—— 422 ——— ausdrücklich auf den vom Oberverwaltungsgericht wiederholt angewandten Satz hingewieſen, „daß eine Wahlhandlung, welche unter Leitung eines in ungeſetzlicher Weiſe gebildeten Wahlvorſtandes voll⸗ zogen iſt, als eine ohne jeden Wahlvorſtand vor⸗ genommene behandelt werden muß.“ Sie ſehen alſo, meine Herren, daß man gerade, wenn man dieſer Entſcheidung aus dem 17. Bande folgt, zur Ungültigkeitserklärung der Wahl kommen muß. Im übrigen möchte ich, da ich vorhin als Re⸗ ferent über die Ehrenbeamten geſprochen habe, für meine Perſon erklären, daß ich, ſo oft ich Wahl⸗ vorſteher war, ſowohl bei den Reichstags⸗ wie Landtags⸗ wie Stadtverordnetenwahlen, noch nie⸗ mals über mangelnde Beteiligung der Beiſitzer zu klagen gehabt habe. Bürgermeiſter Matting: Ich will nicht zur Sache ſprechen. — Herr Stadtv. br Penzig hat vorhin erwähnt, daß in ſeinem Abſtimmungsbezirk ein UÜberſchuß an Beiſitzern geweſen ſei. Da iſt mir der Gedanke gekommen, daß die einzelnen Ab⸗ ſtimmungsbezirke zuſammen ja ein Ganzes, einen Wahlbezirk bilden, und ich halte es für zuläſſig, daß aus einem Abſtimmungsbezirk unter Umſtänden ein Beiſitzer nach einem anderen Abſtimmungsbezirk abgeordnet wird, um dort die Zahl der Beiſitzer zu ergänzen. (Sehr richtig!) Das wäre auch eine Möglichkeit geweſen, ſich im vorliegenden Falle zu helfen. Ich wollte darauf für die Zukunft nur hinweiſen. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, daß aus den Oberverwaltungsgerichtsurteilen in dieſem Falle für die eine wie für die andere Anſicht eine genügende Grundlage abgeleitet werden kann, das haben uns die bisherigen Reden bewieſen. (Widerſpruch des Stadtv. Dzialoszynski). Herr Kollege Dzialoszynski beſtreitet das; dann will ich aus dem Kommentar von Ledermann nur einen Satz verleſen, in dem es heißt: „Die Beſtellung der Beiſitzer durch die Stadtverordnetenverſammlung iſt wie überhaupt die geſetzmäßige Beſtellung des Wahlvorſtandes Vorausſetzung der Gültigkeit der Wahl.“ Das iſt ein gewiſſer Grundſatz, den man ja als maßgebend betrachten könnte. Der andere Grundſatz aber, den das Oberverwaltungsgericht ſo und ſo aufgeſtellt hat, nämlich die Erheblichkeit von Formfehlern uſw. für den Ausfall der Wahl, ſteht dem gegenüber. Nun meine ich, müſſen wir in einem ſolchen Falle, wo gewiſſermaßen das oberſte Gericht verſagt, von neuem Stellung nehmen, wir müſſen, wie es Herr Kollege Dr Penzig getan hat, mit dem geſunden Menſchenverſtand zu der Frage Stellung nehmen. Allerdings komme ich dabei zu einem dem des Herrn Kollegen Penzig entgegengeſetzten Urteile. (Heiterkeit.) Ich will damit nicht behaupten, daß mein Menſchen⸗ verſtand geſünder wäre. Ich komme aber jedenfalls zu einem anderen Reſultat. Es erſcheint mir viel wichtiger für das Ergebnis der Wahl, daß Wähler verhindert ge⸗ weſen ſind, zu ſtimmen, als d a ß Wähler, die ihre Stimme abge⸗ geben haben, dies vor einem for⸗ mell nicht richtig zuſammengeſetz⸗ ten Wahlvorſtande getan haben. Dem geſunden Menſchenverſtand muß dieſe Anſicht einleuchten. Juriſtiſch iſt das vielleicht ſehr an⸗ fechtbar, aber an ſich iſt es doch viel wichtiger, daß jeder ſeine Stimme abgeben