— 359 — Gefahr, daß wir einen höheren Kokspreis bekommen, viel größer als die Hoffnung des Herrn Kollegen Dzialoszynski, dadurch einen Druck auf den Koks⸗ preis auszuüben. (Na, na! bei den Liberalen.) Stadto. Hirſch: Meine Herren, wenn ich auch mit den Ausführungen des letzten Herrn Redners nicht übereinſtimme, wenn ich es namentlich nicht zugeben kann, daß die jetzigen Kokspreiſe ange⸗ meſſen ſind, und daß eine Herabſetzung der Koks⸗ preiſe ein Geſchenk an die Käufer bzw. an die Händ⸗ ler bedeutet, ſo freut es mich doch, daß er erklärt hat, daß die Mehrzahl ſeiner Freunde den Vor⸗ ſchlägen des Herrn Kollegen Dzialoszynski ſteptiſch gegenüberſteht. Denn ſoweit ich dieſe Vorſchläge verſtanden habe, laufen ſie darauf hinaus, den Hausbeſitzern wieder ein Geſchenk zu machen. (Stadtv. Dzialoszynski: O nein!) Herr Kollege Dzialoszynski, ſoweit ich Sie verſtanden habe — allzu verſtändlich waren die Vorſchläge nicht; ich habe mich erſt bei Ihnen erkundigen müſſen; aber nach Ihrer eigenen Auskunft laufen die Vorſchläge auf ein Geſchenk an die Haus⸗ beſitzer hinaus. Sie wollen den Hausbeſitzern die Möglichkeit geben, den Koks billiger einzukaufen. Dagegen habe ich an und für ſich gar nichts ein⸗ zuwenden; ich will ja, daß der Kokspreis nicht dieſe enorme Höhe erreicht. Aber Sie irren ſich, daß die Hausbeſitzer, die den Koks zur Zentralheizung benutzen, mit dem Augenblick, wo ſie billigere Einkäufe machen, auch die Mieten herabſetzen. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Ich möchte den Hausbeſitzer kennen, der ſchon einmal infolge irgendwelcher Erſparnis an Re⸗ paraturen oder an ſonſtigen Dingen die Miets⸗ preiſe herabgeſetzt hat! Meine Herren, ſolche Hausbeſitzer gibt es nicht. Und das Heraufſetzen der Mietspreiſe — das beſorgen die Hausbeſitzer auch ohne die Ratſchläge des Herrn Kollegen Dzialos⸗ zynski ſchon von ſelbſt. Und dann dürfen Sie auch nicht vergeſſen: was für Mieter ſind es denn, die überhaupt ſich den Luxus einer Wohnung mit Zentralheizung geſtatten können? Doch nicht die Schichten, die ein Intereſſe an billigeren Kokspreiſen haben, ſondern die Wohnungen mit Zentralheizung be⸗ finden ſich in der Regel in Häuſern, in denen die ärmeren Schichten der Bevölkerung nicht wohnen; ein⸗ oder zweizimmrige Wohnungen mit Zentral⸗ heizung ſind eine Seltenheit. Meine Herren, ich wende mich nun zu den Ausführungen des Herrn Vertreters des Magiſtrats, und ich muß offen geſtehen, daß, wenn ich auch von vornherein überzeugt war, daß der Magiſtrat den Interpellanten kein großes Entgegenkommen beweiſen würde, ich doch nicht auf eine derartige Antwort gefaßt war. Worauf kommt die Rede des Herrn Stadtrats im großen und ganzen hinaus? Darauf: wir müſſen Überſchüſſe in der Gasanſtalt erzielen, wir haben keine Veranlaſſung, den Koks billiger abzugeben, die Konſumenten können dieſe Belaſtung ruhig in Kauf nehmen, und wer es nicht kann, nun, der mag ſich an die Armenverwaltung wenden. Das iſt doch ein Standpunkt, den jeder, der auch nur einigermaßen ſozial fortgeſchritten iſt, auf das ſchärfſte verurteilen muß. Das iſt ja gerade der Unterſchied zwiſchen dem, was die Inter⸗ pell anten und, ich hoffe, auch die Mehrheit der Verſammlung will, und dem, was