— 79 ein Zeichen unſeres grundſätzlichen Intereſſes an einer Frage zum Ausdruck zu bringen, die an⸗ ſcheinend weite Kreiſe der Bevölkerung dauernd beſchäftigt. Davon bin ich aber bei näherer Be⸗ trachtung dieſes Schriftſtücks abgekommen. Die Petition des Haus⸗ und Grundbeſitzervereins iſt wirklich nicht danach, daß man ſie dem Magiſtrat auch nur unter der Etikette „Material“ nochmals zuſchicken kann; ein Exemplar hat er ja ſelbſt von dem Haus⸗ und Grundbeſitzerverein erhalten. Ein Schriftſtück — ich zitiere hier wörtlich aus dieſer Petition —, das mit Ironie von dem heutigen „Uberſchwange ſozialen Empfindens für die ärme⸗ ren Klaſſen“ ſpricht und auch noch an einer zweiten Stelle das „ſoziale Empfinden“ der ſtädtiſchen Körperſchaften ironiſiert, — ein ſolches Schriftſtück wird jedenfalls in den Kreiſen meiner Freunde niemals einen Wiederhall wecken können. (Bravo!) Es ſind in dieſem Schriftſtück lediglich beſchränkte Sonderintereſſen, die von einem recht kleinlichen Geſichtspunkte aus mit ſehr dürftigen Argumenten zum Ausdruck gebracht werden und ſich dann zu einem Antrag verdichten, der nicht einmal den Mut der Konſequenz hat. Denn wenn es wirklich wahr wäre oder wahr iſt, wie die Herren Petenten verſichern, daß für ſie bei ihren Schritten lediglich maßgebend waren „die ethiſchen, hygieniſchen und volkswirtſchaftlichen Schäden“, — ja, meine Herren, dann werden ſicherlich dieſe dreifach gehäuften Schäden nicht aus der Welt geſchafft, wenn nach dem Verlangen der Petenten künftighin die Char⸗ lottenburger Straßenhändler ſtatt mit einem Wagen mit einer Kiepe oder einem Tragkorb ihr der Ethik ſo ſchädliches Gewerbe ausüben ſollen. Als zweites Heilmittel wird in der Petition ein Verbot des Ausrufens und Ausklingelns der Waren gefordert, wobei den Herren Petenten aus dem Gedächtnis entſchwunden zu ſein ſcheint, daß bereits ſeit 1903 ein Paragraph 122 der Straßen⸗ polizeiverordnung in Charlottenburg gilt, der aus⸗ drücklich „das Ausrufen der Gewerbetreibenden, ſowie die Verwendung von Klingeln und anderen ruheſtörenden Mitteln zur Anlockung von Kunden“ verbietet. Aber ganz unabhängig von dieſer Petition des Haus⸗ und Grundbeſitzervereins möchte ich doch ausſprechen, daß ich es für ein Verdienſt des Ma⸗ giſtrats anſehen würde, wenn er in Zukunft dieſer Frage ſeine Aufmerkſamkeit zuwendete, wenn er ihr eine objektive Prüfung widmete, — nicht aus dem Geſichtspunkt einzelner Intereſſentenkreiſe heraus, ſondern vom Geſichtspunkt des Allgemein⸗ intereſſes, und von dieſem Geſichtspunkt wird man möglicherweiſe — dies zeigen die wertvollen Vor⸗ arbeiten des Vereins für Sozialpolitik — nicht zu einer ganz uneingeſchränkten Anerkennung und Billigung des Straßenhandels in ſeiner gegen⸗ wärtigen Geſtalt mit allen ſeinen Nebenerſchei⸗ nungen gelangen können. Ich verſage es mir, bei dieſer Gelegenheit auf irgendwelche Einzel⸗ heiten einzugehen, und beſchränke mich auf einen ein⸗ zigen Geſichtspunkt. Es iſt eine an der Oberfläche der Dinge haftende Meinung, wenn ausgeſprochen wird, der Straßenhandel habe wenigſtens das Verdienſt, daß er durch Verbilligung der Ware die Konſumenten ſchütze. Das gerade Gegenteil iſt der Fall, wie ſich bei näherer Prüfung ergibt. Die Sicherheit, auch fragwürdige Reſtbeſtände