Im Vergleich zu den früheren Kriſenjahren hat der diesjahrige November noch durchaus keine beängſtigende Verſchlechterung der Lage des Arbeitsmarktes gebracht. Meine Herren, auf den November fo der Dezember, und nun gehe ich auf die 3 Herrn Dr Borchardt ein: auch der Deze meines Erachtens keine ungünſtigeren Zahlen ge⸗ bracht als der November. Ich will mich lediglich auf dieſen Satz beſchränken. Wir haben unſerer Beobachtung des Arbeitsmarttes auch diesmal das⸗ jenige Material zu Grunde gelegt, das auch Herr Dr Jaſtrow ſtets hier vor Ihnen entwickelt hat, nämlich die Bewegung bei den Krankenkaſſen und die Ausweiſe des Arbeitsangebotes bei unſerem Arbeitsnachweis. Wir hatten im November 1907 bei den Krankenkaſſen und eingeſchriebenen Hilfs⸗ kaſſen in Charlottenburg auf 1000 Einwohner gerechnet einen Beſtand an Arbeitern von 174, der im Monat Dezember auf 169 heruntergegangen iſt gegen 175 im Vorjahre. Der höchſte Stand des Krankenkaſſenbeſtandes an Arbeitern war im Ottober 1907 mit 186 vorhanden gegen 177 im September und Oktober 1906. Gegenüber den Höchſtzahlen des Jahres 1906, das als ein beſonders günſtiges angeſehen werden muß, beſteht alſo nur eine Einbuße von § Arbeitern auf 1000 Einwohner. Wenn wir aber anerkennen müſſen, daß die Jahre 1905, 1906 und 1907 überhaupt außerordentllch günſtige Induſtriejahre geweſen ſind, ſo wird es nicht unberechtigt erſcheinen, wenn wir einmal auf die⸗ jenigen Jahre zurückblicken, die als ſogenannte Kriſenjahre bekannt ſind: das ſind die Jahre von 1900 bis 1903. Dort werden wir finden, daß im Dezember durchweg der Beſtand der bei den Krankenkaſſen eingeſchriebenen Arbeiter erheblich hinter dem von 1906 und 1907 zurückgeſtanden hat; die Zahlen ſind nämlich für dieſe Jahre 135, 130, 137 und 144 eingeſchriebene Krankenkaſſenmitglieder auf 1000 Einwohner; 1904 ſtieg die Zahl dann auf 154 und 1905 auf 168. Auch der Überſchuß des Arbeits⸗ angebotes beim ſtädtiſchen Arbeitsnachweis iſt in teiner Weiſe beängſtigend: auf 100angemeldete freie Stellen ſind vorhanden geweſen im Jahre 1907 im November 171, im Dezember ſogar nur 147 An⸗ gebote. (Stadtv. Ur Borchardt: Das iſt eine ganz andere Entwicklungszeit!) Hiernach iſt alſo eine Verſchlechterung jedenfalls nicht eingetreten. Zugegeben muß allerdings werden, daß ſich im Dezember faſt regelmäßig ein Nachlaſſen des Angebotes herausgeſtellt hat gegen⸗ über im November. Wenn Sie aber weiter finden, daß im Jahre 1902 freie Stellen ein Angebot von 302, in den Jahren 1901 und 1900 von 239 und 188 Stellenſuchenden und in den entſprechenden Novembern von 264, 331 und 216 vorhanden war, ſo werden Sie jeden⸗ falls nicht ſagen können, daß das Jahr 1907 ein außergewöhnlich ungünſtiges iſt. Meine Herren, wir haben, um Ihnen das ganz anſchaulich zu machen, zunächſt allerdings für die Arbeiten des Ausſchuſſes und des Magiſtrats eine große Anzahl — ich glaube, es ſind mindeſtens fünf — graphiſche Tafeln angefertigt, aus denen die Steigerung der Kurven der Arbeitsgelegenheiten für die letzten ſieben Jahre, vom Jahre 1900 ab, deutlich erſichtlich iſt, und jedem, der auch nur einen flüchtigen Blick auf dieſe Kurven wirft, tann gar kein Zweifel auftommen, daß es zum 1 1 gt allerdings ob und in w ahlen des iſt, mber hat merkſ 2 — mindeſten weſentlich