Meine Herren, es gibt aber noch andere ſehr bedenkliche Nebenerſcheinungen bei dieſem Gaſt⸗ wirtsgewerbe, die Ihnen allen bekannt ſind. Ich muß ſagen, ich bin eigentlich erſtaunt, hier von Volksökonomen zu hören, als ob dieſer Vorſtoß gegen die Auswüchſe, gegen die bedenklichen Nebenerſcheinungen des Schankgewerbes etwas ganz Neues ſei. Wie oft haben wir ſchon Jahre hindurch es beklagt, daß wir unter dieſen bedenk⸗ lichen Nebenerſcheinungen des Schankwirtgewerbes leiden, und zwar gerade die minderbemittelte Be⸗ völkerung und der Mittelſtand. Das ſind die böſen ſogenannter Animierkneipen, die Kneipen mit Damenbedienung (obgleich ich überzeugt bin, daß in ſolchen Kneipen noch niemals eine Dame ge⸗ weſen iſt); das ſind die automatiſchen Glücksſpiele, die aufgeſtellt werden, um dem ſchlechten Geſchäfts⸗ Darin liegt eine große Ge⸗ fahr für eine Unmaſſe von jungen, unbedachten betriebe aufzuhelfen. Leuten, die in dieſe Animierkneipen kommen, ſich unter die Wirkung des Alkohols ſetzen laſſen, dann nachher die Herrſchaft über ihren Willen verlieren und Geldausgaben weit über ihre Kräfte machen, Ausgaben, die nachher zu Schulden führen, welche Tatſache dann wieder im Gefolge hat, daß ſo mancher ſtrauchelt und einen Griff in die Taſche ſeines Prinzipals oder ſeines Nachbarn oder in die Erſparniſſe ſeiner Mutter oder Schweſter macht. All das ſind Dinge, die wir ſeit Jahren auf das lebhafteſte beklagen. (Sehr richtig!) Und nun kommen die Herren, die großen National⸗ ökonomen, und tun ſo, als ob ſie von der Sache überhaupt nie etwas gehört haben, als ob der Ver⸗ ſuch, gegen dieſe böſen Schäden unſerer Volks⸗ wirtſchaft anzukämpfen, etwas Unerhörtes ſei, (Widerſpruch) als ob der Magiſtrat, weil er ſolche Vorlage mache, gar nicht mehr in der realen Welt lebe! Ich be⸗ haupte, daß diejenigen Herren, welche hier ſo flammende Reden gegen den von uns vorge⸗ ſchlagenen Verſuch halten, auf dem Boden der Theorie ſtehen und ſich von dem Boden der prak⸗ tiſchen Erfahrung entfernen, auf den ſich jeder Menſch ſtellen muß, der im Leben wirken will. Meine Herren, Sie werden ſich doch nicht ver⸗ hehlen können — und hiermit komme ich auf die hygieniſche Seite der Sache —, daß dieſe Über⸗ zahl von Kneipen, dieſe 1600 Kneipſchankſtellen, auf unſere Einwohnerzahl von 260 000 Seelen — Seelen, doch nicht ſoviel Leute, die gewohnt ſind, Bier in Kneipen zu trinken—, eine Förderung des übertriebenen Alkoholismus bedeutet. Ich habe mich gewundert, heute in Herrn Hirſch einen Förderer des Alkoholismus zu finden. (Heiterkeit. Stadtv. Hirſch: Was?) Ein gewiſſer geſunder Alkoholismus — das geht ja auch ſchon aus dem Beiwort hervor — iſt nicht ſchädlich, aber der übertriebene Alkoholismus iſt zweifellos ſchon dadurch geſundheitsſchädlich, daß ihm in einer großen Anzahl untontrollierbarer nicht gut geleiteter Kneipen gefröhnt wird, Kneipen, die nicht von ſolchen Leuten geführt werden, die auch das moraliſche Gewicht haben, tüchtige Gaſt⸗ wirte zu ſein. Denn es gehört eine gewiſſe mo⸗ raliſche Kraft dazu, um Leiter einer guten Gaſt⸗ wirtſchaft zu ſein. Wenn nun eine Anzahl von ſolchen Gaſtwirtſchaften aufgetan werden, die dieſe erſorderliche Qualität bei ihren Leitern ver⸗ 53 miſſen laſſen, dann iſt in der Tat die Förderung