kann, und das iſt hier der Fall geweſen. Denn ich glaube nicht, daß Herr Kollege Hirſch das ſo ſehr ernſthaft gemeint hat, als er behauptete, es hätten vielleicht Herren wegen der ungenügenden Zuſammenſetzung des Wahlvor⸗ ſtandes ihre Stimme nicht abgegeben. Er wird vielleicht in Zukunft in ſolchem Falle ſo handeln, er wird vielleicht erſt fragen, wie der Wahlvorſtand zuſammengeſetzt iſt. Bisher hat er das ſicherlich auch nicht getan. Nun liegt die Sache doch ſo, daß alle ihre Stimme haben abgeben können. Die Stimmenzahl war eine ſo klare, daß man nicht annehmen kann, daß irgendwie ein weſentlich anderes Reſultat ſich ergeben würde, auch wenn jetzt neu gewählt würde. Es handelt ſich nicht um wenig Stimmen Differenz, ſondern um eine ſehr erhebliche Stimmendifferenz. Meine Herren, in dieſem Falle, ſage ich, hat es doch keinen Zweck, ſich auf den einſeitig juriſtiſchen Standpunkt zu ſtellen, der für die e in e Anſicht ſpricht, ſondern man ſollte vom Standpunkt des geſunden Menſchenverſtandes dazu kommen, zu ſagen: hier in dieſem Falle iſt es zweckmäßig und gerechtfertig, die Wahl für gülti g zu erklären. Aber, meine Herren, nun kommt der Punkt, wo ich Herrn Kollegen Hirſch durchaus Recht gebe: ein derartiger Zuſtand darf ab⸗ ſolut nicht einreißen, daß ſolche Wahl⸗ vorſtände in Zukunft dauernd Wahlen vornehmen können, Wahlvorſtände, die abſolut keine geſetzliche Grundlage haben. Aber dafür können wir ſorgen, und Herr Kollege Hirſch hat auch ſchon davon geſprochen, daß wir in Zukunft Wege finden müſſen, dem vorzubeugen. Der Herr Bürgermeiſter hat eben auch auf einen Ausweg hingewieſen. Daß wir aus dieſem formellen Fehler heraus noch eine Neuwahl vornehmen ſollen, wo nach der Richtung des Ergebniſſes eine ſo klare Sachlage vorhanden iſt, iſt daher überflüſſig. Ich möchte mich dahin ausſprechen, die Wahl für gültig zu erklären. Stadtv. Holz: Meine Herren, mit Herrn Kollegen Stadthagen bin ich in dem Ergebnis ein⸗ verſtanden. Über die Rechtsfrage würde ich mich wahrſcheinlich mit ihm niemals verſtändigen; da gilt der Grundſatz: cum principia negantibus non est disputandum. Mein Prinzip ergibt ſich aus dem Geſetz und aus den Entſcheidungen des Ober⸗ verwaltungsgerichtes. Gewiß hat Herr Kollege br Borchardt Recht: man kann das Geſetz und die Entſcheidungen ſo leſen und ſo leſen; je nach dem Standpunkt, Temperament oder Auffaſſungsver⸗ mögen wird das Geſetz ausgelegt. Wenn aber Herr Kollege Dr Borchardt aus der Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts Band 17 Seite 117 den Nachweis für ſein Urteil führen will, ſo muß ich Herrn Kollegen br Borchardt bitten, die gan ze Entſcheidung ins Auge zu faſſen, und nicht einzelne Teile herauszunehmen, und ich glaube, daß er, wenn er Rechtsgefühl gelten laſſen will, ſich meiner Überzeugung fügen wird. Ich muß überhaupt darauf hinweiſen, daß eine Entſcheidung des Ober⸗ verwaltungsgerichtes, wenn ſie auch nicht einem Geſetze gleichkommt, doch juriſtiſch als Urkunde erſcheint, die als Ganzes bei der Prüfung einer von ihr getroffenen Frage nicht umgangen werden kann. Richtig verſtehen kann man eine ſolche Entſcheidung aber nur, wenn man ſie ganz