5 1 Herren, wenn immer davon geſprochen wird, daß durch die Steuer der Alkoholgenuß vermindert werden ſoll, ſo meine ich, daß doch die nächſte Folge der Abnahme der Wirtſchaften nicht ohne weiteres die iſt, daß die Leute weniger Bier oder Schnaps trinken, ſondern die, daß ſie ſich an die übrig bleibenden Wirtſchaften wenden, und damit würde das eintreffen, was unſerer Überzeugung nach durch die Steuerpolitik nicht gewaltſam verhindert werden kann, was aber noch weniger durch ſie ge⸗ fördert werden darf, nämlich die fortſchreitende Entwicklung zum Großbetriebe. Dann hat der Herr Referent aus der Be⸗ gründung des Magiſtrats mit einer gewiſſen Zu⸗ ſtimmung hervorgehoben, daß durch die Steuer ein Beitrag zu den Koſten des Stadtausſchuſſes geleiſtet werden würde. Da kann ich Herrn Kolle Hirſch nur Recht geben, daß dieſes Argument, unter Umſtänden eine gewiſſe Berückſichtigung beanſpruchen darf, doch keinesfalls die Auferlegung einer Steuer rechtfertigt, die ihrer Art und ihrem Umfange nach außer jedem Verhältnis zu den Koſten ſtände, die etwa auf den einzelnen Kon⸗ zeſſionsempfänger entfallen. Ferner iſt von dem Herrn Referenten in Übereinſtimmung mit der Magiſtratsvorlage dar⸗ auf hingewieſen worden, daß in einer Reihe von Städten dieſe Steuer eingeführt worden iſt. Nun, meine Herren, das ſind im großen Preußiſchen Staate glücklich 10 Städte. Die Magiſtratsvorlage erwähnt noch, daß weiter in ganzen 2 Städten eine ſolche Steuer ſich in Vorbereitung befinde. Wenn man da auch nur ganz ungefähr ſich ver⸗ gegenwärtigt, welche Unzahl von Städten die Steuer nicht hat, und wenn uns der Magiſtrat vielleicht noch geſagt hätte, wo die Steuer zwar geplant, aber nicht zur Einführung gelangt iſt, wo ſie glatt abgelehnt worden iſt, dann würde das das Bild doch wohl ſo verändern, daß wir zu dem Reſultate kämen: nur ſehr wenige, relativ und abſolut ſehr wenige Gemeinden ſind bisher mit dieſer Steuer beglückt worden, und wir haben ganz ſicherlich in Charlottenburg keinen Grund, grade dieſen Ausnahmen nachzueifern. So viel über die Begründung des Magiſtrates, nachdem in dieſer Beziehung ſchon Herr Kollege Hirſch manches vorweggenommen hat. Ich komme nun zu den tatſächlichen Folgen, die meiner Überzeugung nach die Steuer haben würde. Da iſt zunächſt, was ja auch die Magiſtrats⸗ vorlage zugibt, die Erſchwerung neuer Exiſtenzen. Meine Herren, es mag ja zutreffen, daß es nicht wünſchenswert iſt, daß in allzu großem Umfange ſich Leute ohne die genügende Qualifikation dem Gaſtwirtsgewerbe zuwenden. Aber auf der anderen Seite wäre es doch ſehr verfehlt, den Weg einfach zu verſperren und jungen Exiſtenzen, die von Hauſe aus unbemittelt ſind, es durch eine derartige, ich möchte ſagen plutokratiſche Steuer unmöglich zu machen, überhaupt dieſem Berufe nachzugehen, in dem ſie doch unter Umſtänden durchaus Er⸗ ſprießliches leiſten und es zu etwas bringen können. Wenn aber weiterhin der Magiſtrat beklagt, daß bereits unter den vorhandenen Wirten vielfach ein Notſtand herrſcht, der zu unerquicklichen Verhält⸗ niſſen führt, ſo meine ich, daß jene Verhältniſſe durch die Mehrbelaſtung künftig ſich nur verſchärfen gen das weil ſie das Geld zu der Steuer nicht haben, es würden viele das Geld ſich zu verſchaffen ſuchen, und ſie würden es ſich