* Ich würde als Wahlvorſteher wahrſcheinlich die ganze Wahlhandlung gar nicht eröffnet, ſondern einfach erklärt haben: ſeht zu, wie ihr euer Wahl⸗ recht ausüben könnt, der Wahlvorſtand iſt nicht regel⸗ recht gebildet. Der Ausſchuß hat ſich mit dieſer Frage ſehr eingehend beſchäftigt. Es ſtanden ſich da zwei An⸗ ſchauungen gegenüber. Die eine Richtung vertrat den Standpunkt, daß es ſich hier um einen Verſtoß gegen das Geſetz handelt, der ſo ſchwerwiegend iſt, daß, gleichviel ob das Reſultat dadurch beeinflußt worden iſt oder nicht, die Wahl aus dieſem Grunde für ungültig erklärt werden muß. Die andere Richtung ſtellte ſich auf den Standpunkt, daß es ſich allerdings um einen Verſtoß gegen das Geſetz handelt, daß es aber darauf ankomme, feſtzuſtellen, ob während der Zeit ſo viele Stimmen abgegeben worden ſind, daß dadurch das Wahlreſultat beein⸗ flußt worden wäre. Sie ſehen alſo, meine Herren, es handelt ſich hier um eine rein juriſtiſche Frage. Eine Einſtimmigkeit konnte im Ausſchuß nicht erzielt werden. Für die zuerſt von mir wiedergegebene Anſchauung waren drei Herren, für die andere An⸗ ſchauung auch drei Herren, die Stimme des Herrn Vorſitzenden gab den Ausſchlag, und ſo beſchloß der Wahlprüfungsausſchuß, zunächſt einmal die Wahl zu beanſtanden und die Wahlvorſteher darüber zu vernehmen, in welcher Weiſe das Wahlreſultat dadurch beeinflußt worden iſt. Die Herren, die den Standpunkt vertraten, daß die Wahl ohne weiteres für ungültig zu erklären iſt, gingen dabei von der Anſchauung aus, daß die Bei⸗ ſitzer unbedingt von der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung zu wählen ſind, während der ſtellvertretende Wahlvorſteher, der als Beiſitzer fungierte, vom Magiſtrat ernannt wird, und ſie ſtützten ſich dabei auf verſchiedene Kommentatoren. So erklärt Leder⸗ mann in Anmerkung 5 zu § 24 ſeines Kommentars, daß die Beſtellung der Beiſitzer durch die Stadt⸗ verordnetenverſammlung wie überhaupt die geſetz⸗ mäßige Beſtellung des Wahlvorſtandes Voraus⸗ ſetzung der Gültigkeit der Wahl iſt. Ganz ähnlich äußert ſich Oertel, und auch unſer verſtorbener Stadt⸗ rat Jebens ſpricht ſich dahin aus: Im allgemeinen ſind die Beſtimmungen über die Zuſammenſetzung des Wahlvorſtandes als ſo weſentlich anzuſehen, daß eine Wahlhandlung, die nicht ein ihnen entſprechend zuſammen⸗ geſetzter Vorſtand leitete, rechtlich einer ſolchen gleichſteht, bei der ein Wahlvorſtand überhaupt nicht mitwirkte. Von anderer Seite wurde im Ausſchuß ausgeführt, daß, wenn Ledermann ſich dahin ausſpreche, daß die Beſtellung der Beiſitzer durch die Stadtver⸗ 1 ordnetenverſammlung Vorausſetzung der Gültigkeit der Wahl iſt, ſich das nur darauf beziehen könne, daß überhaupt die Stadtverordnetenverſammlung die Beiſitzer wähle. (Stadtv. Dzialoszynski: Sehr richtig!) — Ob das ſehr richtig iſt, laſſe ich dahingeſtellt. Andere ſind der Meinung, daß für jeden Fall die Beiſitzer von der Stadtverordnetenverſammlung zu wählen ſind, und da Herr Kollege Scharnberg ja nicht die Stadtverordnetenverſammlung repräſen⸗ tiert, ſondern nur ein Mitglied der Stadtverordneten⸗ verſammlung iſt, er nicht berechtigt war, Herrn Wolf zum Beiſitzer zu ernennen. 2 Inzwiſchen, meine Herren, ſind bereits die Er⸗ hebungen, um die der Wahlprüfungsausſchuß den Magiſtrat erſucht hatte, vorgenommen worden. 