42 Herren, fällt ein großer Teil der Aufgaben, wie ich ſie ſtizziert habe, ganz einfach in den Rahmen der Angelegenheiten, die wir überhaupt als ſtädtiſche Angelegenheiten zu betrachten und zu behandeln haben. Da ſollte ich auch meinen, daß die Leute, welche dem Vertrauen der Bürgerſchaft — und das ſind doch eben die Intereſſenten — ihre ganze Macht und ihren Einfluß auf dieſe Unter⸗ nehmen verdanken, welche in ſtändigem Konnex mit dieſen ihren Auftraggebern, eben den Inte⸗ reſſenten leben, mehr geeignet wären, ſolche Fragen richtig zu prüfen und zu beurteilen, als ein Direk⸗ torium und ein Aufſichtsrat, die einer General⸗ verſammlung von Leuten unterſtehen, die mit den betreffenden Orten oft gar nichts zu tun haben, und die die Mängel und Schäden, welche eventuell der Verkehr aufweiſt, überhaupt nicht kennen oder wenigſtens nicht ſo, wie diejenigen, welche die Ver⸗ kehrsmittel täglich benutzen. Kommen Sie nun, meine Herren, wie ich hoffe, zur Bejahung dieſer erſten Frage, ſind Sie mit mir der Anſicht, daß es wünſchenswert iſt, daß die Stadt Charlottenburg zu irgend einem Zeit⸗ punkt den Straßenbahnverkehr in eigene Regie nimmt reſp. ihre Rechte dem Verkehrsverbande überträgt, ſo haben wir uns weiter mit der Frage zu beſchäftigen: können wir dieſes Ziel auf dem Wege des Zweckverbandes erreichen? Da, meine Herren, werden Sie mit mir viel leichter noch über⸗ einſtimmen, wenn ich Ihnen ſage: nur auf dieſem Wege iſt es zu erreichen, einen anderen Weg gibt es nicht! Um das zu begründen, muß ich Sie daran erinnern, wie Sie aus der Vorlage erſehen haben, daß der für den Augenblick zu erreichende Zweck dieſes Verkehrsverbandes noch nicht dasjenige iſt, wovon ich vorhin geſprochen habe, ſondern daß dieſer Verband im Augenblick noch gewiſſe andere Aufgaben zu erfüllen hat. In der Vorlage des Magiſtrats iſt von einer Ohnmacht geſprochen worden, in der ſich die einzelne Kommune gegen⸗ über der feſtgeſchloſſenen Einheit der Verkehrs⸗ unternehmen befindet. Es iſt geſprochen worden von unerträglichen Zuſtänden, die ſich auf dieſe Weiſe herausgebildet hätten. Ich will gar nicht unterſuchen, ob die Schuld hieran nun gerade in der augenblicklichen Leitung der Geſellſchaften liegt. Es iſt ja erſichtlich, daß derartige Mißſtände ſich immer dann einfinden müſſen, wenn einer feſtgeſchloſſenen Einheit eine Anzahl von Kompa⸗ renten gegenüberſteht, die mit einander gar nicht die geringſte Fühlung haben. Meine Herren, das ſoll ausgeſchaltet werden. Der feſt geſchloſſenen Einheit der kaufmänniſchen Leitung ſoll die feſt⸗ geſchloſſene Einheit der Verkehrsintereſſenten gegenübergeſetzt werden und auf dieſe Weiſe ſchon erreicht werden, daß bei den noch weiter zu pflegen⸗ den Verhandlungen eben das Intereſſe der Ver⸗ kehrsintereſſenten beſſer gewahrt wird, als es bis⸗ her der Fall war. Zweitens ſoll durch den Zu⸗ ſammenſchluß, und zwar möglichſt ſofortigen Zu⸗ ſammenſchluß verhütet werden, daß nicht dieſe oder jene Gemeinde, um dieſe oder jene Konzeſſion von der Großen Straßenbahn zu erlangen, be⸗ ſondere Vorteile dem Unternehmen einräumt, Vor⸗ teile, die ſpäter zum Schaden und zum Nachteil des geſamten Ganzen ſehr in die Wagſchale fallen müſſen, wenn es heißt, einmal von dem über⸗ nahmerecht Gebrauch zu machen. Und endlich ſoll dieſer Verband — und ich lege darauf faſt den