—— 282 § 69 der Gewerbeordnung, der die Regelung des Straßenhandels der Ortspolizeibehörde im Einver⸗ ſtändnis mit den Gemeindebehörden überträgt, und ferner geſtützt auf das Vorgehen der Gemeinden Schöneberg und Rixdorf, die für ihren Bereich den Straßenhandel gänzlich verboten haben, verlangen ſie, daß auch für Charlottenburg der Straßenhandel eine andere Regelung erfährt. Auf den Inhalt der Pe⸗ titionen brauche ich wohl nicht näher einzugehen, da ſie Ihnen gedruckt vorgelegt worden find. Im Ausſchuß iſt die Sache eingehend erörtert worden. Sowohl die Vorteile als auch die Nachteile des Straßenhandels ſind beſprochen worden. Die Mehrheit des Ausſchuſſes hat ſich jedoch auf den Standpunkt des Magiſtrats geſtellt, der Ihnen über die Pelitionen zur Tagesordnung überzugehen empfiehlt. Wenn ich ſelbſt noch einige Worte hinzufügen darf, ſo beweiſt doch eigentlich die wiederholte Ein⸗ reichung der Petitionen, daß ſich die Charlottenburger Gewerbetreibenden in einer Notlage befinden, daß ſie durch den Straßenhandel in ihrem Gewerbe geſchädigt werden. Bei den eigenartigen Einkaufsverhältniſſen der Lebensmittelbranche iſt es notwendig und üblich, daß die Charlottenburger Händler ihren Bedarf früh⸗ morgens in der Zentralmarkthalle decken, dort die Qualitätsware wegkaufen und den Reſt, den Ramſch, den Straßenhändlern überlaſſen, die ihn aufkaufen, auf die Straße werfen und unter allerhand hoch⸗ tönenden Namen dem Publikum anbieten. Der Käufer glaubt, gute Ware zu kaufen, und ſieht nachher ſehr oft, daß er betrogen worden iſt. Meiſtenteils entziehen ſich dieſe Händler auch einer Kontrolle des Publikums, da ſie gar keinen ſtändigen Verkaufsplatz haben, ſondern heute hier und morgen da ſtehen, ſodaß der Käufer, wenn er den Händler kontrollieren will und ihn an der Stelle wieder aufſucht, wo er gekaukt hat, nachher einen anderen Händler auf der Straße findet, der ihm die Ware nicht verkauft hat. Die Straßen⸗ händler ſcheuen ſich auch nicht, auch andere Mani⸗ pulationen zu treffen, z. B. mit den Gewichten und Wagen, was aber faſt niemals vom Publikum kontrolliert werden kann. Daß die Straßenhändler ſehr gute Geſchäfte machen, beweiſt auch der Umſtand — und das iſt im Ausſchuß auch zur Sprache f gekommen —, daß ſie Strafen, und zwar ſehr hohe Strafen, mit Leichtigkeit bezahlen, wenn ſie wegen irgendeiner Übertretung zur Anzeige kommen. Da nun der § 69 der Gewerbeordnung den Gemeindebehörden die Regelung des Straßenhandels überläßt, ſo wäre es vielleicht wünſchenswert, daß die Stadt Charlottenburg ihm gegenüber einen anderen Standpunkt einnähme, umſomehr, als nach dem Verbot in Rirdorf und Schöneberg ein ſehr großer Teil des Straßenhandels ſich Charlottenburg als Abſatzgebiet gewählt hat und hier ſeine Exiſtenz zu finden ſucht. Es iſt im Ausſchuß ja allerdings auch zur Sprache getommen, daß der Straßenhandel viele Vorteile für das Publikum bietet, indem er ihm Gelegenheit gibt, Waren zu kaufen, die es ſonſt ſchließlich nicht kaufen würde, und auch Waren, wenn zu viel am Markte eingetroffen ſind, zu einem ganz annehmbaren Preiſe zu kaufen. Aber ich glaube, dieſer Notſchrei der Petenten wird uns doch wohl veranlaſſen müſſen, den beiden Petitionen gegenüber eine andere Stellung einzunehmen, als ſie Ihnen von der Mehrheit des Ausſchuſſes empfohlen wird. Stadtv. Braune: Meine Herren, angeſichts der Tatſache, daß durch die überhandnehmende Konkurrenz der in der Mehrzahl auswärtigen