419 Aus den Erhebungen geht hervor, daß in der Zeit von 9 bis 2 Uhr nicht ſo viel Stimmen abgegeben worden ſind, daß dadurch das Reſultat beeinflußt wurde. Der Magiſtrat hat Erkundigungen bei dem nationalliberalen und dem freiſinnigen Komitee eingezogen, die auf Grund ihrer privaten Auf⸗ zeichnungen die Mitteilung gemacht haben, es ſollen bis /3 Uhr etwa 255 Stimmen und für den gegneriſchen Kandidaten 68 Stimmen abgegeben worden ſein. Und die Herren Wahlvorſteher, die darüber vernommen worden ſind, erklären: „Wir haben keine Veranlaſſung, an den uns eben vor⸗ gelegten Feſtſtellungen zu zweifeln und halten dieſe für den Tatſachen entſprechend. Wir bemerken, daß wir uns am Wahltage ſelbſt gewundert haben, daß in den Vormittags⸗ und Mittagsſtunden ſo wenig Stimmen abgegeben wurden. Von den in der Anlage feſtgeſtellten Stimmen gehen natürlich noch die ſchätzungsweiſe feſtzuſtellenden Stimmen ab, die in der Zeit von 2 bis ũ bezw. 3 Uhr ab⸗ gegeben ſind. Zur Vermeidung von Irrtümern iſt feſtzuſtellen, daß nach dem anliegenden Protokoll in unſerem Bezirk bis ½ 3 Uhr 52 liberale und 67 ſozialdemokratiſche Stimmen abgegeben worden ſind.“ Meine Herren, hiernach bin ich nicht mehr in der Lage, den Antrag des Ausſchuſſes aufrecht zu erhalten. Als Referent habe ich die Verpflichtung, nachdem die Erhebungen ſtattgefunden haben, Ihnen anheim zu geben, ob Sie auf Grund dieſer Erhebungen die Wahl für gültig erklären wollen oder nicht. Stellen Sie ſich auf den Standpunkt der drei Mitglieder des Wahlprüfungsausſchuſſes, die einen ſo groben Verſtoß in der falſchen Zuſammen⸗ ſetzung des Wahlvorſtandes erblickten, daß dadurch die Wahl ohne weiteres ungültig iſt, dann können die Erhebungen keinen Einfluß auf Ihr Urteil haben. Sind Sie dagegen der Anſicht, daß feſtgeſtellt werden muß, ob ſo viele Stimmen abgegeben worden ſind, daß dadurch das Wahlreſultat ein anderes würde, dann müſſen Sie auf Grund dieſer Erhebungen nunmehr konſequent für die Gültigkeit der Wahl ſtimmen. Ich bin nicht in der Lage, als Referent Ihnen das eine oder das andere zu empfehlen. Stadtv. Holz: Meine Herren, die Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch, welche den Tatbeſtand ſehr kurz, aber richtig wiedergegeben haben, werden Sie wohl alle veranlaſſen, meinem Antrage auf Gültigkeitserklärung der Wahl zuzuſtimmen. Herr Kollege Hirſch hat ganz richtig referiert, daß in der Zeit von 9 bis 2 Uhr eine Ungeſetzlichkeit bei der Wahl inſofern vorgekommen ſein ſoll, als die ſo⸗ genannte Einheitlichkeit des Wahlaktes unterbrochen worden iſt. Sie wiſſen, meine Herren, daß nach dem Geſetz die ganze Wahlhandlung uno acto vollzogen werden muß; ſie vollzieht ſich dadurch, daß nach § 24 der Städteordnung der Bürgermeiſter oder ſein Stellvertreter und ſein bezw. die von der Stadt⸗ verordnetenverſammlung gewählten Beiſitzer den Wahlvorſtand repräſentieren und kontinuierlich da⸗ für Sorge tragen, daß das Wahlgeſchäft glatt vor ſich geht. Es mag nun dahingeſtellt bleiben, ob die Auffaſſung, welche der Herr Kollege Hirſch vertritt, zutreffend iſt oder nicht. Man wird ſich ſehr wohl dieſer Auffaſſung zuneigen können. Ich habe den Kommentar von Oertel vor mir, der über dieſe Frage unter Bezugnahme auf den verſtorbenen Stadtrat Jebens ſagt: