—— 290 —— dafür, daß wir davon Gebrauch machen und die Wählerliſten einmal aufſtellen. Wenn vom Magiſtrat geſagt wird, das Material läge nicht vor, ja dann muß es eben beſchafft werden. Jetzt wird von dem Kaufmann, von einem Privat⸗ mann, verlangt, daß er die Namen zu einer richtigen Wählerliſte aufſtellen ſoll. Wenn das eine Behörde nicht kann, ſo kann es ein Privatmann erſt recht nicht. Ich meine, der Magiſtrat kann das Material ſehr leicht beſchaffen, indem er Frageliſten an die⸗ jenigen Kaufleute herumſchickt, die in der Steuerliſte verzeichnet find, um zu erfahren, wieviel Angeſtellte ſie haben, die ſich als Wähler qualifizieren. Dann bekommt der Magiſtrat das Material in die Hände, und die Aufſtellung von einigen Tauſend Namen kann dem Magiſtrat doch nicht ſchwer fallen. Ich weiß nicht, warum der Magiſtrat ſich ſträubt, trotz⸗ dem das Geſetz einen ganz andern Modus vorſchreibt, als er bei der erſten Wahl beobachtet worden iſt. Wenn die Wahl das erſte Mal ſchlecht beſucht war, ſo liegt das daran, daß das Geſetz neu war und abſolut keine Vorbereitungen ſtattgefunden hatten. Wenn Wählerliſten vorhanden ſind, werden die Kaufleute in ganz anderer Weiſe auf die Wahl hingewieſen. Sie bekommen Intereſſe dafür. Auch der Magiſtrat hat wohl ein großes Intereſſe daran, die Kaufleute zur Wahl heranzuholen. Im Kauf⸗ mannsgericht ſollen alle Branchen vertreten ſein; wenn nur eine Branche eine Wahlliſte zuſammenſtellt, kann eine Objeltivität ſchwerlich gewahrt werden; denn gerade die Richter im Kaufmannsgericht müſſen darauf ſehen, daß alle Branchen unter den Bei⸗ ſitzern vertreten ſind. Ich vitte, dem Antrage zuzuſtimmen. Stadtrat Boll: Herr Stadtv. Münch hat ſich zunächſt geirrt; im § 13 des Kaufmannsgerichts ſteht nur: Zur Teilnahme an der Wahl iſt berechtigt, wer das 25. Lebensjahr vollendet hat und in dem Bezirke des Kaufmannsgerichts ſeine Handlungs⸗ niederlaſſung hat oder beſchäftigt iſt. Alſo das iſt die Hauptſache: er muß beſchäftigt ſein. Aber nicht zwei Jahre; das iſt wohl für die Beiſitzer des Gewerbegerichts, des Kaufmannsgerichts vor⸗ geſehen, aber nicht für die Wähler ſelbſt; es kommt allein darauf an, daß der Wähler hier beſchäftigt iſt. Wenn Sie jetzt eine Liſte aufſtellen und dem Vor⸗ ſchlage des Herrn Stadtv. Münch folgen wollen, ja, meine Herren, bei dem ſteten Wechſel der Kaufleute und der Gehilfen zwiſchen Berlin und den Vororten iſt dieſe Liſte im Umſehen wieder veraltet; dann fönnen viele Wähler nicht wählen, weil ſie eben nicht in der Liſte ſtehen. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß durch das liſtenfreie Syſtem zum Wählen mehr angereizt wird. Im übrigen irrt ſich Herr Stadtv. Münch, wenn er ſagt: es ſind nicht ſämtliche Gruppen am Kaufmannsgericht beteiligt. Es find ſämtliche kauf⸗ männiſche Vereine für die Gehilfen zuſammen⸗ gegangen. Sie haben ſich zuſammengetan und eine gemeinſchaftliche Liſte aufgeſtellt; die Kaufleute für die verſchiedenen Betriebe haben verſchiedene Liſten eingereicht. Das iſt alles der Fall geweſen. Je freier wir die Wahl ſtellen, ein deſto beſſeres Reſultat werden wir erzielen. Ich habe Ihnen ja die Zahlen angegeben, daß, wo Wahlliſten waren, das Ergebnis jammervoll war. Welchen Zweck haben die Wahlliſten? Ihr Zweck iſt