17 Organiſationen, die freien Gewerkſchaften, die chriſtlichen Gewerkſchaften und der Deutſch⸗natio⸗ nale Handlungsgehilfenverband haben an dieſer Subventionierung partipiziert. In dem Bericht, der nach ſechs Monaten veröffentlicht wurde, rühmte der Regierungsrat Dominicus das Zu⸗ ſammenarbeiten mit den Gewerkſchaften als eine Art des Arbeitens, die in keiner Weiſe auf Schwierig⸗ keiten ſtoße. Nun, meine Herren, ich hörte hier den Zwiſchen⸗ ruf, als ich die Summe von 5000 ℳ nannte: „Das iſt ja gar nichts!“ Meine Herren, bei einer großen Arbeitsloſigkeit ſind 5000 ℳ gewiß außerordentlich wenig, und ich habe auch nicht der Meinung Aus⸗ druck geben wollen, daß, wenn die Stadt Char⸗ lottenburg dieſe Frage in Angriff nimmt, ſie ſich ebenfalls mit einer Summe von 5000 ℳ begnügen ſolle, wie es vor einem Jahre in Straßburg ge⸗ ſchehen iſt. Ich habe das Beiſpiel lediglich ange⸗ führt, um zu zeigen, daß es bereits deutſche Städte gibt, die auf dieſem Wege vorangehen. Unſere Meinung und unſere Forderung iſt allerdings die, daß auch die Stadt Charlottenburg Summen, über deren Höhe ich in dieſem Moment, in dieſer Phaſe der Verhandlungen mich nicht auslaſſen kann, irgendwie zur Verfügung ſtellen ſollte, um der gewerkſchaftlichen Arbeitsloſenverſicherung eine Bei⸗ hilfe zu gewähren. Ich würde auch gar nichts dagegen haben, wenn bei einer ſolchen Hergabe von Mitteln für die Gewertſchaften eine gewiſſe Summe auch für die unorganiſierten arbeitsloſen Arbeiter mit zur Verfügung geſtellt wird. Ich würde deswegen nichts dagegen haben, weil ich der Überzeugung bin, daß für eine rein gewerk⸗ ſchaftliche Subventionierung die ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaften gegenwärtig nicht zu haben ſein werden. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Die Erfahrungen, die in Gent und anderswo ge⸗ macht worden ſind, haben allerdings bewieſen, daß dieſe neben der gewertſchaftlichen Arbeits⸗ loſenfürſorge einherlaufende Fürſorge für die Un⸗ organiſierten nicht durchführbar iſt und ſich nicht bewährt hat, und man würde wahrſcheinlich zu ähnlichen Erfahrungen auch in Charlottenburg tommen. Aber immerhin, meine Herren, Sie würden wahrſcheinlich ohne eine ſolche Begleitung irgend eine Subvention an die Gewerkſchaftskaſſen auch nicht zahlen wollen: ich würde deswegen auch gar nichts dagegen haben. Worauf es uns in dieſem Moment ankommt, iſt, daß ſie ſich grundſätzlich überhaupt einmal dafür erklären, öffentliche Mittel für dieſe Zwecke in Bewegung zu ſetzen. Wie dann die Vorlage im beſonderen zu geſtalten iſt, das muß ja einem ſpäteren Zeitpunkte vorbehalten bleiben: wenn nur erſt ſeitens der Stadtverordneten und ſeitens des Magiſtrats übereinſtimmend das Prinzip anerkannt wird, (ſehr richtig! bei den Sozialdemokraten) dann werden wir eine Vorlage ſeitens des Magi⸗ ſtrats abwarten und ſie hierauf im Einzelnen zu prüfen und eventuell zu verbeſſern haben. Nun, meine Herren, verſchließe ich mich keines⸗ wegs der Gewichtigkeit eines Gegenarguments gegen eine ſolche Forderung für Charlottenburg, welches hergenommen wird nicht aus der Natur der Sache an ſich, ſondern aus der eingentümlichen Lage Charlottenburgs als Berliner Vorort. Wir ſind kein