Vertretungsſtunden alljährlich nötig ſind. — 381 — Schulkinder ſchon bei Dämmerung das Elternhaus verlaſſen, und manchmal ſuchen ſie erſt, wenn die Lampen angeſteckt ſind, das heimiſche Stübchen wieder auf. Dazwiſchen liegt nur eine kurze Mittagspauſe. Es bleibt ihnen alſo ſehr wenig Ge⸗ legenheit, ſich in der friſchen Luft zu ergehen; und ein ſo geſundes Vergnügen wie das Eislaufen iſt vielfach nur auf die Sonntage und die Ferienzeit beſchränkt. Meines Erachtens iſt es daher nicht zu empfehlen, den Kindern dieſe Gelegenheit noch zu verkümmern. Auch Oſtern iſt eine größere Er⸗ holungspauſe dringend nötig. Durch die lange und anſtrengende Arbeit des Winters ſind die jungen Körper geſchwächt, viele haben wohl gar wegen Er⸗ krankung in der Schule fehlen müſſen. Da iſt es wieder dringend wünſchenswert, daß man den Kindern Gelegenheit gibt, ſich draußen im Freien zu tummeln; und wenn die Frühlingsſonne ſcheint, wenn draußen in Wald und Flur das erſte Grün wieder ſprießt, dann tun ſie es ſo gern. Der Herr Referent hat vollſtändig recht: in der Großſtadt iſt d as doppelt und dreifach nötig. Ein Kind, das nur eine kurze Zeit — vielleicht 1 bis 2 Stunden — zur Verfügung hat, um ſich zu ergehen, kommt hier ja gar nicht recht in die friſche, geſunde Luft hinaus. Hier muß es oft eine Stunde gehen, bis es draußen in eine reine und ozonreiche Luft kommt, und der Rückweg koſtet ebenſoviel Zeit. Unterwegs hat es ſich in dem Lärm, dem Getümmel, der Aufregung und der Unraſt der Großſtadt zu bewegen. Ganz anders in den kleinen Städten und auf dem Lande. Da iſt jede Stunde, die dem Spaziergange, dem Spiel oder dem Sport zur Verfügung ſteht, ohne Abzug eine wirkliche Erholung; es herrſcht Tag für Tag dieſelbe Ruhe, ringsum flutet die beſte Luft. Schon aus dieſem einzigen Grunde, meine ich, iſt es grundfalſch, zu ſagen: in den kleinen Städten und in den Großſtädten müſſen die Ferien gleich ſein, und es darf nicht geduldet werden, daß die Groß⸗ ſtadt gegenüber der kleinen Stadt durch längere Ferien bevorzugt wird. Ich fürchte, eine Ver⸗ kürzung der Ferien in der Großſtadt wird ſich an der Geſundheit der Kinder rächen; die jetzt ſchon ungünſtigen Geſundheitsverhältniſſe werden noch ſchlimmer werden. Weiter unterſchreibe ich jedes Wort, das der Herr Referent über die Gefahr für die Lehrer geſagt hat. Der Lehrerberuf iſt ſehr anſtrengend, be⸗ ſonders für den Hals und noch mehr für die Nerven; und wir ſehen es ja, wie trotz der jetzigen reichlichen Bemeſſung der Ferien ſo viele dieſen Anſtrengungen nicht gewachſen ſind, beſonders im Winter. Zu den Zahlen, welche der Herr Referent angegeben hat, möchte ich noch eine hinzufügen. 39 000 ℳ ſtehen in unſerem Etat für Vertretungen von Lehrern zur Verfügung, und ſie werden gebraucht. Dabei handelt es ſich zum weitaus größten Teil um Ver⸗ tretungen erkrankter Lehrer. Wenn Sie nun beden⸗ ken, daß eine Vertretungsſtunde nur 1,25 ℳ koſtet, ſo werden Sie ermeſſen, eine wie ungeheure Zahl Jede Beurlaubung aber bedeutet eine Störung des Unterrichts, eine Schädigung der Schule. Die Weihnachts⸗ und Oſter⸗Ferien ſind ein vorzügliches prophylaktiſches Mittel gegen die Berufskrank⸗ heiten der Lehrer. Verkürzen wir ſie, ſo wird es, befürchte ich, mit der Geſundheit der Lehrer noch mehr zurückgehen. Der Magiſtrat