—— 89 —— ruf erlaubt: welchen Artikel? — und würde dem Herrn Kollegen außerordentlich dankbar ſein, da ich den Kreiſen der Ladenbeſitzer und Kleinge⸗ werbetreibenden ſehr nahe ſtehe, wenn er dieſen Artikel namhaft machte. Ich meine, daß der Straßenhändler etwas billiger verkaufen kann, denn er hat nicht die Ladenmiete, nicht die Be⸗ leuchtung, nicht einen großen Teil der Steuern zu zahlen wie der ſeßhafte Händler. Mithin kann er tatſächlich etwas billiger ſein. Und er hat außerdem noch Bewegungsfreiheit. Wenn er ein lebhaftes Kolonialwarengeſchäft oder ein Obſt⸗ geſchäft in der Wilmersdorfer Straße kennt, dann fährt er mit ſeinem Wagen zu einer Zeit vor, wo die Dienſtmädchen Einkäufe machen. Wenn er die Kundſchaft angelockt hat, fährt er 30 m weiter und fängt ſein Geſchäft von neuem an. Er iſt alſo bedeutend beſſer daran als der ſeßhafte Ge⸗ werbetreibende. Er hat einmal weniger Speſen, dann hat er Bewegungsfreiheit, ſich die Kundſchaft da zu holen, wo er ſie ſuchen will. Mit einem Wort, er ſucht ſie in der ganzen Stadt, während der ſeßhafte Ladenbeſitzer gezwungen iſt, abzu⸗ warten, bis die Kundſchaft kommt. Wenn wir heute, was ich mir ſchon bei einer andern Gelegenheit hervorzuheben erlaubt habe, einen Rückgang der Gewerbeſteuerzahler der Klaſſe 4 von 1905 auf 1906 von 1789 auf 1461, alſo um über 300 Gewerbeſteuerzahler konſtatieren, ſo müſſen wir uns doch fragen: woran liegt denn das? Ja, meine Herren, das liegt eben daran, daß dieſe kleinen Gewerbetreibenden zwar nicht aufhören, aber aus dem Kreiſe der Gewerbeſteuer⸗ zahler ausſcheiden, weil ihr gewerbliches Ein⸗ kommen unter 1500 Mark heruntergeht und ſie daher nicht mehr ſteuerpflichtig ſind. Alle dieſe Momente, ſowohl die Kaufhäuſer wie der Straßen⸗ handel wie auch die Konſumvereine, tragen zu der Pauperiſierung des Kleinhandels und des Klein⸗ gewerbes bei. (Widerſpruch.) Daher bedaure ich es außerordentlich — nachdem ich mich habe be⸗ lehren laſſen, daß dieſelbe Forderung bereits in dieſem Etatsjahre zurückgewieſen worden iſt —, daß die Verſammlung aus dieſem Grunde heute nicht in der Lage iſt, ſich auf einen anderen Stand⸗ punkt zu ſtellen, und man ſich dieſen Konſequenzen beugen muß. Ich ſtimme aber mit dem Herrn Vorredner darin überein, daß ſicher im nächſten Etatsjahre eine neue Petition in demſelben Sinne kommen wird, den Straßenhandel, wie er in Char⸗ lottenburg jetzt zuläſſig iſt, weiter zu beſchränken. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, Herr Stadtv. Liſſaner hat nach meiner Auffaſſung dem Standpunkte des Magiſtrats eine ſehr be⸗ trächtliche Konzeſſion gemacht, die allerdings, wie ich glaube, lediglich auf einem Mißverſtändnis der Ausführungen des Herrn Stadtv. Dr Flatau beruht. Herr Dr Flatau hat nämlich das Gegenteil von dem behauptet, was Herr Liſſauer gemeint hat. (Stadtv. Dr Flatau: Sehr richtig!) Aber ich akzeptiere gern das Zugeſtändnis des Herrn Stadtv. Liſſauer, daß der Straßenhandel billiger verkaufen kann als der ſeßhafte Handel. Das iſt der Standpunkt, auf dem der Magiſtrat ſtets ge⸗ ſtanden hat und weshalb er dem Straßenhandel eine gewiſſe Sympathie entgegengebracht hat. Meine Herren, daß der Straßenhandel auch Nach⸗ teile hat, iſt