übertrieben iſt, wenn man wenigſtens zur Zeit von einem beſonderen Notſtand ſprechen will. Meine Herren, was nun die Frage anbetrifft, elchem Maße die Kommune verpflichtet olchen Zuſtande mehr als ihre Auf⸗ amteit zu widmen und unter Umſtänden helfend einzugreifen, ſo möchte ich doch zunächſt — und ich ſcheine mich da ja mit dem Herrn Stadtv. Dr Borchardt in Übereinſtimmung zn befinden — betonen, daß, ohne etwas von unſeren früheren Erklärungen nach der Richtung hin abſchwächen zu wollen, in erſter Linie doch natürlich es Gebot der Selbſthilfe der Arbeiterſchaft iſt, ſich gegen die Folgen der Arbeitsloſigkeit zu ſchützen, und es iſt ſehr erfreulich, daß die Arbeiterorganiſationen in der Lage geweſen ſind, ſo erhebliche Summen, wie Herr Dr Borchardt ſie hier vorgetragen hat, im Wege der Selbſthilfe aufzubringen. Ich glaube, es wäre ein ſehr nachteiliges Vorgehen, wenn durch ſpontanes Eingreifen der Kommunalverwaltung an einem ſ z. B. im Dezember auf 100 ſ dieſem geſunden Triebe der Selbſthilfe etwas ge⸗ ändert werden ſollte. Vorläufig, wie geſagt, iſt die Selbſthilfe jedenfalls noch dasjenige Mittel, auf das man die Arbeiterſchaft im gegenwärtigen Augenblicke hinweiſen, kann, ohne irgendwie ſoziale Pflichten dabei zu vernachläſſigen. Was nun endlich die ſchwierigſte Frage anbe⸗ trifft, mit welchen Mitteln man die Arbeitsloſig⸗ teit bekämpfen ſoll, ſo möchte ich nur darauf hin⸗ weiſen, daß vor wenigen Wochen erſt Herr Ober⸗ bürgermeiſter Adickes in der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung von Frankfurt a. M. geſagt hat: das Gebiet der Arbeitsloſigteit gehört zu denen, bei⸗ denen leichter Fragen geſtellt, als Antworten ge⸗ geben werden können, (Sehr richtig!) und ich glaube auch, bei aller Mühe, die Herr Stadtv. Dr Borchardt ſich gegeben hat, uns hier ſchon ein Programm der Arbeitsloſenfürſorge zu entwickeln, iſt ihm das doch nur ſehr ſchwach gelungen. Der Hinweis wenigſtens auf die paar Städte, die bereits taſtende Verſuche auf dieſem Gebiete ge macht haben, iſt meiner Anſicht nach in keiner Weiſe überzeugend, daß das der richtige Weg iſt, oder ich will ſagen: daß man auf dieſem Wege zu dem Ziele gelangt, das Herrn vr Borchardt vorſchwebt. Be kannt ſind ja die beiden Arbeitsloſenkaſſen in Leipzig und Köln, die, wie Herr Dr Borchardt ſehr richtig geſagt hat, auch nur eine Zubuße zu den Leiſtungen der Arbeiterorganiſationen geben. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Wenn im übrigen daneben noch Straßburg mit einen 5000 ℳ erwähnt worden iſt, ſo glaube ich, das iſt tatſächlich ein ſo minimaler Verſuch, daß er hier noch kaum als Vorbild bezeichnet werden kann. In München und — wenn ich recht verſtanden habe — Dresden iſt man der angeblichen Idee näher ge⸗ getreten. (Zuruf bei den Sozialdemokraten⸗ Dresden nicht!) Ja, damit iſt meiner Anſicht nach auch noch recht wenig gewonnen. Nun hat aber Herr Dr Borchardt ſchließlich doch ſelbſt noch ein ſehr weſentliches Moment gegen eine einſeitige Charlottenburger Aktion auf dieſem Ge⸗ biete vorgetragen: das iſt eben der Groß⸗Berliner Geſichtspunkt. Er iſt ſo in die Augen ſpringend, daß er hier in meiner Nachbarſchaft ſchon erörtert wurde, bervor Herr Dr Borchardt ihn ſelbſt beſprach Meine Herren, ich will hier nicht eingehen auf die