Tage — 823 Zunächſt galt es, einmal feſtzuſtellen, ob und inwieweit eine Arbeitsloſigkeit in Charlottenburg überhaupt vorhanden iſt. In dieſer Beziehung war uns vom Magiſtrat, insbeſondere von dem Dezer⸗ nenten des Arbeitsnachweiſes, von dem Dezernenten der Armenverwaltung und von dem ſtatiſtiſchen Bureau, ein ſehr reichesMaterial unterbreitet worden. Einen Teil desſelben haben Sie heute bei Beginn der Sitzung auf Ihren Plätzen gefunden. Meine Herren, wie es bei Zahlen zu gehen pflegt, hat ſich ſelbſtverſtändlich keine volle Einigung über den objektiven Wert dieſer Zahlen finden laſſen. Der eine hat ſie ſo gruppiert, der andere wieder etwas anders und hat daraus wieder andere Schlüſſe ge⸗ zogen als der erſte. Auch über den relativen Wert dieſer Zahlen waren Zweifel verbreitet, und es iſt ſelbſtverſtändlich und wurde auch vom Magiſtrat zugegeben, daß ein ganz genaues Bild der augen⸗ blicklich vorhandenen Verhältniſſe in dieſen Zahlen nicht niedergelegt iſt und auch nicht niedergelegt ſein kann. Indeſſen kann ich Ihnen als Reſultat dieſer Beratungen und Erwägungen mitteilen, daß im Ausſchuß ſchließlich die Meinung wohl ſämtlicher Mitglieder ſich dahin einigte, daß allerdings zurzeit in Charlottenburg eine Arbeitsloſigkeit beſtehe, ſtärker, als ſie in den gleichen Perioden der Vor⸗ jahre vorhanden geweſen wäre, daß ſie aber noch nicht derartige Dimenſionen angenommen habe, daß ſie zu ganz außergewöhnlichen Maßregeln Veranlaſſung gebe. Immerhin wurde die Situation von allen Mitgliedern als durchaus ernſt aufgefaßt, und es wurde deswegen auch für durchaus ange⸗ meſſen erachtet, dem Magiſtrat zu empfehlen, der Weiterentwickelung der Arbeitsloſigkeit ſeine Auf⸗ merkſamkeit im eingehendſten Maße zu widmen. Ich möchte nur ganz wenig auf die Zahlen zurückkommen, da es ja unmöglich iſt, im einzelnen hier alles das wiederzugeben, was dort in Zahlen behandelt worden iſt. Ich wollte nur darauf auf⸗ merkſam machen, daß im weſentlichen für eine Reihe von Mitgliedern aus der Dezemberzahl der Arbeitsloſen, d. h. aus der unter 2 auf Seite 3 wieder⸗ gegebenen Zahl, aus der hervorgeht, wieviel Arbeit⸗ ſuchende auf 100 offene Stellen kamen, ſich ergibt, daß allerdings im Dezember 1907 141 Stellen⸗ ſuchende auf 100 Stellen waren, während es im Vorjahre nur 117 waren. Allerdings muß berück⸗ ſichtigt werden, daß dieſe Zahl von 141 ſchon von dem Dezember des Jahres 1903 übertroffen wird, d. h. einer Zeit, wo man im allgemeinen über eine Arbeitsloſigkeit in größerem Maßſtabe noch nicht geklagt hat, und daß dieſe Zahl auch von der im Januar 1906 übertroffen wird, die 149 betrug, zu einer Zeit, wo man eigentlich noch in der vollen ſogenannten induſtriellen Hochkonjunktur ſich befand. Es iſt in der Verſammlung dann auch weiter von dem Dezernenten der Armenverwaltung mit⸗ geteilt — und dieſe Mitteilung iſt nicht ganz ohne Eindruck geblieben —, daß der Magiſtrat bereits Vorkehrungen getroffen hat, insbeſondere die Armenverwaltung ſich bemüht hat, diejenigen Unterſtützungſuchenden, welche ihre Notlage mit Arbeitsloſigkeit begründen, aus dieſer Lage dadurch zu retten, daß ſie ihnen auf dem ſtädtiſchen Lager⸗ platz Arbeit zuweiſt. Es ſind darüber Liſten geführt worden, und es hatten ſich bis zu dem damaligen hin 47 derartige Unterſtützungskandidaten gemeldet, welchen allen empfohlen worden iſt, ſich an die Tiefbauverwaltung zu wenden. Merk⸗ würdigerweiſe haben ſich