des Alkoholismus die nächſte Folge davon, die Förderung des übertriebenen Alkoholismus, der dahin geht, die Leute, welche in die Kneipe kommen, zu veranlaſſen, ſo viel wie möglich Alkohol zu ge⸗ nießen, damit der Wirt ſoviel wie möglich verdient. Wir werden Ihnen, meine Herren, in der Aus⸗ ſchußberatung, zu der es mit dieſer ernſten Vorlage, wie ich hoffe, kommen wird — trotz der Reden, die bisher dagegen gehalten worden ſind —, ein erſchreckendes ſtatiſtiſches Material über die böſen Begleiterſcheinungen dieſes -Kneipweſens auf dem Gebiete der Geſunheitsverhältniſſe überreichen, ſowohl bezüglich der Inhaber der Kneipen, als namentlich auch des Hilfsperſonals, der Kellner und Kellnerinnen. Es ſind gerade die kleinſten Kneipen, die ihre Angeſtellten am meiſten aus⸗ nutzen, die ihnen eine koloſſale Arbeit, Tag und Nacht, bis in die Morgenſtunden hinein zumuten, wo das Hilfsperſonal und der Inhaber der Gaſt⸗ wirtſchaft ſelbſt ſich in ganz unzulänglich venti⸗ lierten Räumen Tag und Nacht hindurch aufhalten. Wir werden Ihnen ferner eine Statiſtik über die Sterblichkeits⸗ und Erkrankungsziffern im Gaſt⸗ wirtsgewerbe überreichen. Hier ſpielt namentlich die Tuberkuloſe eine ganz hervorragende Rolle. Es iſt erklärlich, meine Herren, daß in dieſen rauch⸗ durchſchwängerten, von Alkohol durchzogenen und mangelhaft gelüfteten Räumen der Körper de⸗ generiert wird, ſodaß er eine Widerſtandsfähigkeit gegen die Tuberkelbazillen verliert. Es kommt hinzu, daß ein ſolcher Wirt ſich immerwährend dem Alkoholgenuß hingeben muß, um andere zu animieren, was ebenfalls fortgeſetzt ſchwächend wirkt. Wir werden Ihnen nach dieſer Richtung hin erſchreckende Zahlen vorführen. Das Allerſchlimmſte iſt, daß ſich in der heran⸗ wachſenden Jugend, bei den Kindern der Inhaber von Schankſtellen ſehr bedenkliche Erſcheinungen bemerkbar machen. Wenn wir durch die Straßen gehen — ich habe das häufig beobachtet, und Sie werden in derſelben Lage geweſen ſein —, ſehen wir ſehr häufig durch die Fenſter, daß die Kinder der Gaſtwirte in den Kneipen an einem Tiſch ſitzen und Schularbeiten machen. (Sehr richtig!) Die Leiter ſolcher kleinen Kneipen haben nicht das genügende Geld, um ſich ausreichende Wohn⸗ räume für ihre Familie zu ſchaffen, die Kinder ſind alſo gezwungen, Tag und Nacht in den Kneipen unter den Gäſten zu ſitzen. Ganz abgeſehen da⸗ von, daß ſie manches hören, was für das Kinder⸗ ohr nicht geeignet iſt, was ihre Seele nicht fördert, ſondern ſchädigt, leiden ſie an ihrer körperlichen Geſundheit. Es kommt hinzu, daß die Eltern bis tief in die Nacht hinein zu tun haben, daß niemand ſich um das Kind kümmert, niemand es zu Bett bringt, das Kind alſo nicht den nötigen Schlaf hat. Alle dieſe Dinge bringen es mit ſich, daß die Sterb⸗ lichkeits⸗ und Erkrankungsziffern bei den Kindern 1 Gaſtwirte in erſchreckendem Maße zugenommen haben. AAlſo, meine Herren, es iſt in der Tat ein Stück ſozialer Fürſorge, die wir hier zu treiben verſuchen, wenn wir gegen dieſe Mißſtände durch die Ein⸗ ſchränkung der Schankſtellen vorgehen. Wir geben uns darüber gar keinem 3weifel hin, daß es ein end⸗ gültiger Kampf gegen den Alkoholismus nich t ſein wird. Aber wir ſtehen nicht auf dem Stand⸗ punkt, daß wir ſagen: wenn wir nicht alles er⸗