—— 297 — halte. Gerade um dieſen Makel von der Schul⸗ deputation zu nehmen, daß ſie ohne einen ſolchen ſtaatlichen Anſtoß zu einer ſolchen Maßregel ſich ent⸗ ſchloſſen hat, gerade dazu habe ich dieſe Frage an⸗ geregt. Denn daß die ſtaatlichen Behörden auch die Tätigkeit von Nichtgentlemen, wie ein hoher Ver⸗ treter der Staatsgewalt einſtmals ſolche Spitzeltätigkeit bezeichnete, anwenden, um durch ſie ihre Maßregeln beeinfluſſen zu laſſen, das iſt etwas, was mich in Preußen nicht verwundert. Verwundern würde es mich von einer Charlottenburger ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaft. Und die Schuldeputation iſt zunächſt noch immer eine ſtädtiſche Körperſchaft —nach unſerer Fiktion, ſage ich allerdings nur; im Ernſt wollen Sie irgend eine Korrektur nie eintreten laſſen; wir aber meinen, die Schuldeputation iſt eine ſtädtiſche Behörde, ſie ſoll und muß von den anderen ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaften korrigiert werden, wenn ſie ſich in ihren Maßregeln vergreift. Ich kann es nur bedauern, daß die Mehrheit dieſer Verſammlung das Odium, welches in dieſer Maßregel liegt, der Königlichen Regierung abzunehmen entſchloſſen iſt. Stadtv. Hirſch: M eine Herren, ich habe dem, was Herr Kollege Borchardt geſagt hat, ſachlich nichts hinzufügen. Ich habe in der Hauptſache das Wort ergriffen, um mir einen Vermittelungsvorſchlag zu geſtatten. Vorweg möchte ich zwei Punkte ganz kurz berühren. Von verſchiedenen Seiten iſt geſagt worden, daß der Magiſtrat nicht berechtigt iſt, Maßnahmen der Schuldeputation zu korrigieren. Das ſteht im Wider⸗ ſpruch zu den Ausführungen des Herrn Bürger⸗ meiſters, der ganz ohne jede Einſchränkung zugegeben hat, daß die Schuldeputation unter Umſtänden der 14 . der ſtädtiſchen Körperſchaften unterliegen ann. (Stadtv. Dr. Borchardt: Sehr richtig!) Hier ſteht alſo eine Rechtsanſchauung der anderen gegenüber; ich wage nicht zu entſcheiden, welche die richtige iſt. Dann iſt das Wort von der Selbſtverwaltung gefallen. Meine Herren, ich darf wohl annehmen, daß die Ausführungen des Herrn Dr. v. Liszt über die Selbſtverwaltung ſo zu verſtehen ſind, daß wir, wenn wir die Maßnahme einer von uns ſelbſt ge⸗ wählten Deputation rückgängig machten, damit der Selbſtverwaltung einen Schlag verſetzen würden. Das könnte aber doch nur dann der Fall ſein, wenn es ſich um eine Deputation handelte, die entſprechend der Stadtverordnetenverſammlung zuſammengeſetzt iſt. Maßnahmen einer ſolchen Deputation rückgängig zu machen, würde auch ich Bedenken tragen. Aber Sie alle werden mir zugeben, daß das auf die Schul⸗ deputafion nicht zutrifft. Ich ſehe ganz davon ab, welche Elemente ſonſt in der Schuldeputation ſitzen; ich weife nur darauf hin, daß eine Fraktion der Stadtverordnetenverſammlung in der Schuldeputation überhaupt nicht vertreten iſt, weil die Regierung ſich ein Beſtätigungsrecht über die Mitglieder der Schul⸗ deputation angemaßt hat. Alſo inſoweit entſpricht die Zuſammenſetzung der Schuldeputation nicht der Zuſammenſetzung der Stadtverordnetenverſammlung. Ich habe mich nun zum Worte gemeldet, um Ihnen eine Brücke zu bauen, auf der wir uns ver⸗ ſtändigen können. Ich habe aus der Debatte die Anſchauung gewonnen, daß die Herren von den Mehrheitsparteien auf dem Standpunkte ſtehen, daß wir den Magiſtrat nicht in eine Zwangslage ver⸗ ſetzen ſollen. Ich glaube aber