—— 260 — ſonſt muß ich doch der Meinung bleiben, daß die Arbeitgeber ebenſogut oder ebenſoſchlecht wie am 1. Juli auch am 22. Mai hätten weiterarbeiten können. Ob der Verſuch am 1. Juli gelingt, mag zweifelhaft ſein. Er war aber meiner Anſicht nach ebenſo angebracht ſchon vorher wie jetzt. Nun hat allerdings der Herr Kollege Hirſch, wie ſchon mein Freund Herr Dr. Frentzel betont hat, hier eine Frage hineingeworfen, die auch mir die Stellungnahme des Magiſtrats ſehr viel erklärlicher erſcheinen läßt. Herr Kollege Hirſch hat es als ganz undenkbar hingeſtellt, daß wir es dulden könnten, die Arbeitgeber eventuell ihre Verpflichtungen mit Hilfe von Streikbrechern erfüllen zu laſſen. Da muß ich ſagen, daß ich dieſen Standpunkt durchaus nicht teilen kann. Wenn wir die Herren anhalten wollen, ihre Pflicht zu erfüllen, ſo müſſen wir es ihnen überlaſſen, wie ſie das möglich machen. (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Im andern Falle würden wir uns allerdings auf den Standpunkt ſtellen, daß wir jede Forderung der Arbeiter decken, indem wir von den Unternehmern verlangen, die Arbeit zu vollbringen, ohne mit Streik⸗ brechern zu arbeiten. Das wäre eine Parteinahme für die Arbeitnehmer, die ſehr kraß wäre, weit kraſſer, als das, was der Herr Kollege Hirſch von ſeinem Standpunkt aus dem Magiſtrat jetzt vorwerfen kann. Wenn alſo die Anſicht beſteht, es unter allen Um⸗ ſtänden zu verurteilen, daß die Arbeitgeber mit ſolchen Kräften ihre Pflicht erfüllen, damm muß ich ſagen, weiß ich nicht, wie wir anders handeln ſollen als die Zwangslage anerkennen. (Sehr richtig.) Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, es iſt hier ſehr viel die Rede geweſen von den Intereſſen der Arbeitgeber, auch der Arbeitmehmer, namentlich aber von den Intereſſen der Arbeitgeber, die in ſehr eindringlicher und kräftiger Weiſe hier vertreten werden ſowohl ſeitens des Magiſtrats wie ſeitens einiger Herren Stadtverordneten; aber es iſt ſehr wenig oder gar nicht die Rede geweſen von den Intereſſen der Stadt Charlottenburg, und ich meine, wir ſind doch in allererſter Linie dazu berufen, die Intereſſen der Stadt Charlottenburg zu vertreten. Und die Intereſſen der Stadt Charlottenburg werden in der Tat ganz außerordentlich gefährdet, wenn die vertraglichen Friſten der Bauten einfach vernachläſſigt, einfach verſäumt werden, und wenn den betreffenden Herren, welche die Vertragsbedingungen übernommen haben, dieſe Bedingungen ohne weiteres nachgelaſſen werden. Der Herr Stadtbaurat ſagt, er ſei hier noch ſehr neu im Geſchäft und wiſſe nicht ſo genau, ob die Notwendigteit der Fertigſtellung der Bauten ſo dringlich ſei, wie ſie in Rirdorf geweſen iſt; in Rirdorf habe es ſich um eine Schule gehandelt, die unter allen Umſtänden fertig werden mußte, und da hätten wohl der Magiſtrat und die Stadtverordneten⸗ verſammlung die Verpflichtung, für die Fertigſtellung zu ſorgen, aber bei uns wiſſe er nicht, wie das liege. Nun bei uns handelt es ſich auch um Schulbauten, und, meine Herren, Sie werden ſich noch heute mit einer Vorlage zu beſchäftigen haben, die uns der Magiſtrat bringt, und die dahin geht, daß wir wiederum neue Schulräume mieten ſollen. Ich weiß nicht, ob dieſe Vorlage, die uns heute beſchäftigen wind, im Zuſammenhange mit den nicht fertig werdenden notwendigen Schulbauten, die bei uns allerdings ſehr notwendig ſind, ſteht. Wenn der Herr Stadtbaurat in den Geſchäften hier