mmmn mmm —— 259 aber doch eine Reihe partieller Streiks. Das iſt auch von vornherein in Ausſicht genommen worden. Dagegen wollten ſich die Unternehmer ſchützen. Ich glaube auch, daß die betreffenden Unternehmer, die wir hier im Auge haben, deswegen ganz beſonders unter dem Zwange der vis major ſtanden, weil ſie ja, was auch bereits hervorgehoben worden iſt, einem großen Arbeitgeberverbande angehörten und, wenn ſie nicht ausgeſperrt hätten, Streikbrecher gegen ihre eigenen Mitarbeiter geworden wären, und daß der Magiſtrat, wenn er ſie dazu gezwungen hätte oder den Verſuch gemacht hätte, ſie zur Weiterführung der Arbeiten zu zwingen, ſie ſelbſt zu ſolchem Handeln veranlaßt hätte. Da darf ich wohl an die Worte erinnern, die Herr Kollege Dr. Borchardt in einer der letzten Sitzungen über die Streikbrecher geſprochen hat, worin er die Entrüſtung über derartige Leute als berechtigt hinſtellte, und zwar nicht zur Ent⸗ ſchuldigung, aber doch zur Erklärung anführte, daß ſolchen Streikbrechern gegenüber auch Brutalitäten, wie ſie ſeinerzeit gerügt wurden, vorkommen könnten. Er hat dieſe Vorkommniſſe nicht entſchuldigen, aber doch erklären wollen. Meine Herren, da iſt es doch für mich klar, daß die Unternehmer, die unter dem Zwange der Geſamtheit ſtanden, natürlich nichts anderes tun konnten, als ſich dem allgemeinen Be⸗ ſchlufſe zu fügen und eben auszuſperren, wie die Situation damals lag. Ob man nun noch hätte eine andere Löſung finden können, wie ſie der Kollege Dr. Spiegel mit vielem Scharfſinn ſich bemüht hat, theoretiſch zu konſtruieren, möchte ich dahingeſtellt ſein laſſen. Ich perſönlich glaube, daß das praktiſch zu einem Fiasko nach beiden Seiten geführt hätte, ſowohl nach der Seite der Arbeitgeber, wie nach der der Arbeitnehmer. Ich glaube nicht, daß es gegangen wäre, daß dieſelbe Baufirma die alten Bauten weiterführt, aber neue Bauten ablehnt und die betreffenden Kolonnen aus⸗ ſperrt. Das würden die Arbeiter ſich kaum gefallen laſſen können. Außerdem kommen doch, ſoweit ich unterrichtet bin, in allen Bauarbeiten, auch ſoweit ſie vertraglich vergeben ſind, eine Reihe von Arbeiten vor, die bei der Ausſchreibung noch nicht überſehen werden können, und die dann noch nicht in die Pauſchalſumme hineingerechnet werden, ſondern für die beſondere Sätze normiert ſind. Bei dieſen be⸗ ſonderen Sätzen ſpielen dann auch die Lohnſütze eine Rolle. Die Arbeitgeber, die auf den alten Bauten hätten weiterarbeiten laſſen, wären dann immer in der Gefahr geweſen, in ganz neue Kalkulationen hineinzukommen. die ſie nicht beim Beginn der Bauten überſehen konnten. Das war für ſie der weitere Grund, eine Radi⸗ kalkur vorzunehmen. Darin hat auch der Herr Bürgermeiſter ganz recht: ſolche Kriege können nicht bloß mit Schützengeplänkel ausgefochten werden, da müſſen alle Waffen in Aktion treten. Das iſt ſehr bedauerlich, aber wir können es nicht ändern. Das Eine muß ich aber Herrn Kollegen Hirſch auch ſagen: Wenn er dem Magiſtrat hier zwar nicht vorwirft, aber es doch als natürlich erklärt, daß er aus ſeiner Haut nicht heraus kann und nicht unparteiiſch fein kann, ſo wird doch keiner von uns die Uberzeugung gewonnen haben, daß Herr Kollege Hirſch ſich hier als Stadtverordneter lediglich auf den unparteiiſchen Standpunkt geſtellt hat, ſondern es wird wohl jeder herausgefühlt haben, daß er lediglich die Sache der Arbeitnehmer vertreten wollte. