Sollten Sie ſich aber, meine Herren, mit einer Vermehrung der Zahl der Stadtverordneten nicht einverſtanden erklären, dann, meine ich, kommen Sie um die zweite Forderung, die ich in meinem Antrag ſtelle, nämlich um eine gerechte Ein⸗ teilung der Wahlbezirke, auf keinen Fall herum. Die letzte Einteilung der Wahlbezirke ſtammt aus dem Jahre 1901. Damals betrug in der dritten Abteilung die Wählerzahl — ich führe runde Zahlen an — 27 500. Der Durchſchnitt der Wähler in jedem Bezirk betrug, da 8 Bezirke in Frage kamen, 3500. Die einzelnen Bezirke waren ſo eingeteilt, daß der Durchſchnitt nur wenig über⸗ ſchritten wurde von einem Bezirk, während der andere Bezirk nur wenig hinter dem Durchſchnitt zurückblieb. Inzwiſchen haben ſich die Verhältniſſe weſentlich geändert. Es iſt innerhalb der einzelnen Bezirke eine ganz koloſſale Verſchiebung der Be⸗ völkerung eingetreten. So hat ſich z. B. der zweite Bezirk ſeit 1901 mehr als verdoppelt. Wir haben daneben einen anderen Bezirk, der ſeit 1901 um ganze 21 Einwohner zugenommen hat. Wie ver⸗ ſchieden die Zahlen ſind, das werden Sie erſehen, wenn ich Ihnen ſage, daß der achte Bezirk der dritten Abteilung bei der letzten Wahl 3395 Wähler aufwies, der zweite Bezirk dagegen mehr als nochmal ſo viel, nämlich 7440. Und nicht nur in der dritten Abteilung, ſondern auch in der zweiten, ja teilweiſe ſogar in der erſten Abteilung hat ſich die Be⸗ völkerungszahl inzwiſchen verſchoben. In der zweiten Abteilung hatten wir im Jahre 1901 in jedem Bezirk durchſchnittlich etwa 900 Wähler. Inzwiſchen iſt im vierten Bezirk die Zahl der Wähler der zweiten Abteilung von 919 auf 870 zurückgegangen. Im dritten Bezirk dagegen hat ſie ſich faſt ver⸗ doppelt, nämlich von 934 auf 1840. Sie haben alſo auch in der zweiten Wählerabteilung Bezirke, von denen einer mehr als doppelt ſo groß iſt als der andere. In der erſten Wählerabteilung machen ſich ja ſolche ſtarken Verſchiebungen nicht bemerkbar, weil die Zahl der Wähler, die da in Betracht kommt, überhaupt ſehr gering iſt. Immerhin iſt es charakte⸗ riſtiſch, daß ſelbſt in dieſer Klaſſe ein Bezirk nur 120 Wähler aufweiſt und der andere mehr als das Doppelte, nämlich 260. Ich glaube, daß dieſe wenigen Zahlen Ihnen zur Genüge dargetan haben werden, daß eine andere Einteilung der Wahlbezirke entſprechend der ver⸗ änderten Bevölkerungszahl innerhalb der Bezirke eine Forderung der Gerechtigkeit iſt. Es handelt ſich hier nicht etwa um eine beſtimmte Partei⸗ forderung, ſondern ich glaube, alle Parteien, die hier in der Verſammlung vertreten ſind, haben das gleiche Intereſſe daran, daß die Einteilung der Wahlbezirke in gerechter Weiſe vor ſich geht. Zudem brauche ich ja nur daran zu erinnern, daß es eigent⸗ lich gar keine Forderung meiner Partei iſt, die ich hier vertreten habe, ſondern eine liberale Forderung, die ſonſt die Liberalen im Reich und im Staat er⸗ heben. Ich meine, wenn man im Reich und Staat für eine beſtimmte Forderung eintritt, dann hat man die Pflicht, auch in der Gemeinde die gleiche Forderung zu befürworten. Meine Herren, ich möchte mich von vornherein gegen die Auffaſſung verwahren, als ob ich etwa damit, daß ich meinen Antrag vor Ihnen begründe, mich mit dem Dreiklaſſenwahlſyſtem für die Stadt⸗ verordnetenverſammlung einverſtanden erkläre. Dieſes Wahlſyſtem oder beſſer geſagt