von Magiſtratsſeite dauernd zugegeben worden; der Magiſtrat hat bisher aber die Vorteile des Straßenhandels für größer erkannt als die Nachteile. Mit Herrn Stadtverordneten Dr Flatau möchte ich mich nur in einer Beziehung namens des Magiſtrats einverſtanden erklären: das iſt in ſeiner Einſchätzung der Petition des Haus⸗ und Grund⸗ beſitzervereins. Im Petitionsausſchuß iſt meiner Anſicht nach bei der Würdigung dieſer Petition richtig darauf hingewieſen worden, daß, wenn ſchon überhaupt einer derartigen Petition Folge gegeben werden könnte, ſehr viel geeigneter ge⸗ weſen wären die Petitionen des Vereins von Charlottenburger Kaufleuten und Kolonialwaren⸗ händlern vom 8. Juli 1907, welche mit 474 Unter⸗ ſchriften hier eingegangen war, und des Vereins der ſtändigen Händler „Einigkeit“, die im Mai 1907 eingegangen war. Dieſe beiden Gruppen wären ſicherlich viel mehr berufen geweſen, die Intereſſen der Gewerbetreibenden wahrzunehmen, als der Haus⸗ und Grundbeſitzerverein von 1895 mit ſeiner inhaltlich außerordentlich anfechtbaren Pe⸗ tition. Aber ich lege doch Wert darauf, zu er⸗ klären, daß dem Magiſtrat nicht dieſe formellen Erwägungen zur Aufrechterhaltung ſeines bis⸗ herigen Standpunktes veranlaßt haben, ſondern lediglich die bisherigen materiellen und nach ſeiner Meinung durchaus objektiven Erwägungen. würde dem Herrn Stadtverordneten Dr Flatau dantbar ſein, wenn er, dem Wunſche des Herrn Stadtverordneten Liſſauer nachgebend, dieienigen Waren nennen würde, in denen — nun allerdings nicht, wie Herr Stadtverordneter Liſſauer an⸗ nahm, die Straßenhändler billiger verkaufen als die ſeßhaften Händler, ſondern umgekehrt — die Straßenhändler dazu beigetragen haben, daß der Preis auch bei den ſeßhaften Händlern verteuert worden iſt. Das wäre allerdings für den Magiſtrat ein wertvolles Novum. Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren, meine Freunde in ihrer Mehrheit lehnen es ab, wieder in eine große Debatte über dieſe Ange⸗ legenheit einzutreten, da wir eine ſolche erſt vor wenigen Monaten gehabt haben. (Bravo!) Ich glaube, wir haben keine Veranlaſſung, wenn eine Petition von der großen Mehrheit der Stadt⸗ verordnetenverſammlung abgelehnt worden iſt, nach wenigen Monaten über dieſelbe Sache auf Grund einer neuen Petition, die neues Material nicht beibringt, wieder eine große Debatte herbei⸗ zuführen. Ich muß daher meinerſeits die Er⸗ tlärung abgeben, daß ich dem Antrage des Pe⸗ titionsausſchuſſes auf Ubergang zur Tagesordnung voll zuſtimme und wie ich die meiſten meiner Freunde. Wie die ſachliche Stellung der einzelnen zu dieſer ganzen Frage iſt, werden wir vielleicht ſpäter, wenn eine beſſer ſubſtantiierte Petition vorliegt, darlegen können. Allerdings haben ſich die Verhältniſſe in der letzten Zeit etwas dadurch verſchoben, daß einige Vororte in dieſer Frage vorgegangen ſind. Wir werden aber abwarten müſſen, was für Folgen ſich daraus ergeben. Stadtv. Dr Flatan: Meine Herren, ich will mit zwei Worten auf die Fragen, die von Herrn Liſſauer und Herrn Bürgermeiſter Matting an mich gerichtet worden ſind, zurückkommen. Ich bemerke zunächſt Herrn Bürgermeiſter Matting, daß er die Fragen, die ich hier berührt habe, in den