48 Die Gaſtwirte werden gezwungen ſein, ſchließlich der Alkoholismus zu Hauſe. Alſo, meine Herren, dazu überzugehen, dem Publikum ſchlechtere Ware wair fänd vereit, mit Ihunen den anzubieten. Es wird ſtatt des Bieres wieder der Kampf gegen den Alkoholismus Schnapsgenuß überhand nehmen, und zwar der zu führen. Schnapsgenuß in ſeiner allerſchädlichſten Form. (Bravo!) Die Leute werden ſtatt der guten Ware, die ſie bisher Aber nicht in der Weiſe, wie Sie es wollen, bekommen haben, ſchlechte Ware geliefert erhalten. durch Strangulierungsſteuern, ſondern indem wir Ein Grund, den der Magiſtrat anführt, iſt Aufklärung in der Arbeiterklaſſe verbreiten, und ſcheinbar ſtichhaltig, nämlich der Hinweis auf den indem wir dafür ſorgen, daß die ſo zialen Aufwand an Arbeit für die Prüfung der Kon⸗ Verhältniſſe von Grund aus ge⸗ zeſſionsgeſuche. Ja, meine Herren, gewiß erfordert beſſert werden. das Arbeit; aber ich weiß nicht, ob dieſe Arbeit Die Vorlage, in der ſich ja überhaupt der ſo groß iſt, daß ſie mit ½ Million jährlich bezahlt Magiſtrat von einer ganz neuen Seite produziert, werden muß. Sollte das der Fall ſein, ſo wünſchte von der ich ihn bisher noch nicht kennen gelernt ich mir nichts ſehnlicher, als nur ein einziges Jahr habe, nämlich als eine Art Zahlenjongleur, die lang alle Konzeſſionsgeſuche zu prüfen. Ich Vorlage rechnet ſogar heraus, daß die Gaſtwirte würde mich dann zur Ruhe ſetzen können. (Heiterkeit.) Auf die allgemeinen Wirkungen der Steuer in ſittlicher Hinſicht will ich hier nicht eingehen. Das wird von einem meiner Freunde nachgetragen werden. Ich möchte nur kurz darauf hinweiſen, daß das, was der Herr Berichterſtatter angeführt hat, nämlich die angebliche Bekämpfung des Al⸗ koholismus, durch die Steuer nicht erreicht wird. Der Herr Referent hat auf die Verhandlungen des Eſſener Parteitages hingewieſen. Ob er ſie aus⸗ führlich geleſen hat, weiß ich nicht; nach dem, was er hier angeführt hat, möchte ich daran zweifeln. Meine Herren, in dem Referat auf dem Eſſener Parteitag über Alkoholismus hat der Referent den Standpunkt eingenommen, den meine Partei⸗ freunde von jeher eingenommen haben. Wir haben nämlich immer die Wechſelwirkung zwiſchen Alko⸗ holismus und Not betont. Wir ſtehen nicht auf dem Standpunkt — und die Erfahrung gibt uns darin Recht —, daß unbedingt immer der Alkoholismus das Primäre und die wirtſchaftliche Not das Se⸗ kundäre iſt, ſondern vielfach trifft gerade das Umgekehrte zu: vielfach treibt erſt die wirtſchaftliche Not die Leute in die Kneipen, namentlich die Wohnungsnot. Der Umſtand, daß die Leute, wenn ſie nach Hauſe kommen, keine vernünftige Wohnung haben, treibt ſie dazu, den Abend außerhalb ihres Heims zu verbringen. Auch die Unterernährung ſpielt eine ganz gewaltige Rolle in der Frage des Alkoholismus. Es ſpielen hier tauſend Momente mit, auf die ich natürlich nicht alle eingehen kann. Wenn man wirklich dem Alkoholismus zu Leibe gehen will, dann ſoll man es nicht durch derartige Prohibitivſteuern tun, Prohibitivſteuern, die be⸗ kanntlich ſich dadurch auszeichnen, daß ſie niemals prohibitiv wirken, ſondern dann ſoll man die