halten gezeigt, daß es eigentlich nur ein ſchwer⸗ fälliger Ballaſt iſt, wenn wir die Wählerliſten ein⸗ führen, — aus dieſem Grunde möchte ich bitten, den Antrag abzulehnen. Ich möchte Herrn Kollegen Münch doch zu beachten geben, daß er dadurch vielen das Wahlrecht nimmt, wenn er Wählerliſten aufſtellt. Stadtrat Boll: Nur noch ein Wort! Herr Stadtv. Münch ſagte vorhin etwas von „ungeſetzlich“. Daß wir natürlich nicht ungeſetzlich operieren, verſteht ſich von ſelbſt. Das Ortsſtatut iſt vor drei Jahren beſchloſſen worden. Das Geſetz, in dem ſich gar nichts darüber findet, iſt durch Ortsſtatut ergänzt worden. Von einem ungeſetzlichen Verfahren kann gar keine Rede ſein. Ebenſo hatte ich mir erlaubt darauf hinzuweiſen, daß in den ſehr kleinen Bezirken, in denen der einzelne perſönlich die Wähler kennt, die Wahl⸗ vorſteher die Legitimation, die jeder Wähler vorlegen muß, ſehr leicht prüfen können. Es iſt eben ganz richtig geſagt worden: wenn Sie die Beteiligung an der Wahl noch weiter beſchränken wollen, als ſie das erſte Mal geweſen iſt, dann brauchen Sie bloß Liſten aufzuſtellen; denn diejenigen, die in der Liſte ſtehen und am Tage der Wahl nicht mehr in Charlottenburg wohnen, ſind nicht wahlberechtigt; dieſen Teil der Wähler, die in der Liſte ſtehen, würden Sie alſo beſeitigen. (Sehr richtig!) Stadtverordneter Dr. Frentzel: Meine Herren es iſt ja unzweifelhaft richtig, daß es ſehr ſchwer iſt, die Wahlberechtigung von Leuten feſtzuſtellen, die dieſe ſofort verlieren, wenn ſie ihre Beſchäftigung in einem andern Orte als Charlottenburg ſuchen, wo Verhältniſſe wie bei uns vorliegen, wo Charlottenburg, Berlin, Schöneberg uſw. ſo eng aneinander grenzen und auch die kaufmänniſche Tätigkeit in ihnen ſo ineinander greift. Aber dieſer Ubelſtand wird doch auch dadurch nicht weggeſchafft, daß man überhaupt keine Wählerliſten aufſtellt; der Übelſtand bleibt in dem einen oder in dem andern Falle der gleiche. Nun habe ich ein Bedenken. Herr Stadtrat Boll hat uns die Wahl ſo geſchildert, als ob es dabei ſehr patriarchaliſch zugeht: es ſind ſehr kleine Wahlbezirke, alles kennt ſich, liebt ſich (Heiterkeit) und weiß ganz genau, ob jemand wahlberechtigt iſt oder nicht. Das mag gehen, ſolange die Wahl⸗ beteiligung nur ſchwach iſt. Die Wahlbeteiligung iſt nicht deswegen ſo ſchwach, weil keine Liſten ſind, und wird nicht umgekehrt noch ſchwächer werden, wenn Liſten ſind — das glaube ich Ihnen nicht, Herr Stadtrat —, ſondern die Wahlbeteiligung iſt deshalb ſo ſchwach, weil die Inſtitution ſo neu iſt, und weil, ſoweit ich unterrichtet bin, die Wahl bisher in Charlottenburg nicht zur Agitationsſache irgend einer Partei gemacht iſt. Soviel ich weiß, iſt in Berlin, wo verſchiedene Parteien ſich gegenüber ſtehen und auch ſehr lebhaft agitiert worden iſt, die Beteiligung an der Wahl zum Kaufmannsgericht ſehr groß, und ich hoffe, daß ſie auch in Charlotttenburg ſpäter größer ſein wird. Was wird dann aber geſchehen? Dann werden die patriarchaliſchen Zuſtände ein elendes Fiasko erleiden; dann wird man nicht mehr wiſſen, wer wahlberechtigt iſt; es werden viele wählen, die nicht berechtigt ſind, und viele, die berechtigt ſind, zurückgewieſen werden, und es wird einen Haufen von Wahlproteſten regnen. 