nicht ſo nen wäre, ſo würde er bei den Etatsberatungen vielleicht vernommen haben, daß man in der Tat in Charlottenburg mit der Fertigſtellung der Schulbauten langſamer vor⸗ gegangen iſt, als es dem Bedürfniſſe entſpricht, und die Schulnot, die wir haben, wird eine noch kraſſere, noch ſchlimmere werden, wenn man die Friſt zur Herſtellung ſolcher Schulbauten mit einer ſolchen Nonchalance verſäumen läßt, (Na, na! bei der Freien Vereinigung) weil es dem Intereſſe der Unternehmer eben nicht entſprechen würde, wenn man ſchärfer ſein würde. Ich meine, wir hätten hier durchaus die Pflicht, ganz gleichgültig, ob das Unternehmerintereſſe dar⸗ unter leidet oder nicht, das Intereſſe der Stadt, das Intereſſe Charlottenburgs voranzuſtellen, und in dieſem Intereſſe ſtrikte Innehaltung der Friſten zu verlangen. Aus der Anſchauung heraus war ja auch unſere Frage geſtellt, weil wir es als ganz ſelbſtver⸗ ſtändlich erachteten, daß der Magiſtrat dieſes not⸗ wendige Intereſſe zur Fertigſtellung der Bauten wahrnehmen und in irgend einer Weiſe mit den Unternehmern Fühlung nehmen wird, um die Friſt⸗ verſäumnis zu verhindern. Freilich iſt, wie ich ſchon ſagte, dieſer Gefichts⸗ punkt von den Herren nicht hervorgekehrt worden, ſondern es iſt da von dem Unternehmeriniereſſe und von der Notwendigkeit, in der die Unternehmer waren, geſprochen worden, und der Herr Bürger⸗ meiſter ſagte: wir als Magiftrat ſind vollkommen gedeckt durch den Spruch des Einigungsamts. Er knüpfte daran die Hoffnung, daß das Einigungsamt eine ſolche Autorität gewinnen würde, daß ſein Spruch in zukünftigen Fällen ohne weiteres ein bindender ſein müſſe. Ich mußte bei dieſer Schätzung des Einigungsamts ſehr lebhaft an eine andere Verhand⸗ lung denken, wo der Magiſtrat in einer ſehr lebhaften Weiſe für die Unternehmer deswegen eingetreten iſt, weil ſie ihren vertraglichen Beſtimmungen zuwider ſich nicht an das Einigungsamt gewandt hatten. In dem einen Falle iſt der Spruch des Einigungsamts ſehr lobenswert und das Unterwerfen unter den Spruch ſehr zu wünſchen — wenn es eben für die Unternehmer entſcheidet; in einem andern Falle, wo die Unternehmer das Einigungsamt argliſtiger⸗ weiſe umgehen, (Unruhe und Rufe: Na, nal) iſt dieſe Ausdeutung, dieſes vertragswidrige Verhalten von Unternehmern entgegen dem Einigungsamt eben⸗ falls lobenswert. Es ſcheint mir alſo hier in keiner Weiſe ein Fall erbracht, der den Magiſtrat irgendwie nötigen könnte, ja, der auch nur irgendwie dem Magiſtrat es nahe legen könnte, die Unternehmer von ihren vertraglichen Beſtimmungen zu entbinden. Freilich haben wir bei jener Gelegenheit, auf die ich ſchon hindeutete, von ſeiten des Magiſtrats einen wahren Hymnus auf die Unternehmer deswegen gehört, weil ſie eine Ausſperrung beſchloſſen haben. Es ſcheint alſo, daß in den Kreiſen des Magiſtrats ein ſolcher Ausſperrungsgedanke jederzeit auf große Sympathie ſtößt, daß alſo auch hier die Unternehmer zu der Maßregel, die ſie ergriffen haben, zu der Ausſperrung, ſehr beglückwünſcht werden. Tatſächlich lagen die Verhältniſſe ſo, daß nach Ablauf des Tarifs ohne weiteres überall von den Arbeitern gearbeitet wurde. Was gekommen wäre, ob ein Streik ge⸗ kommen wäre oder nicht, darüber ſich zu unterhalten, iſt vollkommen müfſſig, Tatſache iſt eben, daß ohne einen ſolchen Streik, ohne eine ſolche Notwendigkeit die Unternehmer eine allgemeine Ausſperrung ver⸗ hängt haben. Wenn das die Unternehmer getan