der Herr Stadt⸗ rat will. Wir wollen eben nicht, daß die Leute gezwungen werden, die Armenverwaltung in An⸗ ſpruch zu nehmen, wir wollen nicht, daß ihnen die Verwaltung Wohltaten erweiſt, ſondern wir wollen, daß ſie für die Gebrauchsgegenſtände, die ſie kaufen, einen Preis zahlen, der nicht gerade ein Wucher⸗ preis iſt. Meine Herren, der Herr Stadtrat erklärte, daß die Geſamtmehrausgabe ja nur ungefähr 6 ℳ pro Jahr ausmacht. Das iſt nicht ganz richtig. Die Geſamtmehrausgabe gegen das Vor⸗ jahr macht 6 ℳ aus. Wir dürfen aber nicht ver⸗ geſſen, daß auch im vorigen Jahre die Preiſe ſchon erheblich hoch waren. In Wirklichkeit iſt alſo die Belaſtung bedeutend ſchlimmer, als es von dem Herrn Magiſtratsvertreter dargeſtellt wird. Ja, meine Herren, die Bemerkung: die Leute können ruhig die 6 ℳ mehr zahlen — iſt genau dasſelbe, was man ſonſt von agrariſcher Seite hört. Wenn im Reichstag gegen neue Getreide⸗ zölle proteſtiert wird, dann heißt es auch: wir befinden uns in einer ſolchen Lage, wir gebrauchen das Geld, die Bevölkerung kann das ruhig zahlen. So ſagt der Herr Stadtrat: wir müſſen mit Über⸗ ſchüſſen arbeiten, wir brauchen die Überſchüſſe, ſie laufen in die Millionen, aber ſie werden bald ein Ende haben, — und er führt uns dann vor, welche große Ausgaben bevorſtehen. Ja, meine Herren, alle die Ausgaben, die der Herr Stadtrat angeführt hat, kommen bei der Frage, ob die Gas⸗ anſtalten Überſchüſſe abwerfen, gar nicht in Betracht. Das ſind Ausgaben für werbende Zwecke, für Ver⸗ mehrung des Vermögens. Man kann doch nicht ſagen: wenn wir drei oder vier Millionen im nächſten Jahre ausgeben, dann haben wir ſoviel weniger Überſchüſſe. Nur nominell haben wir dann doch geringere Überſchüſſe. Aber erfreulicher⸗ weiſe nehmen die Überſchüſſe von Jahr zu Jahr zu; das hat mein Freund Klick nachgewieſen, das hat auch der Herr Stadtrat nicht beſtritten, und wir können ſicher ſein, daß dieſer erfreuliche Auf⸗ ſchwung noch jahrelang andauert. Wir werden ja abwarten, ob der Etat, der uns demnächſt vorgelegt wird, ſo ſchlecht abſchließt. Meine Herren, das eine verkenne ich nicht, daß die Kontrolle, wenn der Koks billiger abge⸗ geben wird, vielleicht nicht genau geübt werden kann. Gewiß, die Kontrolle bietet Schwierigkeiten. Ich gebe auch zu, daß ſich manche Leute finden werden, die einen ſchwunghaften Handel mit Koks betreiben werden. Aber wollen Sie denn deswegen, weil die Kontrolle ſchwer iſt und einige Leute vielleicht Mißbrauch treiben, von der Verbilligung abſtehen? Lieber können ein paar Leute aus Berlin wirklich einmal unſern billigeren Koks haben, als daß unſere Mitbürger einen Preis zahlen ſollen, der eine koloſſale Belaſtung für die Arbeiterfamilie bedeutet. Dann wird wieder darauf hingewieſen, wir ſollten uns mit Berlin, mit den Nachbargemeinden in Verbindung ſetzen. Das Lied kennen wir alle zur Genüge! Wenn irgendwelche Vorſchläge kommen, dann heißt es: wir können nicht allein vorgehen, wir müſſen mit den Nachbargemeinden zuſammen vorgehen. Das haben wir gehört bei unſern Vorſchlägen über Maßnahmen zur Linderung der Wohnungsnot; da hieß es: wir können nicht allein ſolche Maßnahmen ergreifen, dann würden ſofort ſämtliche Leute von Berlin nach Charlotten⸗