2984 — Nun wird Herr Stadtrat Boll ſagen: das wird wahrſcheinlich auch paſſieren, wenn Liſten vorhanden ſind. Bis zu einem gewiſſen Grade gebe ich ihm recht; da die Qualifikation als Wähler an ſo ſchwankende, d. h. an von heute zu morgen ſchwankende Bedingungen geknüpft iſt, ſo iſt dieſe Wahl ein ganz anders Ding wie die Stadt⸗ verordnetenwahl, die Landtagswahl, die Reichstags⸗ wahl, wo die Wahlbedingung an eine gewiſſe Seßhaftigteit geknüpft iſt. Das können wir einmal nicht aus der Welt ſchaffen, und damit müſſen wir rechnen. Aber ich ſehe nicht ein, weshalb man das, was man als feſte ſichere Grundlage ſchaffen kann — und das ſind eben die offiziellen Liſten —, nicht ſchaffen ſoll. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung ſtimmt dem Antrage der Stadtv. Münch und Genoſſen zu.) Vorſteher Roſenberg: Punkt 11 der Tagesordnung: Antrag der Stadtv. Hirſch und Genoſſen betr. Benutzung der Turnhallen durch den Verein „Freie Turnerſchaft.“ — Druckſache 311. Der Antrag lautet: Die Unterzeichneten beantragen, den Ma⸗ giſtrat zu erſuchen, den Beſchluß der Schul⸗ deputation rückgängig zu machen, wodurch dem Charlottenburger Verein „Freie Turnerſchaft“ die Benutzung der Turnhallen ſtädtiſcher Volks⸗ ſchulen entzogen iſt. Antragſteller Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, der Gegenſtand dieſes Antrages hat uns ſchon vor Wochen einmal bei Gelegenheit der Anfrage be⸗ ſchäftigt, die wir an den Magiſtrat richteten, aus welchen Gründen die Benutzung der Turnhallen der ſtädtiſchen Volksſchulen dem Verein „Freie Turner⸗ ſchaft“ entzogen iſt. Damals erteilte der Magiſtrat uns die Antwort, daß der Grund der geweſen ſei, daß bei einem im Volkshauſe am 6. Oktober 1906 von dieſem Verein abgehaltenen Feſte ein Lied ge⸗ ſungen worden ſei, welches, wie der Magiſtratsvertreter ſich wörtlich ausdrückte, „von antimilitariſtiſchen und ſozialdemokratiſchen Tendenzen ſtrotzte“, und daß, wenn dieſes Lied auch nicht ernſthaft zu nehmen ſei, doch daraus auf den Geiſt zu ſchließen ſei, der in dieſem Verein herrſche. Mit dürren Worten heißt das alſo, daß ein Verein, in welchem antimilita⸗ riſtiſche und ſozialdemokratiſche Tendenzen vorhanden ſind oder gepflegt werden, ſtädtiſche Einrichtungen in keiner Weiſe zur Verfügung oder zur Benutzung be⸗ kommen ſoll. Meine Herren, ich gehe auf den Inhalt dieſes Liedes abſichtlich nicht ein. Das Lied iſt ja damals von dem Herrn Vertreter des Magiſtrats hier vor⸗ gelegt worden, es hat kurſiert, und ſoweit ich ge⸗ ſehen habe, iſt es nach dem übereinſtimmenden Zeug⸗ nis aller derer, die von dem Liede Kenntnis nahmen, ein verhältnismäßig harmloſes Lied geweſen. (Na, nal und Widerſpruch.) — Nun, dann täuſche ich mich. (Heiterkeit.) Am 5. Juni kam mir allerdings von ſeiten der⸗ jenigen Herren, die es geleſen hatten, nur zu Ohren, daß es durchaus harmlos ſei, daß an dem Liede als ſolchem nichts gefunden werden könne. Aber wenn einige Herren „Na, na!“ rufen, ſo bekunden ſie ja