57 Räumen, im Anblick von Trunkenheit und rohen Ausſchreitungen. (Sehr richtig!) Ja, meine Herren, gibt es denn nicht 10 Gerechte in Sodom? Sind denn alle unſere Kneipen nur Stätten des Laſters? Haben wir nicht ſelbſt eine ſehr ſchöne Kneipe, die einem Bedürfnis entſprach, haben wir nicht in dem Rathauſe ſelbſt den Rats⸗ keller mit unſerm Ratsſtübchen erbaut? Iſt eine G a ſt wirtſchaft nicht ein Bedürfnis für jeden, der keine eigene Wirtſchaft führt? Müſſen die Arbeiter, die meinetwegen im Norden oder im Oſten von Berlin wohnen und hier draußen im Weſten auf Bauten beſchäftigt ſind, nicht hier ihre Kneipe haben? Wo ſollen ſie denn eſſen? Trinken ſie denn da bloß Schnaps, bloß Bier? Sie müſſen doch irgendwo etwas zu eſſen be⸗ kommen! Alſo, meine Herren, ſo ſchlimm iſt die Sache nicht. Die Bedürfnisfrage iſt hier noch gar nicht erörtert worden, und dieſe Frage wollte ich gern in die Diskuſſion werfen. Eine Kneipe iſt doch nicht nur eine Stätte der Völlerei und des Laſters. Eine Kneipe iſt doch in ſehr vielen Fällen und wahrſcheinlich in den meiſten Fällen ein Bedürfnis für die Bevölkerung. (Zuruf: Ja, eine gute Kneipe!) Ich werde für die Ausſchußberatung ſtimmen, weil ich eine Prüfung der Vorlage durchaus für geraten halte. Die Vorlage iſt wichtig genug, um ſich mit ihr zu beſchäftigen. Vielleicht wird uns der Ausſchuß etwas Brauchbares bringen. Aber vorläufig, meine Herren, bin ich von der Notwendigkeit und von der Nützlichkeit der Sache weder durch die Ausführungen des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters noch durch die Begründung, die uns der Magiſtrat hier unterbreitet hat, über⸗ zeugt worden. Es ſollen hier Monopole geſchaffen werden, es ſoll ein immerhin freies Gewerbe erſchwert und beſchränkt werden. Dafür kann ich mich aus meiner liberalen Weltanſchauung heraus nicht begeiſtern. (Sehr richtig!) Ich würde, wenn keine beſſere Vorlage geſchaffen wird, dagegen ſtimmen. Vorſteher Kaufmann: Ich teile der Ver⸗ ſammlung mit, daß Herr Kollege Klau in Über⸗ einſtimmung mit den Mitunterzeichnern den An⸗ trag auf namentliche Abſtimmung zurückgezogen hat. (Bravo!) Stadtv. Zietſch: Meine Herren, nachdem eigentlich die Vorlage des Magiſtrats ſchon durch die verſchiedenen Redner mehr als totgeſchlagen iſt, erübrigt es ſich ja für mich, im großen und ganzen näher darauf einzugehen. Aber der Herr Ober⸗ bürgermeiſter hat den Verſuch unternommen, die Leiche noch einmal zu galvaniſieren. Und das nötigt mich dazu, nochmals zu unterſuchen, ob in der Begründung der Vorlage noch irgend⸗ welches wirkliche Leben ſtecken könnte. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte: Wir haben uns ſehr bemüht, ja gequält, um eine neue Steuer für Charlottenburg zu entdecken. Ich meine, das „Quälen“ des Magiſtrats iſt hauptſächlich bei der Zuſammenſtellung der Begründung dieſer Vorlage zu Tage getreten, denn wie Kollege Hirſch ſchon mit Recht ſagte, iſt ſie in der Tat recht gequält zuſammengeſtellt, und es nimmt mich wunder, wenn der Herr Oberbürgermeiſter hier behauptet, daß eine ſolche Steuer noch nicht dageweſen