leicht verderblicher Waren im Wege des Straßen⸗ handels lukrativ zu verwerten, — gerade dieſe Gewißheit ermöglicht es in weitem Umfange dem Großhandel, mit der Ware zurückzuhalten und dadurch eine Erhöhung der Preiſe für die nor⸗ malen Qualitäten durchzuſetzen. (Zuruf des Stadtv. Liſſauer.) Es iſt auch ganz richtig, was der Herr Referent feſtgeſtellt hat, und ſehr bezeichnend für dieſe Ver⸗ hältniſſe, daß auf einem der wichtigſten Gebiete der Lebensmittelverſorgung die Großbetriebe ſich der Waffe des Straßenhandels bedienen und ſchon früher bedient haben, um widerſtrebende Elemente, insbeſondere kleinere oder mittlere Ge⸗ werbetreibende, gefügig zu machen, beiſpielsweiſe bei einer Gelegenheit, wo es ſich gerade darum handelte, künſtlich die Preiſe für ein wichtiges und unentbehrliches Lebensmittel — nicht etwa zu verbilligen, ſondern heraufzuſetzen, gewiß nicht zum Vorteile der ſtädtiſchen Bevölkerung. Ich wiederhole alſo: meiner Meinung nach wird der Magiſtrat ſich ein Verdienſt und den Dank weiter Kreiſe der Bevölkerung erwerben, wenn er dieſe Frage weiter im Auge behält, wenn er ſie unter Sammlung und Sichtung weiteren Materials einer objektiven Prüfung unterzieht. Stadtv. Liſſauer: Ich glaube, es kommt doch für die Beurteilung einer Sache durchaus nicht ſo ſehr darauf an, ob nun die Abfaſſung der Petition gerade von einer kritiſchen Seite als mehr oder minder gut bezeichnet wird. Herr Kollege Flatau wird doch iedenfalls wiſſen, daß wahr⸗ ſcheinlich der Grundbeſitzerverein daran nicht ſchuld iſt, ſondern der Syndikus, der damit beauftragt war, die Petition zu verfaſſen, und da es auch unter den Rechtsanwälten, ebenſo wie unter anderen Menſchen, geſchickte und weniger ge⸗ ſchickte gibt, ſo iſt es einfach zu erklären, daß die Grundbeſitzer vielleicht in dieſer Petition etwas ausgeſprochen haben, was einer kleinen Rekti⸗ fikation bedarf. Aber wir haben doch ſelbſt erſt neulich erlebt, daß die Sorge für den eigenen Geld⸗ beutel, für den Stadtſäckel zu einer Vorlage ge⸗ führt hat — bei der Schankerlaubnisſteuer —, für die ebenfalls ethiſche Motive vorgebracht wurden, wo alſo die Sorge für den eigenen Geld⸗ beutel mit ethiſchen Gründen verquickt wurde. Ich bin ja nicht ſo unartig, zu ſagen, daß ſie vor⸗ geſchoben waren, aber ſie laufen doch beide neben⸗ einander. Daß das alſo auch in einer Petition vorkommen kann, iſt, glaube ich, ganz leicht zu erklären. Im Grunde genommen wäre den Herren Petenten zu bemerken, daß ſie jedenfalls durch⸗ ſchlagenderes Material beibringen könnten, z. B. Anzahl der Läden, die ihnen leer ſtehen und den Rückgang des Mietpreiſes für dieſelben. Das wäre wirkungsvoller geweſen. Daß das tatſächlich nicht allein in Berlin, ſondern auch in Charlottenburg an der Peripherie und ſelbſt im Zentrum der Fall iſt, werden, ſo glaube ich, die Grundbeſitzervereine ganz leicht beweiſen können. Der Herr Vorredner hat die Forderung ja ebenfalls unterſtützt; er hätte gewünſcht, daß die Petition als Material überwieſen werden würde. Er glaubt aber einen Beweis führen zu können, daß gerade die kleineren und mittleren Gewerbe⸗ treibenden dazu beitragen, die Preiſe zu ver⸗ teuern, und er hat das an Hand eines Artikels be⸗ weiſen wollen. Ich habe mir dabei den Zwiſchen⸗