damit, daß ſie in der Tat ſo gefährliche Tendenzen in dem Liede gefunden haben. 211%. Aber meine Herren, ich ſagte ſchon: ich gehe auf den Inhalt nicht ein. Denn mag der Inhalt dieſes Liedes noch ſo antimilitariſche und ſozialdemokratiſche Tendenzen zeigen, ſo kann nach memer Auffaſſung und, wie ich aus der Diskuſſion, die am 5. Juni hier ſtattgefunden hat, entnehmen zu können glaube, auch nach der Auffaſſung der Mehrheit dieſer Verſammlung daraus kein Grund dafür hergeleitet werden, daß ein ſolcher Verein ſtädtiſche Einrichtungen nicht benutzen darf. Meine Herren, das iſt doch notoriſch, daß ein Verein, welcher vorwiegend aus Arbeitern beſteht, vorwiegend auch aus Sozialdemokraten beſteht. Um das zu wiſſen, brauchte der Magiſtrat nicht irgendeine Be⸗ tätigung auf irgendeinem Feſte abzuwarten. Das wird doch wohl auch der Magiſtrat von Charlotten⸗ burg wiſſen, daß wir bei uns in Deutſchland und auch bei uns in Charlottenburg eine ziemlich ſtarke fozialdemokratiſche Arbeiterbewegung haben, und daß ein vorwiegend aus Arbeitern beſtehender Verein eben vorwiegend aus Sozialdemokraten beſteht, und daß ſolche Leute gegebenenfalls an Feſten, die ſie feiern, eben aus ihrem Herzen auch keine Mörder⸗ grube machen. Wenn der Magiſtrat nun ſagt: wegen der Be⸗ tätigung einer ſolchen antimilitariſtiſchen und ſozial⸗ demokratiſchen Tendenz bei einem im Volkshauſe gefeierten Feſte könne der Verein die ſtädtiſchen Einrichtungen nicht benutzen, ſo ſagt er eben damit, daß Sozialdemokraten ſtädtiſche Einrichtungen nicht benutzen dürfen, daß Sozialdemokraten die Benutzung ſtädtiſcher Einrichtungen vom Magiſtrat, von der Schuldeputation mit Recht entzogen und erſchwert werden müſſe. Das iſt eine Auffaſſung, meine Herren, gegen die wir uns ganz entſchieden wenden müſſen, und gegen die, wie ich hoffe, auch die Mehr⸗ heit dieſer Verſammlung ſich mit großer Entſchieden⸗ heit wenden wird. Dieſe Auffaſſung wird aber eben dadurch in entſchiedener Weiſe desavouiert, daß die Berſammlung den Magiſtrat erſucht, den Beſchluß der Schuldeputation rückgängig zu machen. Deshalb hoffen wir, daß die Mehrheit dieſer Verſammlung unſerem Antrage zuſtimmen wird. Nun, meine Herren, noch ein Wort! In der Antwort des Magiſtrats war ferner geſagt, daß der h Schuldeputation es „amtlich mitgeteilt“ worden iſt, daß der Verein „Freie Turnerſchaft“ im Oktober vorigen Jahres ein Feſt gefeiert habe, und daß dort dieſes Lied geſungen worden ſei. Nun möchte ich nicht annehmen — und ich glaube, auch niemand in dieſem Hauſe wird annehmen —, daß die Schul⸗ deputation in irgendeiner Weiſe den Verein zu be⸗ ſpitzeln geſucht hat und in irgendeiner Weiſe dafür geſorgt hat, daß ihr durch Beobachtung der Schritte dieſes Vereins Mitteilung davon gemacht wird, was der Verein „Freie Turnerſchaft“ außerhalb der Zeit, in welcher ſeine Turnabteilungen die Turnhalle be⸗ nutzen, treibt und ſagt und denkt, was ſpeziell die einzelnen Mitglieder dieſes Vereins tun und denken. Wenn alſo hier geſagt wird, daß der Schuldeputation dieſe Tatſache „amtlich mitgeteilt“ worden iſt, ſo wird man in der Vermutung wohl nicht fehlgehen, daß dieſe Mitteilung nicht ſeitens einer ſtädtiſchen Behörde erfolgt iſt, ſondern daß ſie ſeitens der Regierung erfolgt iſt. Ich hoffe ja auch heute noch, daß innerhalb der ſtädtiſchen Verwaltung von Charlottenburg die Anſchauung keine Mehrheit findet, weder auf ſeiten des Magiſtrats noch auf ſeiten der Stadtverordnetenverſammlung, daß