wäre. Er wollte wohl damit ausdrücken, daß eine Steuer in dieſer Gerechtigkeit, in dieſer Zweckmäßigkeit noch nicht dageweſen iſt. Das möchte ich nicht mit dieſer Begründung unterſchreiben. Recht hat ja der Herr Oberbürgermeiſter: eine ſolche Steuer war noch nicht da, d. h. eine Steuer, die ſo un⸗ gerecht, ſo unzweckmäßig und ſo mangelhaft be⸗ gründet iſt wie dieſe, fehlte uns bisher. Ja, wenn man die Begründung des Magiſtrats lieſt, dann muß man unbedingt zu dem Schluſſe kommen, als ſei dieſe Steuer die reine Panacee zur Be⸗ ſeitigung aller ſozialen, hygieniſchen und ſanitären Übelſtände im Gaſtwirtsgewerbe. Ich glaube, was mit dieſem Hinweiſe in der Begründung bezweckt werden ſoll, das läuft in letzter Linie, auf das eine hinaus, das ſtarke Geldbedürfnis, des Magiſtrats zu verdecken. Wir nehmen es ja auch nicht übel, daß der Magiſtrat als oberſte Ver⸗ waltungsbehörde ſich bemüht, neue Steuern zu finden. Wir haben ihm ja auch ſtets gern darin geholfen; nur hat ſich der Magiſtrat mit den Wünſchen meiner Freunde in bezug auf dieſe Fragen nie recht vertraut machen können. Es iſt ferner darauf hingewieſen worden, daß die Entrüſtung, die im Gaſtwirtsgewerbe bei Bekanntwerden dieſer Vorlage ausgebrochen iſt, darauf zurückzuführen ſein könnte, daß vielleicht die Referate in den betreffenden Proteſtver⸗ ſammlungen nicht ſtreng objektiv geweſen ſind. Ich meine, man kann ganz abſehen von dem Streit über objektive oder nicht objektive Referate in jenen Proteſtverſammlungen. Jedenfalls war dieſe Vorlage in ihren Grundzügen ohne weiteres geeignet, bei ihrem Bekanntwerden einen allgemein gerechtfertigten Widerſtand in dem ganzen Gaſtwirtsgewerbe hervorzurufen. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte ferner, wir ſeien recht inkonſequent: einmal ließen wir das öffentliche Wohl walten, ließen es jeden Privatintereſſen vorangehen, ſtellten es über das Intereſſe jeder einzelnen Berufsgruppe, und hier nehmen wir Partei gegen das öffentliche Wohl, für einen einzelnen Stand, nämlich für die Gaſt⸗ wirte. Meine Herren, auch der Vergleich, den der Herr Oberbürgermeiſter unter Anſpielung auf eine Außerung von mir in der vorigen Sitzung beliebt hat, trifft meiner Anſicht nach nicht zu. Bei dem Antrage bezüglich der Zahnklinik handelte es ſich darum, im Intereſſe des Gemeinwohls einzelne Kunden der Zahnärzte auf die Stadt reſp. auf eine ſtädtiſche Einrichtung zu übernehmen. Ich erſehe nicht aus der Vorlage, daß der Magiſtrat die Abſicht verfolgt, den Gaſtwirten Kunden zu entziehen und auf Stadtkoſten den Schankwirten Konkurrenz machen zu wollen. Ich meine, es tritt in dieſer Beziehung keine Ablöſung der Kunden⸗ verſorgung auf Grund der Vorlage ein, ſondern es findet nur eine gewiſſe Ablöſung der Gaſtwirte inſofern ſtatt, als man ihnen durch die Steuer Geld abnimmt — nichts anderes. Wir treten durchaus nicht für einen einzelnen Stand ein, und wir würden auch, ohne Rückſicht darauf, ob hier die beſonderen Intereſſen der Gaſtwirte oder eines anderen Standes in Frage kommen — wenn es ſich um die Verfolgung eines für uns zweifellos