meiſten Wert — einen gewiſſen moraliſchen Ein⸗ druck nach den verſchiedenſten Seiten machen: zu⸗ erſt auf die Geſellſchaften als ſolche, wie ich das bereits ausgeführt habe. Zum zweiten aber — auch das wiſſen Sie aus den Ausführungen des Magiſtrats, und Sie kennen das auch aus den Verhandlungen, die in der Berliner Stadtver⸗ waltung ſo oft geſpielt haben — iſt es dringend nötig, einen möglichſt ſtarken Eindruck auf die der Straßenbahn vorgeſetzten Behörden zu machen: das iſt der Polizeipräſident und das iſt das Miniſte⸗ rium der öffentlichen Arbeiten. Meine Herren, augenblicklich liegt die Sache ſo, daß dieſe beiden Behörden befugt zu ſein glauben, dem Intereſſe der Stadt Berlin das Intereſſe des größeren Verkehrs gegenüberzuſtellen, und daß ſie eben aus dieſem letzterwähnten Intereſſe her⸗ aus die Wege und Ziele der Stadt Berlin kon⸗ terkarieren. Ich glaube aber, daß jedes Recht hierzu wegfällt, wenn ſie ſehen, daß die große Mehrheit der Verkehrsintereſſenten hier nun ge⸗ meinſam mit Berlin vorgeht und gemeinſame Ziele zu erreichen wünſcht. Dann fällt allerdings jeglicher Grund fort, für das Intereſſe eines un⸗ bekannten X., das nun nicht mehr größer iſt als das hier vertretene, ſich in die Schanze zu legen. Endlich, meine Herren, haben wir zu prüfen, ob es nötig iſt, dieſen Zweckverband ſchon jetzt zu gründen. Man kann darüber ſtreitig ſein, weil Sie ja wiſſen, daß bis zu der endgültigen Erfüllung dieſes Zweckverbandes, bis zur Übernahme der Straßenbahnen in ſtädtiſche Regie noch viele Jahre verfließen werden. Aber trotzdem iſt es nötig, ſchnell vorzugehen, ſo ſchnell wie irgend möglich, und das wird Ihnen klar werden, wenn ich Ihnen aus den Akten ein wenig erzähle, wie eigentlich die hiſtoriſche Entwicklung der Ereigniſſe geweſen iſt, und auf welche Motive hin man ſich überhaupt ver⸗ anlaßt geſehen hat, zuſammenzutreten und Sta⸗ tuten für einen Zweckverband auszuarbeiten. Meine Herren, am 27. September 1905 er⸗ ging an unſeren Magiſtrat ein Schreiben, deſſen einen Teil ich Ihnen im Wortlaut verleſen möchte. Der erſte Teil handelt von dem bekannten Projekt, die Leipziger Straße zu untertunneln und auf dieſe Weiſe die Verkehrswege in Berlin zu ver⸗ beſſern. Das Schreiben fährt dann fort: Hierzu gehört, daß die Stadtgemeinde Charlottenburg uns für den Bau und Betrieb der neu geplanten Anlagen die kleinbahn⸗ geſetzliche Zuſtimmung auf die Dauer von 90 Jahren erteilt und zugleich für denſelben Zeitraum das Recht der Benutzung der in ihrer Unterhaltung befindlichen uns bisher zum Straßenbahnbetriebe überlaſſenen Straßen, Brücken und Plätze einräumt. Meine Herren, das iſt nicht wenig, was man hier fordert. Der Plan, den die Große Berliner Straßenbahngeſellſchaft vorlegt, erſcheint vielleicht ziemlich harmlos, er iſt aber, wenn wir uns die Konſequenzen ausmalen, von ungeheurer und weittragendſter Bedeutung. Man könnte an das Dichterwort denken: „Wär' nur der Plan nicht ſo verwünſcht geſcheit, man wär' verſucht, ihn herz⸗ lich dumm zu nennen“! Bedenken Sie nur, meine Herren, was es heißt: auf 90 Jahre überhaupt den Einfluß auf die Geſtaltung der Verkehrsverhältniſſe aus den Händen zu geben einzig und allein des⸗ wegen, weil in Berlin eine Verkehrsverbeſſerung vorgenommen werden ſoll, über deren Wert oder Unwert die Meinungen noch überaus geteilt ſind.