß⸗ nahmen zu entſcheiden, und zwar zunächſt, ob hier force majeure vorhanden iſt oder nicht. Liegt dieſe nach richterlicher Entſcheidung vor, ſo haben wir gar nichts dazu zu ſagen; dann iſt die Situation ge⸗ ſchaffen, der gegenüber wir vollſtändig machtlos ſind. Liegt aber keine korce majeure in dem kompletten Sinne vor, ſo haben wir das Recht der eigenen Prüfung, ob ein Ausſtand in der vertraglichen Fertig⸗ ſtellung der Bauarbeiten zu gewähren iſt. Bei dieſer Prüfung — das habe ich ſchon einmal betont — haben wir uns jeder weiteren materiellen Stellung⸗ nahme enthalten und haben uns lediglich dem Schieds⸗ ſpruche des Einigungsamtes gefügt. Ob die Arbeitgeber mit ihrem Wunſche, vom 1. Juli ab wieder arbeiten zu laſſen, Erfolg haben werden, das wird ſich ja erſt zeigen. Der Herr Stadtv. Dr. Spiegel antizipiert gewiſſermaßen den Erfolg ſchon; er ſagt: ebenſo gut, wie die Arbeitgeber vom 1. Juli ab auf ihren Bauten wieder weiter⸗ arbeiten wollen, hätten ſie auch ſchon während der ganzen Zeit weiterbauen können. Ich zweifle ſehr daran, ſoweit ich die Sache überſehen kann, ob das möglich geweſen iſt. Im übrigen darf hier doch nicht vergeſſen werden, daß am 1. Juli unter Umſtänden die Situation weſentlich anders liegt, als ſie am 22. Mai war. Auch nach dieſer Richtung hin iſt der Vergleich, den Herr Stadtv. Dr. Spiegel an⸗ geſtellt hat, nicht zutreffend. Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Herren, ich muß betonen, daß ich hier nur für meine Perſon ſpreche, ebenſo wie mein Fraktionsfreund Dr. Spiegel nur für ſeine Perſon geſprochen hat. Uns alle leitet wohl bei der Beurteilung der Frage der Grundſatz, daß ſtädtiſche und andere Behörden ſich als oberſte Maxime vorſchreiben müſſen, daß man in derartigen wirtſchaftlichen Kämpfen weder nach der einen noch nach der anderen Seite hin eingreifen ſolle. Das iſt ſehr ſchön. Wenn ich mir aber den vorliegenden Fall analyſiere, ſo komme ich zu dem Reſultat, daß dieſe Forderung eine rein theoretiſche iſt, die der Magiſtrat nicht erfüllen konnte, mochte er tun, was er wollte; er muß, mag er ſo oder mag er ſo handeln, zugunſten der einen der ſtreitenden Parteien ſeine Autorität und ſeine Machtmittel in die Wag⸗ ſchale werfen. Das iſt zwar eine unangenehme Situation, ſie läßt ſich aber nicht ändern. Herr Kollege Dr. Spiegel hat das meiner Meinung nach ſehr ſcharffinnig bereits hervorgehoben. Wenn wir nun die weitere Entwickelung be⸗ trachten, ſo, glaube ich, kommt es hier wieder auf eine ganz nüchterne juriſtiſche Frage hinaus, nämlich auf die Frage: ob die Vorbedingungen des § 5 des Vertrages erfüllt ſind oder nicht, das heißt, ob hier eine vis major vorliegt oder nicht. Darüber kann man zweifelhaft ſein. Nach meiner Auffaſſung liegt eine vis major vor; denn ob hier die Ausſperrung oder der Streik wirklich in die Erſcheinung getreten ift, das iſt für mich lediglich eine Wortfrage. Wäre das eine nicht geweſen, ſo wäre das andere in kurzer Zeit eingetreten. Dafür ſind für mich das klaſſiſche Zeugnis die Worte des Herrn Kollegen Hirſch, mit denen er gegen den Kollegen Spiegel operieren wollte, indem er die theoretiſche Löſung die Herr Kollege Spiegel zu finden geglaubt hat, als eine ſolche bezeichnete, bei der die Unternehmer hätten mit Streikbrechern arbeiten müſſen. Dadurch wirft er ja das Wort „Streik“, die Unausbleiblichkeit eines Streiks, falls nicht die andere Löſung bevorzugt wird, als abſolut ſichere Tatſache hin. Meine Herren, alle, die die Verhältniſſe kennen, wiſſen doch auch, was gekommen wäre. Es wäre vielleicht nicht ein allgemeine Streik ausgebrochen,