von dieſen 28 nicht ge⸗ meldet, und nur 19 haben bei der ſtädtiſchen Lager⸗ platzverwaltung um Arbeit nachgeſucht; aber auch von dieſer verhältnismäßig geringen Anzahl haben nur einige wenige die Arbeit aufgenommen: es waren nur vier, und von dieſen vier ſind in dauern⸗ der Arbeit nur zwei geblieben. (Hört, hört!) Es iſt ja zugegeben worden und muß zugegeben werden, daß eine derartige Arbeit, wie ſie auf einem ſtädtiſchen Steinplatz iſt, durchaus nicht jedem, der in Arbeitsloſigkeit geraten iſt, nun auch Erſatz für dasjenige ſchaffen kann, was er verloren hat — nicht wegen des Lohnes; denn der Lohn, der gezahlt wird, war, ſoweit ich mich erinnere, angegeben: zunächſt ein Tagelohn von 2,60 ℳ. pro Tag, der ſich aber nach 14 Tagen, ſobald die Leute eingearbeitet ſind, im Akkord nach den Zahlen, die mir mitgeteilt worden ſind, auf 4 bis 5 ℳ erhöht. Es iſt aber durchaus zuzugeben, daß nicht alle Arbeiter, nämlich alle diejenigen nicht, welche darauf angewieſen ſind, die Geſchicklichkeit, die Feinheit ihrer Hände zu bewahren, überhaupt in der Lage ſind, eine derartige Arbeit anzunehmen. Es iſt auch durchaus zuzugeben, daß die Stadt nicht in der Lage iſt, eine andere Arbeit, als ſie in dieſer Kategorie ungefähr ſteht, nämlich Erdarbeiten, Steinklopfen uſw., überhaupt zu vergeben, daß ſie, ſei es auf der Gasanſtalt, ſei es auf dem Elektrizitäts⸗ werke mehr Arbeiter nicht anſtellen kann, als dort benötigt werden, weil eine beſtimmte Menge Gas nur erzeugt werden kann, weil eine beſtimmte Menge Elektrizität überhaupt nur zu produzieren iſt. Wie bereits ausgeführt, hat man es durchaus für nötig und für richtig gehalten, dem Magiſtrat die weitere Sorge, der Weiterentwickelung der Arbeits⸗ loſigkeit entgegenzutreten, ans Herz zu legen, und man hat ſich gefragt: in welcher Weiſe ſoll man das am beſten tun? Da hat nun der Ausſchuß, wie Sie aus der Vorlage erſehen, auf das zurückgegriffen, was im Jahre 1901/02 in dieſer Verſammlung ſich abgeſpielt hat. Allerdings exiſtieren über die Ver⸗ handlungen von damals ſtenographiſche Berichte nicht, ſodaß der Ausſchuß einzig angewieſen war auf die Mitteilungen des Herrn Stadtrats Jaſtrow, welcher damals hier den Magiſtrat vertreten hat, und auf die Mitteilungen eines Mitgliedes, welches dieſe Verhandlungen noch mitgemacht hat. Es wurde aber von allen Seiten zugegeben — wenig⸗ ſtens von keiner Seite iſt dem widerſprochen worden—, daß der Magiſtrat, insbeſondere der Herr Vor⸗ ſteher des Arbeitsamtes, Herr Stadtrat Jaſtrow, die Frage damals in einer Weiſe behandelt hat, daß die Stadtverordnetenverſammlung in ihrem Plenum ſich vollkommen mit den Ausführungen, die er im Namen des Magiſtrats gemacht hatte, einverſtanden erklärte und daraus das Vertrauen ſchöpfte, daß der Magiſtrat auch einer weiter vor⸗ ſchreitenden Arbeitsloſigkeit durchaus gewappnet gegenüberſtehen würde. In dieſem Sinne und deswegen haben wir in unſerm Beſchluſſe hinein⸗ geſetzt, es möchte der Magiſtrat genau diejenigen Maßregeln treffen, welche er im Jahre 1901/02 getroffen hat, um ſich der weiter vorſchreitenden Arbeitsloſigkeit gegenüber wehren zu können. Bei dieſer Debatte — und dabei komme ich zurück auf Punkt II unſerer Beſchlüſſe — iſt auch die Frage der Arbeitsloſenverſicherung wenigſtens generell geſtreift worden. Es iſt auch anerkannt worden, auch von den Vertretern der ſozialdemo⸗ kratiſchen Partei, daß der Magiſtrat einer Gemeinde