—— 29 Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich will ganz kurz ſein. Ich will auf die ſachlichen Ge⸗ ſichtspunkte, die ja hier ſchon in der Sitzung vom 5. Juni erörtert worden ſind, nicht mehr eingehen, zunächſt wenigſtens nicht, wenn es ſich irgend, ver⸗ meiden läßt. Ich will lediglich die formale Seite behandeln. Es entzieht ſich daher vorläufig meiner Erörterung, ob ein Arbeiterverein, wie Herr Stadtv. Dr. Borchardt ſagte, ohne weiteres ein ſozialdemo⸗ tratiſcher Verein ſein müſſe, und ob, ſelbſt wenn das zugegeben werden müßte, in einem ſolchen Vereine ohne weiteres Tendenzen zur Geltung kommen würden, wie ſie in dieſem Liede ſich kennzeichnen, ob über⸗ haupt dieſes Lied ſo harmlos iſt, wie Herr Dr. Bor⸗ chardt es hier hinzuſtellen für gut befunden hat. Auf alle dieſe Fragen will ich zunächſt nicht ein⸗ gehen. Meine Herren, ich habe am 5. Juni mir erlaubt, einen beſonderen Ton darauf zu legen, daß dieſe Maßregel auf einem Beſchluſſe der Schuldeputation beruht, und ich möchte bei dieſer Gelegenheit nun die Grundlage, auf der die Schuldeputation gehandelt hat, im hiſtoriſchen Entwicklungsgange etwas be⸗ leuchten. Es iſt Ihnen bekannt, meine Herren, daß im November 1903 der damals vielumſtrittene Erlaß des Kultusminiſters erſchien, welcher ganz allgemein die Bewilligung von Räumen in ſtädtiſchen Schul⸗ häuſern, vor allen Dingen in Gemeinde⸗ und Mittel⸗ ſchulhäuſern, für die Aufſichtsbehörden in Anſpruch nimmt in der Weiſe, daß dieſe vorweg gefragt werden müßten, ehe die ſtädtiſchen Körperſchaften oder die Schuldeputation in der Lage ſeien, ihrer⸗ ſeits über dieſe Räume zu verfügen. Wir haben uns ja im Dezember 1904 ſehr eingehend über dieſe Angelegenheit hier unterhalten und haben Recht und Unrecht dieſes Erlaſſes nach allen Seiten hin erörtert. Tatſache iſt aber doch, daß der Erlaß in ſeiner grundſätzlichen Faſſung zu Recht beſteht und von uns — leider, darf ich füglich ſagen — nicht be⸗ anſtandet werden kann, daß wir uns alſo, wie Herr Stadtw. Dr. Borchardt ſagte, der größeren Macht des Staates fügen müſſen. Nun hat der Erlaß, der zwar grundſätzlich nicht aufgehoben worden iſt, doch aber eine Modifikation dahin erlitten, daß durch die Verfügung der König⸗ lichen Regierung vom 22. März 1904 das ihr durch den Erlaß vorbehaltene Recht der Bewilligung über derartige ſtädtiſche Schulräume widerruflich der Schul⸗ deputation übertragen worden iſt. Der Magiſtrat hat zu dieſen beiden Akten, dem Erlaß vom Novem⸗ ber 1903 und der Verfügung der Königlichen Re⸗ gierung vom 22. März 1904, in der Weiſe Stellung genommen, daß er in der Form eines Rechtsvor⸗ behaltes dem Herrn Miniſter gegenüber das Recht der Kommune, über die Schulräume, ſoweit ſie für Schulzwecke nicht in Anſpruch genommen werden, frei zu verfügen, förmlich ausgeſprochen und geltend gemacht hat; er hat dann aber erklärt: ſo lange es bei dem Verfahren verbleibt, daß die Schuldeputation über die Vergebung der Schulräume zu entſcheiden hat, wollen wir aus dem Geſichtspunkte keinen Widerſpruch erheben, als wir unſererſeits die Schul⸗ deputation als ein ſtädtiſches Organ anſehen, welches die ſtädtiſchen Intereſſen bei der Vergebung der Schulräume zu berückſichtigen hat. Inſofern iſt nun die Schuldeputation auf der einen Seite Auffichts⸗ organ und wird in dieſem Sinne von der König⸗ lichen Regierung mit der Wirkung in Anſpruch ge⸗ nommen, daß ſie ihr für die Vergebung der ſtädti⸗ 3 — ſchen