einheitliches Wirtſchaftsgebiet, wir leben nicht für uns abgeſchloſſen, ſondern wir hängen ganz unlöslich mit Berlin zuſammen, und eine 10 einigermaßen zufriedenſtellende Löſung der Auf⸗ gabe kann ſelbſtverſtändlich nur im Verein mit Berlin erfolgen. (Sehr richtig!) Der Herr Oberbürgermeiſter hat uns vorhin mit⸗ geteilt, daß Zweckverbände mit Berlin und den Vororten auf verſchiedenen Gebieten bereits im Entſtehen begriffen ſind. Wir würden es gewiß außerordentlich wünſchenswert finden, wenn auch auf dieſem Gebiet ein Handinhandgehen mit Berlin und damit mit den übrigen Vororten ſich ermöglichen ließe. Aber, meine Herren, wir meinen doch, daß gerade Charlottenburg von allen Berliner Vororten am allererſten in der Lage iſt, auf dieſem Gebiete etwas zu tun, ohne daß Berlin die Sache anregt und in die Hand nimmt. Meine Herren, Sie wiſſen, daß in Berlin Strömungen vorhanden und mächtig ſind, welche der Stadt Berlin in weiten Kreiſen den Ruf eingetragen haben, eine der rückſtändigſten Städte nicht nur in Europa, ſondern in Deutſchland zu ſein. (Heiterkeit.) Ich will hier nicht unterſuchen, in wie weit dieſer Ruf berechtigt iſt: aber daß Berlin auf dem Gebiete der Arbeitsloſenfürſorge vorgehen würde, ohne daß günſtiger gelegene Kommunen den Anſtoß gegeben haben, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, daß der Berliner Magiſtrat auch nur in der Beobachtung dieſer Verhältniſſe ſo weit geht, als ich es von unſerem Magiſtrat annehmen zu können glaube. Darum meine ich, gerade weil Charlottenburg keine ausgeſprochene Arbeiterſtadt iſt, gerade weil es in einer beſonders günſtigen Vermögenslage gegen⸗ über allen größeren Berliner Vororten ſich befindet, gerade deswegen wäre es ein nobile officium Char⸗ lottenburgs, auf dieſem Gebiete voranzugehen und dadurch erſt den Anſtoß zu einer ähnlichen Be⸗ wegung und zu ähnlichen Einrichtungen in Berlin zu geben. Meine Herren, der Charlottenburger Magiſtrat hat lange Zeit in dem Rufe geſtanden, liberaler — oder ich will lieber ſagen: auf ſozialem Gebiete fortgeſchrittener zu ſein als die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung, und ich glaube, dieſer Ruf war berechtigt. In der Tat iſt es nicht immer die Mehrheit der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung geweſen, (Heiterkeit) welche den Magiſtrat auf ſozialem Gebiete vorwärts zu drängen geſucht hat. Mehrfach ging die An⸗ regung vonſeiten des Magiſtrats aus, und die Stadtverordnetenmehrheit mußte oft recht ſehr gedrängt werden, um dem Magiſtrat zu folgen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, mit dem Jahre 1908 beginnt in Charlottenburg eine Herrſchaft der liberalen Partei innerhalb der Stadtverordnetenverſammlung. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte wünſchen, daß dieſe Herrſchaft nicht dazu führt, Charlottenburg in einen ähnlichen Ruf zu bringen, wie Berlin ihn in weiten Kreiſen genießt. 8 (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte im Gegenteil wünſchen, daß Charlotten⸗ burg unter dieſer Herrſchaft auch den Ruf ver⸗ liert, daß die Mehrheit ſeiner Stadtverordneten⸗ verſammlung erſt des Drängens des Magiſtrats bedarf, um auf ſozialem Gebiete vorwärts zu kommen.