—— 262 — Ich möchte nur daran erinnern, welcher langen Kämpfe der Arbeiter es bedurft hat, um die Arbeit⸗ geber zu bewegen, überhaupt Tarifverträge abzu⸗ ſchließen. Wir werden, ſobald ſich dazu Gelegenheit bietet, demnächſt auch hier in der Stadtverordneten⸗ verſammlung wieder einmal die Wichtigkeit des Ab⸗ ſchluſſes von Tarifverträgen betonen. So oft wir das bisher hier getan haben, haben wir damit ſehr wenig Anklang gefunden. Meine Herren, wenn man die ganze Frage richtig beurteilen will, dann darf man aber eins nicht überſehen: das iſt das Streben der Unternehmer, das ſchon jahrelang geht, die Gemeindeverwaltungen, die ſtädtiſchen Behörden, die ſtaatlichen Behörden uſw. zur Anerkennung der Streikklauſel zu zwingen. Sie erinnern ſich alle, wie die Unternehmer vor Jahren an ſämtliche Gemeindeverwaltungen die Forderung gerichtet hatten, die Streikklauſel in die Verträge mit aufzunehmen. Schon damals haben die Unter⸗ nehmer verlangt, daß die Behörden ſich ohne weiteres auf dieſen Standpunkt ſtellen. Und warum taten die Unternehmer das? Einzig und allein aus dem Grunde, weil verſchiedentlich die Gerichte erllärt hatten, daß ein Streik nicht vis major iſt. Aus dieſem Grunde wollten die Unternehmer, daß die Streikklauſel in die Verträge aufgenommen wird. Der Charlottenburger Magiſtrat hat es abgelehnt, die Streilklauſel aufzunehmen, und hat ſich die Ent⸗ ſcheidung von Fall zu Fall vorbehalten. Nun, meine Herren, ich glaube, nach dem Gange der heutigen Debatte wäre es das Richtigſte, wir ändern unſere Submiſſionsbedingungen und erklären ganz offen: wir nehmen die Streikklauſel auf. Denn in der Praxis handelt der Magiſtrat ja doch genau ſo wie andere Städte, die die Skreikklauſel bereits in die Verträge mit aufgenommen haben. Vorſteher Roſenberg: Die Beſprechung iſt geſchloſſen. Es ſind zwei geſchäftsordnungsmäßig unter⸗ ſchriebene Anträge eingegangen. Der eine lautet: Unterzeichnete beantragen, daß Wählerliſten für die im kommenden Herbſt ſtattfindenden Beiſitzerwahlen für das hieſige Kaufmanns⸗ gericht vom Magiſtrat aufgeſtellt und ausgelegt werden. Charlottenburg, den 19. Juni 1907 Münch und noch mehrere Unterſchriften. Der zweite Antrag lautet: Die Unterzeichneten beantragen, den Magiſtrat zu erſuchen, den Beſchluß der Schuldeputation rückgängig zu machen, wodurch dem Charlotten⸗ burger Verein „Freie Turnerſchaft“ die Be⸗ nutzung der Turnhallen ſtädtiſcher Volksſchulen entzogen iſt. Charlottenburg, den 17. Juni 1907 „ Hirſch und mehrere Unterſchriflen. Beide Anträge kommen auf die Tagesordnung der nächſten Sitzung. Wir kommen jetzt zu Punkt 9 der Tagesordnung zurück: Bericht des Ausſchuſſes über die Vorberei⸗ tung der Wahl eines zweiten Stellvertreters des Vorſitzenden des Gewerbegerichts⸗ Druckjachen 233 und 279. Berichterſtatter Stadtv. Otto: Meine Herren, der Ausſchuß empftehlt Ihnen, als zweiten Stell⸗ Magiſtratsvorlage, der die Befähigung als vertreter des Vorſitzenden des Gewerbegerichts Herrn Gerichtsaſſeſſor Dr. Prühß zu wählen. Die Wahl