Straßenhändler unſere Charlottenburger Detailkaufleute wie auch Obſt⸗ und Gemüſehändler auf das empfindlichſte in ihrer Exiſtenz geſchädigt, in ihrem Einkommen gekürzt werden, und da durch dieſe Konkurrenz auswärtiger Händler die Allgemeinheit der Bevölkerung einen nennenswerten Vorteil deshalb nicht hat, weil dem Publikum für die billigeren Preiſe auch entſprechend geringwertigere Ware verabfolgt wird, und weil es doch auch Pflicht der Stadtvertretung iſt, ſich der bedürf⸗ tigen Kaufleute und Händler anzunehmen, die nicht allein durch dieſen Straßenhandel geſchädigt werden, ſondern auch durch die großen Warenhäuſer, von denen viele Kolonialwaren und Obſt gewiſſermaßen als Lockſpeiſe zeitweiſe zu Schlenderpreiſen hinaus⸗ werfen, um bei den nicht kontrollierbaren teureren Waren den Rutzen oft haushoch vom Publikum zu nehmen, ſo bitte ich, den Antrag des Ausſchuſſes nicht anzunehmen. Meine Herren, ich bin der Meinung, daß das, was in Schöneberg und in Rirdorf möglich iſt, bei uns auch zur Durchführung gelangen muß: Abſchaffung des Straßenhandels. Der Standpunkt des Ausſchuffes war übrigens nicht ſo, wie er hier auf dem Papiere ſcheint. Es iſt allerdings eine Mehrheit für den Ubergang zur Tagesordnung eingetreten; 2 von 5 von den Mit⸗ aliedern ſind aber gegen den Übergang zur Tages⸗ ordnung und für einen anderen Modus eingetreten, ſie wurden aber mit einer Stimme Mehrheit über⸗ ſtimmt. Es waren ſachverſtändige Kollegen, die Herren Protze und Klick, die wohl ein Herz für die Petenten gezeigt haben und ſich ſagten, daß wir für die hieſigen Gewerbetreibenden in dieſem Falle eintreten müſſen. Ich empfehle zunächſt, dieſe beiden Petitionen I und 11 nicht durch Uoergang zur Tagesordnung zu erledigen, ſondern ſie dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen, und beantrage dies. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, es iſt mir ja natürlich ſehr ſchwer, gegen die beiden Herren Vorredner, denen auf dem Gebiete des Detailhandels eine ganz außergewöhnliche Sach⸗ kunde zur Seite ſteht, zu ſprechen, und ich will ſelbſtverſtändlich dem letzten Herrn Redner, der für ich und die Herren, welche im Ausſchuß zur Minorität gehörten, eine ganz beſondere Fachkenntnis in Anſpruch genommen hat, inſoweit nicht wider⸗ ſprechen. Nichtsdeſtoweniger glaube ich doch, mich zunächſt auf das Votum des Ausſchuſſes zurück⸗ ziehen zu können, und es mag mir geſtattet werden, dieſes Votum in Ergänzung der Ausführungen des Herrn Referenten noch meinerſeits etwas zu beleuchten. Meine Herren, es iſt ja zweifellos, daß über den Straßenhandel ſeit Jahren, ja ſeit Jahrzehnten auch in unſerer Stadt das Für und Wider auf⸗ und abwogt, und es haben ſich in anderen Städten ſogar Mehrheiten gefunden, die ſich auf die Seite des Wider in der Frage geſtellt haben. In dieſer Verſammlung hat man bisher trotz aller Agitation dieſe Seite noch niemals betreten, und ich möchte die Verſammlung auch heute bitten, es bei der Stellungnahme, die hier bisher ſtets dem Straßen⸗ handel gegenüber eingenommen worden iſt, zu belaſſen. Ich möchte mitteilen, daß der Magiſtrat bereits über die beiden Petitionen zur Tagesordnung übergegangen iſt und den Petenten einen entſprechen⸗ den Beſcheid erteilt hat. Ich möchte daher zweifeln, ob der Magiſtrat für den Fall, daß die Verſamm⸗ lung im Sinne des Herrn Stadtv. Braune be⸗ ſchließen ſollte, ſich ſeinerſeits entſchließen ſollte, ſeinen Standpunkt zu ändern.