andererſeits, namentlich aus der Debatte bei der Begründung unſerer Inter⸗ pellation, den Eindruck entnehmen zu können, daß die Mehrheit der Verſammlung nicht der Meinung iſt, daß dem Arbeiterturnverein, weil ein Teil ſeiner Mitglieder Sozialdemokraten ſind, überhaupt die Benutzung ſtädtiſcher Einrichtungen entzogen werden darf, ſondern ich glaube, Sie ſtehen nur auf dem Standpunkt, daß ihm diejenigen Inſtitute nicht offen ſtehen ſollen, die der Aufſicht der Schulverwaltung unterſtehen. Meine Herren, nun beſitzt die Stadt glücklicherweiſe eine Turnhalle. in deren Benutzung die Schuldeputation und die Regierung nicht hinein⸗ zureden hat; das iſt die Turnhalle in der Wilmers⸗ dorfer Straße, die zu der Kunſtgewerbe⸗ und Hand⸗ werkerſchule gehört. Ich möchte mir nun erlauben, den Eventualantrag zu ſtellen: Für den Fall der Ablehnung des Antrages Hirſch und Genoſſen — Druckſache Nr. 311 — beantragen die Unterzeichneten, den Magiſtrat zu erſuchen, dem Verein „Freie Turnerſchaft“ auf ſein Erſuchen die Turnhalle der Kunſt⸗ gewerbe⸗ und Handwerkerſchule in der Wilmers⸗ dorfer Straße zur Verfügung zu ſtellen. Soviel ich weiß, hat der Verein ein ſolches Geſuch an den Magiſtrat gerichtet. Ich glaube, Sie können unſerem Antrage zuſtimmen; Sie würden da⸗ mit allen Schwierigkeiten aus dem Wege gehen und andererſeits dokumentieren, daß Sie auf dem Stand⸗ punkt ſtehen, daß alle Einwohner Charlottenburgs, gleichviel welcher politiſchen Richtung ſie angehören, gleichmäßig zu behandeln find. Stadtv. Dr. v. Liszt: Meine Herren, ich will nur ein paar kleinere oder größere Mißverſtändniſſe, die Herrn Kollegen Borchardt paſſiert ſind, richtigſtellen. Die Verfügung des Miniſters vom November 1903 hier gutzuheißen, iſt mir niemals in den Sinn ge⸗ kommen; (Stadtv. Dr. Borchardt: Habe ich auch nicht geſagt!) davon habe ich gar nicht geſprochen. Ich habe auch die Verfügung vom 22. März 1904 nicht für zu Recht beſtehend erklärt, ſondern meine Ansführung war: da der Magiſtrat auf die Verfügung ein⸗ gegangen iſt, beſteht das Kompromiß für mich zu Recht — nicht die Verfügung —, und wir haben gar keine Veranlaſſung, in dieſes Kompromiß ein⸗ zugreifen. Ein recht ſchlimmes Mißverſtändnis iſt Herrn Kollegen Borchardt pafſiert, das aber charakteriſtiſch für ihn iſt. Er ſagt: er wiſſe Fälle, er habe munkeln gehört, vom Hörenſagen wiſſe er, daß Vorſchläge der Fakultäten vom Miniſterium rückgängig gemacht ſind. Wie liegt nun die heutige Frage? Hier handelt es ſich nicht darum, daß die Schuldeputation ihren eigenen Beſchluß rückgängig macht, ſondern darum, daß der Beſchluß der Schuldeputation vom Magiſtrat rückgängig gemacht werden ſoll, und das iſt logiſch undenkbar. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß auf jede Fakultät Einfluß von oben geübt werden kann, und cs8 iſt ſelbſtverſtändlich vorgekommen, daß eine Vor⸗ ſchlagsliſte dann geändert worden iſt. Aber ebenſo iſt es ſelbſtverſtändlich, daß, wenn jemand ein Vor⸗ ſchlagsrecht hat, ein anderer, der kein Vorſchlagsrecht, der ein Entſcheidungsrecht hat, dieſen Vorſchlags⸗ beſchluß nicht umändern kann. Das iſt meiner An⸗ ſicht nach ein grundlegender logiſcher Fehler, der von den Herren Antragsſtellern begangen worden iſt. Nun iſt der Rückzug, wenn ich mich ſo aus⸗ drücken ſoll, angebahnt worden durch den neuen An⸗ trag, der geſtellt worden iſt, für den ich für meine