—— 432 ——— Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, wir wiſſen, daß es nicht üblich iſt; deshalb haben wir ja auch die Dringlichkeit beantragt. Es kommt für uns folgendes in Betracht. Wir haben in der vorigen Sitzung vor 14 Tagen eine Inter⸗ pellation an den Magiſtrat eingereicht; die Inter⸗ pellation ſteht aus Gründen, die ich nicht kenne, heute nicht auf der Tagesordnung; hätte die Interpellation heute auf der Tagesordnung geſtanden, oder hätte der Magiſtrat erklärt, daß er ſie am 8. Januar beantworten will, dann hätten wir den Antrag nicht geſtellt. Ich möchte alſo doch bitten, da es ſich um eine Angelegenheit handelt, die uns ſehr am Herzen liegt, daß der Antrag am 8. Januar auf die Tagesordnung kommt. Ich erkenne an, daß die Gepflogenheit beſteht, in der erſten Sitzung nur dringende geſchäftliche Angelegenheiten zu beraten; aber ich möchte bitten, von dieſer Gepflogenheit diesmal Abſtand zu nehmen. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte Herrn Kollegen Hirſch bemerken, daß der Vorwurf, daß die Interpellation nicht auf der Tagesord⸗ nung ſteht, mir nicht gelten kann, weil ich vom Magiſtrat nicht Antwort erhalten habe, wann er die Interpellation beantworten will, und ich die Inter⸗ pellation ſonſt nicht auf die Tagesordnung ſetzen kann. Es liegt alſo der Antrag, nun nicht mehr dringlich, vor: Der Magiſtrat wird erſucht, ſchleunigſt Maß⸗ nahmen zur Linderung der Arbeitsloſig⸗ teit und ihrer Folgen in Charlottenburg zu ergreifen. Ich nehme an, wenn kein Widerſpruch erfulgt, daß die Verſammlung einverſtanden iſt, aus⸗ nahmsweiſe dieſen Gegenſtand auf die Tages⸗ ordnung der erſten Sitzung im neuen Jahre zu ſetzen. — Ich höre keinen Widerſpruch und werde demgemäß verfahren. Es liegt nun der Antrag des Herrn Kollegen Vogel und Gen. vor, der auch als dringlich ein⸗ gebracht i. Wird hier die Dringlichteit aufrecht⸗ erhalten? (Stadtv. Vogel: Ja!) Der Antrag des Kollegen Vogel lautet: Stadtverordnetenverſammlung wolle ſchließen: Die Etatsnummer Ord. XIV—5—6 für 1907 — Beitrag an die Volksküche und ähnliche Veranſtaltungen hierſelbſt gegen die Ver⸗ pflichtung, Kindern in der Gemeindeſchule Frühſtück und im Falle beſonderer Unter⸗ ernährung auch Mittagbrot zu liefern, zahlbar auf beſondere Anweiſung wird um 2000 ℳ aus laufenden Mitteln verſtärkt. Der Antrag auf Dringlichkeit iſt genügend unterſtützt. (Die Verſammlung beſchließt die Dringlich⸗ keit.) mir treten dann gleich in die Beratung dieſes Antrages: Dringlicher Antrag der Stadtv Vogel und (Gen. betr. Berſtärkung der Etats⸗ nummer Ord Kapitel XIY 3 6 ſür 1907. Ich gebe dem Herrn Antragſteller das Wort und bitte um möglichſte Kürze mit Rückſicht auf die vorgerückte Zeit. be⸗ Antragſteller Stadtv. Bogel: Es iſt ſelbſt⸗ verſtändlich, daß ich mich ganz kurz faſſe. Die Bedürftigkeit wird von niemandem beſtritten werden. Was die Dringlichkeit anlangt, ſo be⸗ rufe ich mich auf Mitteilungen von Gemeinde⸗ ſchullehrern, die mir ſagten, es mußten kleine Kinderchen zurückgewieſen werden, weil die Mittel, die Marken ſonſt nicht reichten. Die Dringlich⸗ keit habe ich namentlich deshalb aufrechterhalten, damit auch während der Weihnachtsferien die Kinder nicht ohne die nötige Beköſtigung bleiben. Bei dem jetzt eingetretenen großen Froſt iſt es wirklich Menſchenpflicht, daran zu denken. Vorſteher Kaufmann: Ich mache die Ver ſammlung darauf auſmerkſam, daß bei dieſem Antrage eine einſtimmige Annahme notwendig ſein wird. Würde keine Einſtimmigkeit vorhanden ſein, ſo müßte der Gegenſtand, da er eine Geld⸗ bewilligung herbeiführen will, einem Ausſchuß überwieſen werden. Stadtv. Wöllmer: Der Antrag des Herrn Kollegen Vogel iſt mir durchaus ſymvathiſch, und ich perſönlich bin gern bereit, ihn zu befürworten. Es wäre mir aber doch intereſſant, ſo gern ich glaube, daß die Informationen des Herrn Kol⸗ legen Vogel über die 3weckmäßigkeit der Aus⸗ gabe richtig ſind, von ſeiten des Magiſtrats eine Information darüber zu bekommen, in welchem Maße Mittel für dieſen Zweck beſchafft werden ſollten. Ich weiß nicht, ob der Herr Stadtſchul⸗ rat ſich dazu äußern will. Außerdem aber möchte ich, da uns dieſe Frage in einer ſpäteren Zeit, vielleicht Anfang nächſten Jahres, ausführlicher, wie die Gemeinde⸗ körperſchaften von Berlin, beſchäftigen wird, fol⸗ genden Antrag ſtellen: Der Magiſtrat wird erſucht, ſofort eine (En⸗ quete in allen Gemeindeſchulen darüber zu veranſtalten, wieviel Kinder in den ver⸗ ſchiedenen Klaſſen ohne erſtes Frühſtück in die Schule kommen und wieviele zu Hauſe kein warmes Mittagbrot erhalten. Ich glaube, daß mit dieſem Antrage auch die Intentionen des Herrn Kollegen Vogel unter⸗ ſtützt werden würden. Ich perſönlich bin bereit, für die Bewilligung der 2000 ℳʒ zu ſtimmen. Antragſteller Stadtv. Bogel: Ich möchte doch bitten, die Sache nicht zu verzögern, da wir in dieſem Jahre nicht mehr zuſammenkommen. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte Herrn Kollegen Vogel darauf aufmerkſam machen, daß der Antrag des Herrn Kollegen Wöllmer ein ſelbſtändiger Antrag iſt, der ja demnächſt auf die Tagesordnung geſetzt werden wird, daß dieſer Antrag heute nicht verhandelt werden kann, weil ja die Dringlichkeit weder beantragt noch beſchloſſen wurde. Herr Wöllmer, überreichen Sie, bitte, den Antrag, damit er zur Verleſung kommen kann. (Der Antrag wird überreicht.) 22 Es iſt von Herrn Kollegen Wöllmer, nun⸗ mehr genügend unterſtützt und auch unter!Be⸗ antragung der Dringlichkeit, der Antrag, wie folgt, geſtellt: Der Magiſtrat wird erſucht, ſofort eine Enquete in allen Gemeindeſchulen darüber