kann, wenn kein Widerſpruch erfolgt, durch Zuruf vorgenommen werden. Ich bitte Sie, dem Aus⸗ ſchußantrage zuzuſtimmen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Vorſteher Roſenberg: Der Ausſchuß hat bean⸗ tragt, die Wahl des Herrn Aſſeſſors Prühß durch Akklamation ſtattfinden zu laſſen. — Es erhebt ſich hiergegen kein Widerſpruch. Herr Aſſeſſor Dr. Prühß iſt hiermit gewählt. Punkt 10 der Tagesordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Vorlagen betr. Vermehrung der Zahl der Magiſtratsmitglieder, betr. Nenſchaffung zweier Beamten⸗ ſtellen (Maniſtratsafſefſoren). — Druckſachen 245, 244 und 280. Berichterſtatter Stadtv. Otto: Der Ausſchuß hat zunächſt die Frage geprüft, ob die Notwendigkeit der Schaffung einer neuen beſoldeten Magiſtratsmit⸗ gliedsſtelle vorliege, und er hat ſich aus der Lage der Geſchäfte überzeugen müſſen, daß dieſe Not⸗ wendigkeit zu bejahen ſei. Er hat mit dieſer Prüfung die Frage der Vermehrung der Magiſtratsmitglieder überhaut erörtert und dabei den Wunſch ausgeſprochen, der von ſeiten des Magiſtrats durchaus vollſte Billigung fand, in der Vermehrung der Magiſtrats⸗ mitglieder möglichſt zurückhaltend zu ſein und eine ſolche Vermehrung nur in dringenden Fällen ein⸗ treten zu laſſen. In Verbindung damit iſt die Frage der Ver⸗ einfachung der Verwaltung im Sinne einer Ent⸗ laſtung nach unten erörtert worden, und es iſt ſeitens des Magiſtratsdirigenten die Erklärung abgegeben worden, daß dieſe Beſtrebungen zurzeit ſchon im Magiſtrat ihre vollſte Berückſichtigung fänden und auch in Zukunft vollſte Berückſichtigung finden werden. Der Ausſchuß hat dann im einzelnen feſtgeſtellt, daß die beſoldeten Magiſtratsmitglieder ausnahmslos mindeſtens genügend mit ihren Kräften angeſpannt ſind, und es iſt bei dieſer Gelegenheit, unter Zu⸗ ſtimmung des Magiſtratsdirigenten, aus dem Aus⸗ ſchuſſe dem Wunſche Ausdruck gegeben worden, die unbeſoldeten Magiſtratsmitglieder nach Möglichkeit mit ſelbſtändigen Dezernaten zu verſehen. Es iſt auch die Frage der Anſtellung von Magiſtrats⸗ aſſeſſoren in der Verwaltung überhaupt erörtert und ſeitens des Magiſtrats zugegeben worden, daß die Anſtellung von Magiſtratsaſſeſſoren nur bis zu einem gewiſſen Umfange für die Verwaltung erwünſcht ſei. Ob dieſe Grenze für Charlottenburg ſchon erreicht ſei, ſei im Augenblick noch nicht feſtzuſtellen. Beſonders gründlich hat der Ausſchuß die Frage geprüft, ob der neu zu wählende beſoldete Stadtrat ein Juriſt ſein ſoll oder nicht. Sie ſehen aus den Anträgen des Ausſchuſſes, daß der Naſſus . erichts⸗ aſſeſſor für den zu wählenden Stadtrat verlangte, geſtrichen worden iſt. Dieſe Streichung iſt im Aus⸗ ſchuſſe einmal damit begründet worden — und es wurde das in einem einzelnen Falle nachgewieſen — daß die juriſtiſch gebildeten Mitglieder des Magiſtrats mehr noch als bisher zu rein juriſtiſchen Angelegen⸗ heiten herangezogen werden könnten. Zum Zweiten aber hat der Ausſchuß durch die Streichung dieſes Paſfus der Magiſtratsvorlage einen mehr grundfätz⸗