dieſe Karitatur eines Wahlſyſtems be⸗ 71 kämpfen wir nach wie vor. Wir fordern nach wie vor den Erſatz des Dreiklaſſenwahl⸗ ſyſtems durch das allgemeine, gleiche, direkte undgeheime Wahl⸗ rech t. Wenn ich die Forderung im Augenblick zurückſtelle, ſo lediglich aus taktiſchen Gründen, da ja die Ausſicht, daß die Mehrheit der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung ſich auf dieſe Forderung ver⸗ einigt, nur ſehr gering iſt. Es iſt den Herren bekannt, daß, als wir vor 4 oder 5 Jahren einen Antrag ſtellten, der den Magiſtrat erſuchte, gemeinſam mit anderen Städten beim Landtag um Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für die Stadtverordnetenwahlen zu petitionieren, die Mehrheit der Stadtverordneten⸗ verſammlung dieſen Antrag rundweg abgelehnt hat. Ich möchte nicht, daß wir uns jetzt wieder eine ſolche Abſage zuziehen, ich will mich auf das Er⸗ reichbare beſchränken. Deswegen habe ich den Antrag geſtellt, der eine Vermehrung der Zahl der Mandate und eine gerechtere Einteilung der Wahlbezirke bezweckt. Ich kann ja nicht verlangen, daß Sie ohne weiteres hier im Plenum einem ſolchen Antrage zuſtimmen werden. Aber der Hoffnung gebe ich mich hin, daß Sie wenigſtens prinzipiell Ihr Ein⸗ verſtändnis damit kundtun und mit mir für die Über⸗ weiſung des Antrags an einen Ausſchuß ſtimmen werden. Stadtv. Holz: Meine Herren, ich freue mich, daß der Herr Kollege Hirſch, mit deſſen Ausführun⸗ gen ich ſonſt nicht übereinſtimme, zum Schluß den Antrag geſtellt hat, die Sache einem Ausſchuß zu überweiſen; denn zweifellos ſind die Rechtsfragen, welche uns bei dieſem Antrag beſchäftigen, doch ſo erheblich, daß wir ſie heute, insbeſondere mit Rück⸗ ſicht darauf, daß wir noch ſehr wichtige Sachen zu beraten haben, nicht kurzer Hand erledigen können. Ich will Sie mit den Rechtsfragen nicht weiter be⸗ helligen, will nur vorweg bemerken, daß ich grund⸗ ſätzlich de lege lata, d. h. an Hand der gegenwärtigen Geſetzgebung anderer Meinung bin als der Kollege Hirſch, daß ich insbeſondere der Meinung bin, daß der Zeitpunkt für den erſten Teil des Antrags jetzt nicht gegeben iſt, weil ja der Magiſtrat die Ver⸗ mehrung der Stadtverordneten und hiermit die Neuwahlen gelegentlich der regelmäßigen Er⸗ gänzungswahlen erſt in Betracht ziehen kann. Der Magiſtrat würde alſo, wenn er heute einen Beſchluß faſſen wollte, einen Beſchluß pro nihilo faſſen, der uns nicht weiter bringen würde. Hierzu kommt, daß nach dem Inhalt des Geſetzes eine derartige Beſchlußfaſſung des Magiſtrats bedeutende Kon⸗ ſequenzen hat, über die ſich die Rechtſprechung, wie ich konſtatieren möchte, noch nicht ganz klar iſt. In der Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts Band 17, die ſich damit befaßt, heißt es über dieſe Frage auf Seite 104: In materieller Beziehung kann zugegeben werden, daß es in der Städte⸗ ordnung für den vorliegenden Fall, bei welchem es ſich um eine tiefgreifende Umgeſtaltung uſw. handelte, beſtimmte Vorſchriften nicht gibt uſw. So lautet die Stelle ungefähr. Der Kommentar von Ledermann ſagt ganz recht das, was ich bereits hervorgehoben habe: Das Geſetz beſagt, daß in dieſem Falle eine ſtatutariſche Anordnung getroffen werden muß, durch welche die Korporation, welche dann eintritt — alſo wenn wir 78 Stadtverordnete haben —, eine ganz andere Korporation wird als