Vereine, 202 deren Mitglieder einer beſtimmten Partei angehören, dadurch ohne weiteres im Genuß ihrer ſtaatsbürger⸗ lichen Rechte beſchränkt werden ſollen. Aber, meine Herren, wir wiſſen — oder ich glaube wenigſtens zu wiſſen —, daß innerhalb der Staatsregierung, ſpeziell innerhalb derjenigen Behörde, die als oberſte Behörde über der Schuldeputation ſteht, innerhalb des Kultusminiſteriums in der Tat dieſe Auffaſſung Geltung hat, und wenn auch Kultusminiſter v. Studt nicht mehr auf ſeinem Seſſel ſitzt, ſo liegt doch die Vermutung außerordentlich nahe, daß auch der neue Kultusminiſter Herr Holle Sozialdemokraten in der⸗ ſelben Weiſe für minderen Rechts halten will und für minderen Rechts erklären will, als es ſein Amts⸗ vorgänger getan hat. Es liegt alſo die Vermutung außerordentlich nahe, daß dieſe amtliche Mitteilung an die Schuldeputation ſeitens der Königlichen Regierung ergangen iſt, und die Schuldeputation hat dann geglaubt, dieſe Mitteilung als einen Wink mit dem Zaunpfahl auffaſſen zu müſſen. In der Antwort des Magiſtratsvertreters, die uns am 5. Juni erteilt wurde, heißt es ausdrücklich: Die Schuldeputation hat auch im Sinne der Aufſichtsinſtanzen, die ſich ja ein Aufſichts⸗ recht über die Vergebung der ſtädtiſchen Schul⸗ räume vorbehalten haben, zu handeln geglaubt, wenn ſie dieſem Vereine die Genehmigung zur Benutzung der Turnhalle nicht wieder erteilte. Nach dieſem ganzen Zuſammenhang läßt ſich alſo der Argwohn gar nicht abweiſen, daß hier über⸗ haupt nicht ein von der Schuldeputation aus freiem Ermeſſen heraus unternommener Schritt vorliegt, ſondern daß die Schuldeputation geglaubt hat, einem Eingreifen der Aufſichtsbehörde dadurch zuvorzu⸗ kommen, daß ſie ſelbſt im Sinne der Aufſichtsbehörde, den ſie aus dieſer amtlichen Mitteilung zu erkennen geglaubt hat, bereits gehandelt hat. Gewiß iſt das außerordentlich vorſichtig, wenn man ein Eingreifen der Aufſichtsbehörde, das man für unrecht hält, ver⸗ meiden will. Und, meine Herren, ich gebe mich keiner Täuſchung hin, daß, wenn die Dinge ſo ſich ver⸗ halten, dann in der Tat die Schulaufſichtsbehörde — es heißt hier: „die ſich ja ein Aufſichtsrecht über die Vergebung der ſtädtiſchen Schulräume vorbehalten at“ — ich gebe mich keiner Illuſion darüber hin, daß die Schulaufſichtsbehörde in dem Sinne, wie es hier die Schuldeputation getan hat, einſchreiten wird. Daß dies ein unberechtigter Schritt iſt, daß die Schulaufſichtsbehörde überhaupt kein Recht dazu hat, darüber will ich jetzt hier nicht ſprechen; wir haben uns darüber des öfteren unterhalten. Wenn ſie auch kein Recht dazu hat, ſo hat ſie doch die Macht, und dieſer größeren Macht wird ſich das Recht der Kommune ſchließlich fügen müſſen. Aber, meine Herren, es iſt doch etwas anderes, das Odium über den Mißbrauch der Macht, das Odium für einen ſolchen Willkürakt derjenigen Staatsbehörde, die ihn ausübt, auch zu überlaſſen oder dieſes Odium frei⸗ willig, in der Erkenntnis, daß die Staatsbehörde mächtiger iſt als die Gemeindebehörde, freiwillig nun von ihr abzunehmen und auf ſich ſelbſt zu überladen! Das hat die Schuldeputation durch ihre Maßregel getan. Dieſe Maßregel kann die Billigung der Mehrheit dieſer Verſammlung unmöglich finden: deswegen müſſen Sie, meine Herren, dafür ſorgen, daß, wenn die Maßregel endgiltig aufrecht erhalten bleibt, das Odium dafür auch voll und ganz auf die Staatsbehörde fällt, und deswegen bitte ich Sie, unſerem Antrage zuzuſtimmen. 14 + n4