— 284 — Stadtv. Klick: Meine Herren, zuzugeben iſt, daß ja gewiß in den Verkaufsläden auch Mängel herrſchen, auch nicht alle Straßenhändler in einen Topf zu werfen ſind, daß es unter 500 auch reelle Händler gibt. Ich ſtehe auf noch radikalerem Stand⸗ punkte, daß nämlich der Zwiſchenhandel, da er die Ware erheblich verteuert, vollſtändig ausgeſchaltet werden müßte und der Konſument direkt vom Produzenten kaufen ſollte. Aber da wir uns noch nicht in dieſem Stadium der wirtſchaftlichen Ent⸗ wicklung befinden, ſo wäre es wenigſtens wünſchens⸗ wert, wenn wir den Charlottenburger Gewerbe⸗ treibenden etwas entgegenkämen. Stadtv. Braune: Meine Herren, der Herr Bürgermeiſter, der eine Lanze für die Straßenhändler eingelegt hat, dürfte mit ſeiner Behauptung doch etwas zu weit gegangen ſein, daß von UÜberſchrri⸗ tungen in größerem Maße bei dieſen Leuten keine Rede ſein könne. Geſtern noch erzählte mir ein Polizeibeamter, den ich über etwas anderes zu be⸗ fragen hatte, daß die Polizei wohl ein wachſames Auge auf diefe Leute habe, aber doch nicht immer ver⸗ hindern könne, daß ſie vielfach unberechtigt an einer Stelle halten trotz hoher Strafen; kommt Polizei, ſo fahren ſie dann etwas weiter die Straße herunter, um dann wieder auf den alten Platz zurückzukehren, wenn keine Polizei mehr da iſt, auch wenn Käufer nicht vorhanden find. (Stadtv. Hirſch: Und darum ſollen ſie ausgemerzt werden!) Ich meine, es geht doch aus den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters hervor, der ſonſt ein warmes Herz für die Bedürftigen hat, die in dieſem Falle Charlottenburger Gewerbetreibende ſind, derer wir uns annehmen müſſen, daß das kleine Mehr, das augenblicklich an die Geſchäftsinhaber gezahlt wird, bald aufgewogen würde durch die billigeren Preiſe, die den Geſchäftsleuten nach Aufhevung des Straßen⸗ handels beim Einkauf in den Markthallen geſtellt würden, während die Engroshändler in den Markt⸗ hallen heute auf hohe Preiſe bei dem Detailhändler halten, weil ſie wiſſen, die Ramſcher kommen nach⸗ her und nehmen doch alles weg, was übrig bleibt. Wenn dieſe Ramſcher nicht mehr in der Engrosmarkthalle erſcheinen, werden ſich die Engroshändler dazu ver⸗ ſtehen müſſen, auch dem Detailhändler billigere Preiſe als jetzt zu machen. Dadurch werden in den hieſigen Geſchäften auch billigere Preiſe gemacht werden können, und der ſcheinbare Vorteil, den jetzt die Straßenhändler bieten, wird reichlich ausgeglichen. Je eher wir den Straßenhandel beſeitigen, deſto eher wird dem Publikum anderweitig Gelegenheit geboten, zu denſelben billigen Preiſen die Ware in den hieſigen Geſchäften zu erhalten, wo die Auftewahrung auch eine ſauberere iſt. Ich bitte, meinem Antrage zuzuſtimmen, der dahin geht, die Petitionen I und II1 dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung lehnt den Antrag des Stadtv. Braune, die Petitionen I1 und I1I1 dem Magiſtrat zur Berück⸗ ſichtigung zu überweiſen, ab und geht nach dem Antrage des Ausſchuſſes über beide Petitionen zur Tagesordnung über.) Vorſteher Roſenberg: III. Petition des Profefſors Dr. Hentig, Berlin, Bergmannſtraße 5, betr. Rül⸗ zahlung von Umſatzſteuer. Berichterſtatter Stadtv. Klick: Der Petent, Herr Profeſſor Hentig, bittet um die Rückzahlung von 800 Umſatzſteuern. Er kaufte im Jahre 1897 ein Grundſtück auf Weſtend, das er im Jahre 1900 ohne Verdienſt wieder verkaufte. Bei einer Reparatur im Jahre 1904 ſtellte ſich heraus, daß die unterſte Balkenlage morſch war. Die Unterſuchung ergab, daß das Haus mit Schwamm behaftet war. Infolgedeſſen ſtrengte der Käufer gegen den Petenten einen Prozeß an, wurde aber in erſter Inſtanz abgewieſen; hiergegen legte er Berufung ein, und der Entſcheid der zweiten Inſtanz wurde von einem Eide abhändig gemacht, der dahin ging, daß der Kläger beſchwören ſollte, daß ihm bei IUIbernahme des Hauſes von einem Vor⸗ handenſein von Schwamm nichts geſagt worden wäre. Der Profeſſor Hentig zog es vor, außergerichtlich einen Vergleich zu ſchließen, ehe es zu dieſem Termin kam; er übernahm alle dem Käufer während der Zwiſchenzeit entſtandenen Koſten. Unter anderem mußte er die Umſatzſteuer wieder zurückzahlen, die der Käufer im Jahre 1900 bezahlt hatte. Er hat jetzt nach der Rückauflaſſung auch wieder 800 ℳ— Umſatzſteuer an die Stadt Charlottenburg zahlen müſſen; der Staat hat von der Erhebung des Stempel⸗ ſteuerbetrages abgeſehen. Es mag ja in unſerer Um⸗ ſatzſteuerordnung eine Lücke vorhanden ſein, um einen Erlaß für ſolche Fälle zu rechtfertigen; auf Grund der Umſatzſteuerordnung iſt der Ausſchuß ebenſalls zu der Überzeugung gekommen, daß er ſich, um keinen Präzedenzfall zu ſchaffen, dem Magiſtrats vorſchlage anſchließen müſſe, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Er empfiehlt Ihnen, dieſem Vorſchlage zuzuſtimmen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung geht nach dem Antrage des Ausſchuſſes über die Petition 111 zur Tagesordnung über.) Vorſteher Roſenberg: IV. Petition des Bundes für Mutterſchutz, Berlin W., Rosberitzer Straße 8, betr. weiteren Ausbau der Einrichtungen für Mutter ſchutz. 9 Berichterſtatter Stadtv. Dr. Penzig: Meine Herren, der Verein für Mutterſchutz, der Ihnen wohl allen bekannt iſt, beantragt eine Erweiterung der ſtädtiſchen Einrichtungen für Mutterſchutz. Eine Jerer Petition iſt dem Magiſtrat zugegangen. Der erein wünſcht, daß vor allen Dingen unter Zu⸗ ziehung von Frauen eine Kommiſſion eingeſetzt werden ſolle, welche erwägt, wie die beſtehenden ſtädtiſchen Einrichtungen für Mutterſchutz weiter ausgebaut werden können, und welche Einrichtungen neu zu ſchaffen wären. Wir ſind dieſem Antrage gegenüber in der glücklichen Lage eines guten Gewiſſens. Es iſt Ihnen allen bekannt, daß bei uns die Einrich⸗ tungen für Säuglingsfürſorge, für Mutterſchutz, für ſtillende Mütter und dergleichen mindeſtens ſo gut ſind wie in Berlin, wahrſcheinlich etwas beſſer, und daß wir unausgeſetzt daran arbeiten, dieſe Ein⸗ richtungen auch noch weiter zu vervollkommnen. Es liegt alſo kein Grund für uns vor, uns von außen noch ſtoßen zu laſſen, und nur aus dieſem Grunde,