Schulräume verantwortlich iſt; von den ſtädti⸗ ſchen Behörden wird ſie als ſtädtiſches Organ ange⸗ ſehen, das unter Umſtänden ebenfalls der Korrektur der ſtädtiſchen Körperſchaften unterliegen würde, falls die ſtädtiſchen Körperſchaften die Maßnahmen der Schuldeputation nicht billigen können. Sie ſehen, daß die Schuldeputation unter allen Umſtänden in einer ſchwierigen Situation iſt, und Sie werden es billigen, daß jedenfalls der Magiſtrat nur dann Veranlafſung nehmen wird, ſeinerſeits die Schuldeputation zu korrigieren und in ihre Maß⸗ nahmen einzugreifen, wenn er ſich davon überzeugt, daß ſie mit der ihr erteilten Vollmacht Mißbrauch treibt, daß ſie die ſtädtiſchen Intereſſen zugunſten der ſtaatsauffichtbehördlichen Intereſſen zurückſtellt. Meine Herren, ich möchte meinen, daß das im vorliegenden Falle von Ihnen nicht wird behauptet werden können. Der Magiſtrat hat in der vollen Erkenntnis der Schwierigkeit und der Kompliziertheit der Situation auch nach Kenntnisnahme Ihrer Verhandlung vom 5. Juni d. I. davon Abſtand genommen, in die mate⸗ rielle Prüfung der Frage einzugreifen. Er hat ſich auf den Boden geſtellt: der Schuldeputation ſteht zunächſt das formale Recht zu, die Schuldeputation kann ſich der Aufſichtsbehörde gegenüber nach Lage der Sache der Verantwortlichkeit für die Maß⸗ nahmen, die ſie in der Vergebung der Schulräume trifft, nicht entziehen, und es ſolle der Schuldeputa⸗ tion dieſe ſchwierige Situation nicht durch ſtädtiſche Maßnahmen unnützerweiſe erſchwert werden. Ich muß hinzufügen, daß über den vorliegenden Antrag des Herrn Stadtv. Hirſch — oder des Herrn Stadtv. Dr. Borchardt — der Magiſtrat noch keinen Beſchluß gefaßt hat. Ich darf aber wohl annehmen, daß nach dem Verhalten, das der Magiſtrat bisher in dieſer Angelegenheit der Schuldeputation gegen⸗ über beobachtet hat, er auch weiterhin zu der Stellung⸗ nahme kommen wird, von einem Eingreifen in die Maßnahmen, die die Schuldeputation für ſachgemäß gehalten hat, Abſtand zu nehmen. Herr Stadtv. Dr. Borchardt hat dann — ich weiß nicht, zu welchem Ziele — die Frage angeregt, auf welche Weiſe die Schuldeputation zu der amt⸗ lichen Kenntmis der Vorgänge am 6. Oktober 1906 im Volkshaufe gekommen iſt. Meine Herren, da ich den Zweck dieſer Erörterung nicht einſehe, möchte ich darauf nicht eingehen. Herr Stadtv. Dr. Bor⸗ chardt hat nicht beſtreiten können, es auch nicht ein⸗ mal verſucht, zu beſtreiten, daß die Vorgänge ſo, wie ſie der Schuldeputation amtlich mitgeteilt ſind, ſich zugetragen haben. Damit iſt meiner Anficht nach das Material zweifelsfrei feſtgeſtellt, ſo daß man der Quelle nicht weiter nachzugehen braucht. Ich möchte alſo bitten, dem Antrage der Herren Stadtv. Hirſch und Dr. Borchardt nicht zuzuſtimmen. Stadtv. Dr. Hubatſch: Meine Herren, es ſind zwei Fragen, die zur Erörterung kommen: die eine Frage iſt die, ob die Schuldeputation recht gehandelt hat, als ſie dem Turnverein „Freie Turnerſchaft“ die Weiterbenutzung der Turnhalle entzog, und die zweite, ob der Magiſtrat in der Lage ſein würde, den Beſchluß der Schuldeputation rückgängig zu machen. Was die erſte Frage anbetrifft, ſo kann man ja verſchiedener Meinung ſein. Man kann ſagen: der Verein iſt als Turnverein angemeldet worden, und die Schuldeputation hat kein Bedenken gehabt, die Benutzung der Turnhalle freizugeben, es iſt während des Turnens in der Turnhalle nichts Un⸗ gehöriges vorgekommen, alſo liegt auch kein triftiger