— 391 — (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Der Übernahme des Betriebes der öffentlichen Abortanſtalten in eigene Verwaltung vom 1. April 1908 ab und der Überweiſung der Verwaltung der Abort⸗ und Bedürfnis⸗ anſtalten an die Deputation für das Straßen⸗ reinigungs⸗ und Feuerlöſchweſen wird zu⸗ geſtimmt.) Vorſteher Kaufmann: Ich bitte das Protokoll der heutigen Sitzung die Herren Kollegen Otto, Platz und Scharnberg zu vollziehen. Wir kommen zu Punkt 16 der Tagesordnung: Vorlage betr. Errichtung einer neuen Ober⸗ realſchule. Druckſache 490. Berichterſtatter Stadtv. Schwarz: Meine Herren, geſtatten Sie mir, ehe ich auf die Materie eingehe, einen kurzen Überblick des Standes unſerer höheren Schulen zu geben. Sie haben durch Gemeindebeſchluß vom 25. April dieſes Jahres Ihre Zuſtimmung dazu ge⸗ geben, daß die Mittel für eine neue Realſchule zwiſchen Mommſen⸗ und Niebuhrſtraße in die An⸗ leihe aufgenommen werden. Außerdem wird augenblicklich das Reform⸗Realgymnaſium auf Weſtend gebaut. Eine dritte höhere Schule der Zutunft wäre die Anſtalt, deren Begründung heute Ihrer Zuſtimmung durch die Vorlage empfohlen wird. Woraus iſt der Wunſch nach dieſer Anſtalt hervorgegangen? Ich hatte die Ehre, am 27. Februar dieſes Jahres hier auszuführen, daß ein Bedürfnis vorläge für die Eröffnung einer neuen Oberſekunda, weil die Oberrealſchule, die wir bereits haben, über⸗ füllt ſei, weil ferner Zugang von der Kaiſer⸗ Friedrich⸗Schule, Zugang auch von der Realſchule in der Guerickeſtraße zu erwarten ſei. Sie haben damals einſtimmig den Beſchluß gefaßt, den Magiſtrat zu erſuchen, den Ausbau einer beſtehenden Realſchule zu einer Oberrealſchule baldigſt in die Wege leiten zu wollen. Ich habe auf den Wunſch meiner Freunde abſichtlich damals keine beſtimmte Anſtalt genannt. Daraufhin hat der Magiſtrat in die Anleihe einen Poſten von 300 000 ℳ eingeſetzt zum Ausbau der Realſchule in der Guerickeſtraße zu einer Oberrealſchule. Heute hören wir davon nichts mehr; es liegt uns ein völig neuer Antrag vor, nämlich der, eine zweite Oberrealſchule einzurichten. Dieſer Vorlage ſtehe ich nun mit gemiſchten Empfin⸗ dungen gegenüber. Der Entſchluß des Magiſtrats, hier zum erſten Male eine Vollanſtalt zu errichten, die nicht mit einer Vorſchule verbunden iſt, charakteriſiert ſich als Zuſtimmung zu der von der Stadtverordneten⸗ verſammlung am 28. März 1906 gefaßten Re⸗ ſolution: Der Magiſtrat wird erſucht, bei Gründung neuer höherer Lehranſtalten Vorſchulen nicht mehr einzurichten. Meine Freunde ſind in hohem Maße erfreut, daß der Magiſtrat in weitherziger ſozialer Fürſorge ſich nicht durch untergeordnete materielle Bedenken hat zurückhalten laſſen, dieſer Reſolution beizutreten, welche die Verſöhnung von Klaſſengegenſätzen durch die Einheitsſchule bezweckt. Das wäre das Erfreulichſte, was von dieſer Vorlage zu ſagen iſt. Sie werden nun aufgefordert, meine Herren, der Errichtung einer neuen Oberrealſchule zu⸗ zuſtimmen, die ins Leben treten ſoll mit den Klaſſen Sexta, Quinta, Quarta und Oberſekunda. Dieſes merkwürdige Ungetüm ein monstrum sui tantum simile — iſt ein mixtum compositum ein⸗ mal aus dem Wunſche, die Schüler, die bisher ſich für Sexta meldeten und abgewieſen werden mußten, aufzunehmen, zugleich aber auch aus dem, die Oberſekunda, die dringend notwendig iſt, einzu⸗ richten. 2 Geſtatten Sie mir, zunächſt auf die Frage nach Sexta, Quinta und Quarta einzugehen. Ich ver⸗ miſſe bei dieſem Vorſchlag eine ſtatiſtiſche Grund⸗ lage und möchte bei dieſer Gelegenheit, wie ſie ſich ähnlich auch Herrn Kollegen Otto heute bei den Gemeindeſchulen geboten hat, nunmehr anregen, eine dauernde Statiſtik zu führen über die Ab⸗ weiſungen, die Eltern für ihre Kinder auf unſeren höheren Lehranſtalten erfahren: denn nur an der Hand einer Statiſtik ſind wir in der Lage, zu über⸗ blicken, worauf wir im Laufe der Jahre uns ein⸗ zurichten haben werden. (Sehr richtig!) Ich möchte hinzufügen: es iſt allerdings neulich in der Deputation für die höheren Lehranſtalten die Frage geſtreift worden, ob beim Magiſtrate eine ſolche Stelle für die höheren Lehranſtalten ein⸗ gerichtet werden könnte — allerdings mit negativem Reſultate. Nun habe ich zufällig erfahren, daß tatſächlich 60 Abweiſungen für Sexta im vorigen Jahre ſtatt⸗ gefunden haben. Ich ſtehe nicht an, trotzdem die Eröffnung einer Quinta und Quarta reſp. die An⸗ mietung von Schulräumen für ſie zu befürworten. Denn, meine Herren, die Gemeinde ſoll ſich ver⸗ pflichten, in 3 Jahren das Schulgebäude fertig zu ſtellen. Es iſt natürlich, daß in dieſen drei Jahren die Sexta ſich zur Quinta, die Quinta zur Quarta entwickelt, und daß die Klaſſen vor räumlicher Trennung geſichert werden ſollen. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Anders aber ſteht die Frage mit der Ober⸗ ſetunda, die ich ſowohl aus vädagogiſchen als auch aus finanziellen Rückſichten Bedenten habe hier mit aufgenommen zu wünſchen. Zunächſt die pädagogiſchen Rückſichten! Die Oberſekunda braucht phyſikaliſchen und chemiſchen Unterricht! Ein ſolcher kann in Privaträumen — und ſolche ſollen für dieſe drei Jahre angemietet werden — nicht wohl erteilt werden. Die Schüler hätten alſo dann einen ziemlich weiten Weg nach einer fertigen höheren Lehranſtalt zurückzulegen, um den phyſitaliſchen und chemiſchen Unterricht empfangen zu können. Die finanziellen Bedenken aber wären unter anderen die, meine Herren, daß, wenn in dieſen Mietsräumen die Kinder unterrichtet werden ſollten, dazu ja ein vhyſikaliſcher und chemiſcher Apparat notwendig wäre, und das würde ein Geſichtspunkt von großer finanzieller Tragweite ſein. Ich darf erinnern, daß wir in den nächſten Etat einen Poſten einſtellen werden von 4000 ℳ für eine Experimentier⸗ anlage in dem Mommſengymnaſium. Da nun aber in unſerer Vorlage für perſönliche Ausgaben 19 000 ℳ, für ſachliche nur 7000 ℳ, im ganzen alſo nur 26 000 ℳ für 4 zu eröffnende Klaſſen eingeſetzt