verſchaffen, entweder in⸗ dem ſie noch tiefer, als es ſo ſchon geſchieht, in die Abhängigkeit der Brauereien ſich begeben, oder indem ſie ſich noch mehr einſchränken in der Wohnung und anderen Bedürfniſſen. Und dann würde der Zuſtand, den der Magiſtrat heute beklagt, ſich noch weſentlich verſchlimmern. Nun ſagt der Magiſtrat, für die be ſte hen⸗ den Gaſtwirte würde die Steuer ein Vorteil ſein. Gewiß kommt die Unterdrückung neuer Exiſtenzen den vorhandenen zu gute; aber die Steuer iſt ja ſo geplant, daß auch die beſtehenden Gaſtwirte un⸗ mittelbar und mittelbar von ihr getroffen werden können. Nach der eigenen Berechnung des Magiſtrats würden von den 675 jährlichen Steuerträgern 175 ſolche ſein, welche die Steuer zu zahlen haben bei einer Verlegung ihres Geſchäftes, alſo be⸗ ſtehende Gaſtwirte. Das iſt ein ſehr großer Prozent⸗ ſatzunter ihnen, dem alſo die Freizügigkeit gemindert würde. Dazu käme die Erſchwerung der Verkäufe von Wirtſchaften durch die Steuer. Ich frage mich unter dieſen Umſtänden vergebens, wo denn hier ein allgemeiner Vorteil für die beſtehenden Gaſt wirte ſein ſoll. Ein Teil von ihnen würde wie ge⸗ ſagt Nutzen haben, ein anderer aber unverdienten Schaden. Meine Herren, ſprechen dieſe cinzelnen Gründe ſchon gegen die Vorlage, ſo ſind von noch ſchwer⸗ wiegenderer Art die prinzipiellen Momente, die ja auch ſchon teilweiſe in der Debatte angedeutet worden ſind. Wir Liberalen haben immer da⸗ gegen Stellung genommen, daß eine agrariſche Regierung, eine agrariſche Reichstagsmajorität die der Allgemeinheit zugute kommenden Laſten überwiegend auf die Berufsſtände von Handel und Induſtrie verteilt, und daß ſie aus Handel und Induſtrie wiederum einzelne Gewerbe her⸗ auszuſuchen beliebt, um ſie ganz beſonders zu be⸗ laſten. Ich glaube nicht, daß die Städte gut tun, wenn ſie dieſem Beiſpiele folgen; ich glaube am allerwenigſten, daß die Städte recht handeln, gerade dasjenige Gewerbe herauszugreifen, das jetzt ſchon ganz unverhältnismäßig ſtark belaſtet iſt, welches unter einer großen Reihe von Sonder⸗ laſten leidet, die man erleichtern, aber unter keinen Umſtänden vermehren ſollte. Wenn nun der Magiſtrat und der Herr Referent betont haben, daß hier im Kampfe gegen den Al⸗ koholismus ein Schritt vorwärts gemacht werden ſoll — meine Herren, von vornherein bin ich immer ſehr ſteptiſch, ſo oft man Steuerpläne mit der⸗ artigen moraliſchen Motiven verbrämt — aber ich glaube auch nicht, daß praktiſch dieſer Effekt auf dieſem Wege erreicht werden kann. Ich glaube nicht, daß der Alkoholismus dadurch beſchränkt werden würde. Ich würde aber, ſelbſt geſetzt es wäre der Fall, nicht der Meinung ſein, daß eine ungerecht wirkende Steuer als Mittel im Kampfe gegen den Alkoholismus ſtatthaft iſt, ſondern ich ſtimme ganz dem Herrn Kollegen Hirſch zu, daß dazu die Volksaufklärung und die Volksbildung und die ſoziale Hebung des Volkes dienen müſſen. Wenn Herr Kollege Hirſch damit geſchloſſen hat, er hoffe, dieſer Entwurf werde im Ausſchuſſe eine ſolche Geſtalt finden, daß das Plenum ein⸗ ſtimmig dagegen ſtimmen wird, ſo erwarte i ch zuverſichtlich, daß der Ausſchuß ſchon dazu ge⸗ würden. Es würden nicht alle, welche die Abſicht haben, Gaſtwirt zu werden, dieſen Plan aufgeben, — langen wird, die Steuer abzulehnen, und daß wir