ſo zialen Veryältniſſe veſſern, dann ſoll man dafür ſorgen, daß die Arbeiter⸗ klaſſe ſich anſtändig ernähren kann, dann ſorge man dafür, daß die Arbeiter⸗ klaſſe vern ünftig wohnt, dann ver⸗ breite man vor allen Dingen Auf klärung in der Arbeiterklaſſe. Ein wie wichtiges Moment gerade die Aufklärung im Kampfe gegen den Alkoholismus bildet, das bedarf keines Be⸗ weiſes weiter. Sie brauchen nur einmal einen Vergleich anzuſtellen zwiſchen dem Alkoholkonſum in Städten mit einer kräftigen, organiſierten Arbeiterſchaft und in den Städten, wo die Arbeiter noch nicht ſich organiſiert haben, in den Gegenden, wo die Arbeiter für nichts Intereſſe haben, wo ſie überhaupt keiner Frage des öffentlichen Lebens irgendwelches Intereſſe entgegenbringen. Da iſt von der Steuer noch Vorteile haben werden. (Sehr richtig!) Das iſt mir ganz neu. Ich habe bisher noch nicht gefunden, daß jemand bei einer Steuer noch etwas verdient, außer denjenigen, die die Steuer erheben; daß diejenigen, die die Steuer zahlen, davon noch Vorteile haben, iſt mir etwas ganz Neues, und ich bin ſehr begierig darauf, wie der Magiſtrat dieſe Behauptung begründen wird. Wenn dann der Magiſtrat darauf hinweiſt, wie ſittlich gefährdet die Kinder der Gaſtwirte dadurch ſind, daß es an den nötigen Räumen fehlt, daß ſie ſich in der Wirſchaft aufhalten müſſen und dergl., ja, dann ſollte er nicht vergeſſen, daß gerade durch dieſe Steuer die kleinen Gaſtwirte gezwungen werden, ſich in ihren Wohnungsverhältniſſen noch mehr einzuſchränken. Das Übel alſo, das er be⸗ kämpfen will, wird in weit höherem Maße noch graſſieren als jetzt. Nun, meine Herren, haben ja auch — nicht die Vorlage und auch nicht der Herr Referent, aber doch in Privatgeſprächen — verſchiedene unſerer Herren Kollegen es ſo dargeſtellt, als ob der Alkoholismus eigentlich eine Krankheit iſt, die ſich hauptſächlich oder ausſchließlich in der Arbeiter⸗ ſchaft findet. In Wirklichteit iſt das nicht der Fall. Ich brauche Ihnen das nicht näher auszuführen. Es gibt keine Klaſſe der Bevölkerung, die davon verſchont iſt, und wer ſich frei fühlt, der möge den erſten Stein werfen. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, es ſoll ſogar ſehr ehrſame Stadtväter geben, die ſich als ganz trinkfeſte Herren erwieſen haben. (Erneute Heiterkeit.) Der Magiſtrat hat allerdings in letzter Zeit in dieſer Hinſicht viel zu wünſchen übrig gelaſſen. (Große Heiterkeit.) Ich will die Gründe nicht näher unterſuchen. Wenn man aber dieſe Vorlage ſich anſieht und die ſonſtigen Verhältniſſe berückſichtigt, dann könnte man, wenn man boshaft ſein wollte, was ich natür⸗ lich nicht bin, zu dem Ausſpruch kommen: hine illae lacrimae (Große Heiterkeit.) Meine Herren, der ſpringende Punkt der ganzen Vorlage iſt der, daß der Magiſtrat Geld braucht. Das fühle ich ihm nach. Aber wenn man Geld braucht, dann ſoll man doch nicht zu derartigen Mitteln greifen und eine Sonderſteuer für eine beſtimmte Klaſſe der Bevölkerung erlaſſen, ſondern da ſoll man ſämtliche Kreiſe der Bevölkerung gerecht in gleicher Weiſe beſteuern. Aber davon will der Magiſtrat anſcheinend nichts wiſſen. Meiner