doch, daß die g Kaufleute ihre Geſinnungsgenoſſen kennen lernen. Das können ſie doch aber wie andere Sterbliche auch, indem die Verſammlungen einberufen und die Geſinnungsgenoſſen einfach auffordern, ſich an den Vorbereitungen der Wahl zu beteiligen. Alſo wozu ſollen wir ihnen mit Wahlliſten kommen, die fich bei den Kaufmannsgerichts⸗ und Gewerbegerichts⸗ wahlen durchaus nicht bewährt haben? Das be⸗ weiſen eben die Berichte aus den andern Städten. Ich bitte Sie, von dem Antrage abzuſehen. Stadtv. Bollmann: Meine Herren, ich möchte den Antrag des Herrn Kollegen Münch aufs wärmſte unterſtützen. Die Statiſtik, die Herr Stadtrat Boll uns aufgemacht hat, beweiſt doch gar nichts für Charlottenburg, und Kollege Münch hat ſchon mit Recht geſagt: die Kaufmannsgerichte exiſtieren erſt zu kurze Zeit, um jetzt ſchon ein ab⸗ ſchließendes Urteil über die Wahlbeteiligung fällen zu können. Es kommt hinzu, daß die Aufſtellung der Wählerliſten von den Kaufleuten ſelbſt gewünſcht wird; ſie haben ein großes Intereſſe daran. Ich habe neulich Gelegenheit geyabt, mit dem Vorſitzenden des hieſigen Kaufmänniſchen Vereins zu ſprechen; er hat mich ausdrücklich gebeten, den Antrag hier zu befürworten. Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn Kollegen Münch anzunehmen. Stadtv. Sellin: Meine Herren, ich möchte Ihnen empfehlen, dem Antrage nicht zuzuſtimmen. Ich will betonen, daß ich nur für meine Perſon ſpreche. Im allgemeinen freue ich mich, daß gerade der Magiſtratsvertreter bezüglich dieſer Wahl zum Gewerbegericht und zum Kaufmannsgericht eine freie Idee hat und ein freies Wahlrecht befürwortet. Der Herr Magiſtratsvertreter hat ganz recht, daß es doch in der Hauptſache darauf ankommt, daß jeder agitiert und ſeine Freunde zur Wahl heranzieht. Meine Herren, die Prüfung der Wahlberechti⸗ gung kann der Wahlvorſtand wohl ausführen. Sie erreichen durch die Aufſtellung der Wahlliſte nur genau dasfelbe wie bei dem jetzigen Verfahreu, ja ſie verhindern durch die Aufſtellung der Wählerliſte piele an der Wahl, die es verabſäumen, ſich in die Wählerliſte einzutragen und am Tage der Wahl erſt aufmerkſam werden: heute iſt Wahl; denen nehmen ſie das Wahlrecht. (Sehr richtig!) Ich kann den Standpunkt des Magiſtrats nur billigen, daß er ſich gegen die Wählerliſte ſträubt. Bei dem großen Wechſel der Kaufleute zwiſchen Berlin und den Vororten ſind Wählerliſten unzweck⸗ mäßig, weil nur diefenigen wahlberechtigt ſind, die am Orte wohnen oder ihre Arbeitsſtätte haben. An dem Tage, an dem die Wahlliſte aufgeſtellt wird, arbeitet jemand hier, und an dem Tage der Wahl arbeitet er nicht mehr in Charlottenburg, und ich bezweifle, ob er dann berechtigt iſt, zu wählen. (Stadtrat Boll: Nein!) Er iſt alſo nicht berechtigt. Dann könnten wir alſo eine Wählerliſte aufgeſtellt haben, die ſehr groß iſt, und an dem Tage der Wahl find nur ſehr wenig davon wirklich Wähler. Aus dieſem Grunde, und weil in unſerm Ortsſtatute ſteht: es kann gemacht werden — gewiß iſt bei der Aufſtellung des Orts⸗ ſtatuts geſagt worden: es kann gemacht werden, wenn man nämlich die Erfahrung macht, daß es praktiſcher iſt, Wählerliſten aufzuſtellen, und es iſt ut, daß das in das Ortsſtatut hineingeſetzt iſt: aber die praktiſche Erfahrung hat nach meinem Dafür⸗