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wie Sie die der Arbeitgeber!) Stadtu. Vogel: Meine Herren, einer der erſten Vertreter der bürgerlichen Wirtſchaftstheorie, Schulze⸗ Delitzſch, gründete ſein Syſtem auf das Unternehmer⸗ riſiko. Er ſagte: die Berechtigung des Unternehmer⸗ gewinns liegt im Unternehmerriſtko. Das werden Sie wohl alle geleſen haben. Aber, meine Herren, wenn der Magiſtrat die Bauunternehmer vor dem Riſiko dadurch ſchützen will, daß er die Situation für eine forcc majeure erklärt. dann nimmt er ihnen jede Begründung für ihren Unternehmergewinn. (Zuruf vom Magiſtratstiſch.) — Ja, wenn heute ein Kaufmann zu einem be⸗ ſtimmten Preiſe eine Ware kauft, und inzwiſchen ſinkt der Preis, dann hat er Schaden, er muß eventuell mit Verluſt verkaufen. Das iſt das Unter⸗ nehmerriſiko. Davor ſchützt ihn kein Menſch, kein Gericht. Das iſt ganz dasſelbe wie hier. Durch dieſes Verfahren ſchlagen Sie ſelbſt den Grundſätzen jeder bürgerlichen Nationalökonomie ins Geſicht. Stadtv. Dr. de Gruyter: Meine Herren, infolge meines Widerſpruchs hat Herr Kollege Hirſch mich auf den Plan gerufen. Ich folge dieſem Rufe gern. Herr Kollege Hirſch erklärte, daß mit der Ausſperrung zugleich die Unternehmer auch den Tarifvertrag ge⸗ kündigt hätten. Das iſt ein offenbarer Irrtum; denn die Ausſperrung erfolgte etwa Mitte Mai, während nach der eigenen Angabe des Herrn Kollegen Hirſch der Vertrag bereits am 1. April abgelaufen war. Für die Unternehmer lag auch gar kein Grund vor, dieſen Vertrag, der ja nach Ihrer Meinung für ſie ziemlich günſtig war zu kündigen. Ich möchte im übrigen betonen — allerdings auch nur für meine Perſon —, daß ich den Stand⸗ punkt des Magiſtrats, ſich dem Spruche des Einigungs⸗ amtes fügen zu müfſen, nur anerkennen kann. Stadtv. Dr. Spiegel: Meine Herren, der Herr Bürgermeiſter hat es verteidigt, daß die Arbeitgeber auch zu ſtarken Mitteln greifen. Ich kann ihm darin folgen. Im Kampfe der Intereſſen kann man nicht immer den ſtrengen Regeln der Ethik folgen, man muß ſich ſeiner Haut wehren. Aber wenn zwei Mächte mit einander in Krieg liegen, ſo haben ſie die Kriegskoſten zu tragen, und zu den Kriegskoſten dieſes Kampfes zwiſchen Arbeitnehmern und Arbeit⸗ gebern gehören meiner Anſicht nach auch die Kon⸗ ventionalſtrafen, die eventuell die Unternehmer für nicht rechtzeitige Einhaltung ihrer Verpflichtung zu tragen haben. Deshalb iſt es eine gewiſſe Partei⸗ nahme, wenn man auf die Erhebung ſolcher Kon⸗ ventionalſtrafen oder auf die Anwendung der ſonſtigen Mittel, die uns für die Anhaltung der Unternehmer zur Verfügung ſtehen, verzichtet. Ein ſolches Ver⸗ zichten — das muß ich noch einmal betonen — ſcheint mir nur dann gerechtfertigt, wenn an der Zwangslage der Betreffenden nicht zu zweifeln iſt, aber nicht dann gerechtfertigt, wenn durch das angewandte Mittel der Ausſperrung nur ihrer Sitnation ein weſentlicher Vorteil verſchafft wird. Was die Arbeitgeber gewonnen hätten, wenn ſie das getan hätten, was ich rorgeſchlagen habe? fragt der Herr Bürgermeiſter. Ja, ich muß ſagen, darauf kommt es uns nicht an, was ſie gewonnen hätten. Sie haben eventuell auch zu verlieren, um ihre Ver⸗ pflichtungen einzuhalten. Der Herr Bürgermeiſter hat dann weiter geſagt, daß am 1. Juli die Dinge doch ganz anders liegen würden als am 22. Mai. Ich habe aber leider die Erklärung vermißt, inwiefern ſie anders liegen. Vielleicht holt der Herr Bürgermeiſter das noch nach;