ſteht aus dieſen Gründen der Interpellation und der Petition der Lehrerſchaft ſympathiſch gegenüber, und er iſt bereit, nach Kräften mit dahin zu wirken, daß es beim jetzigen Zuſtande bleibt. Leider iſt es uns nicht vergönnt geweſen, vor der Ausdehnung der neuen Ferien⸗ ordnung auf Berlin und die Vorortgemeinden unſere auf Kenntnis der örtlichen Verhältniſſe be⸗ ruhenden Bedenken an zuſtändiger Stelle aus⸗ zuſprechen. Wir ſind nicht vorher gehört worden. Jetzt, nachdem der Erlaß bereits veröffentlicht iſt, iſt es natürlich viel weniger ausſichtsvoll, mit unſeren Gegenvorſtellungen etwas zu errechen. Aber vielleicht macht es einigen Eindruck, wenn Charlottenburg und die Nachbargemeinden ſich zu einem gemeinſchaftlichen Schritte nach dieſer Rich⸗ tung vereinigen. Aus dieſem Grunde haben wir beſchloſſen, an unſere Nachbargemeinden mit der Frage heranzutreten, ob ſie geneigt ſind, ſich wegen eines gemeinſamen Schrittes mit uns ins Benehmen zu ſetzen. Ich hoffe, daß wir zuſtimmende Er⸗ klärungen bekommen werden. Ging doch in den jüngſten Tagen durch die Zeitungen die Nachricht, daß auch in einigen Nachbargemeinden die ſtädtiſchen 424 ſich mit derſelben Frage beſchäftigt haben. Zum Schluß möchte ich nur noch meiner be⸗ ſonderen Freude darüber Ausdruck geben, daß der Herr Referent ſich ſo gründlich mit dieſer An⸗ gelegenheit beſchäftigt hat, und daß er ſo viel Wärme für unſere Schuliugend und für die Lehrer⸗ ſchaft an den Tag gelegt hat. (Auf Antrag des Stadtv. Otto tritt die Ver⸗ ſammlung in die Beſprechung der Anfrage ein.) Stadtv. Schwarz: Meine Herren, nach den gründlichen Ausführungen ſowohl über die hygie⸗ niſche als über die pädagogiſche Seite erübrigt es ſich, auf die Materie des näheren einzugehen. Ich möchte nur einiges wenige hinzufügen. Für mich iſt dieſer Regierungserlaß eigentlich ganz unverſtändlich geweſen. Ich habe mich ge⸗ fragt: was kann der Geſichtspunkt ſein, aus welchem heraus er erlaſſen iſt? Liegt er im Intereſſe unſerer Jugend, oder liegt er vielleicht im Intereſſe der Adminiſtration; wollte man etwa gar damit etwas ausſchalten, was den Lehrern auf dem Lande als beſonderer Vorzug der Stadt erſcheinen könnte, die größeren Ferien? Ich habe eine Antwort darauf nicht gefunden und muß den Ausführungen des Herrn Kollegen Röthig vollſtändig beipflichten. Nur die finanzielle Seite möchte ich noch an⸗ deuten. Bei den großen Ausgaben der Armen⸗ direktion in jedem Jahre muß es natürlich erwünſcht ſein, Prophylaxis zu üben und die Kinder dadurch möglichſt geſund zu erhalten, daß wir ihnen möglichſt viel Licht, Luft und Sonne gönnen. Je mehr die Kinder ſich erholen, um ſo weniger koſten ſie die Stadt. Als Lehrer kann ich nur beſtätigen: je aus⸗ geruhter die Kinder ſind, mit denen wir zu tun haben, um ſo beſſer können wir mit ihnen arbeiten. Dieſer Erlaß trifft aber nicht nur diejenigen Eltern, die jetzt Kinder auf der Gemeindeſchule haben. Sie, meine Herren, ſind im Begriff, einen bedeutſamen Schritt zu tun: Sie ſind im Begriff, höhere Lehranſtalten ohne Vorſchulen zu gründen. In welche Lage kommen wir nun? Manche Eltern werden ſich dann ſagen: nein, wenn mein Kind ſo⸗ viel weniger Ferien dort haben ſoll, gebe ich es gar nicht auf die Gemeindeſchule, — und diejenigen Eltern, die ihr Kind trotzdem auf die Gemeinde⸗