87 Aber, meine Herren, gerade wenn man dieſes Ver⸗ trauen hat, hat es keinen Zweck, dieſen Antrag anzunehmen. Er ſteht dann vollkommen in der Luft. Der Magiſtrat geht, wie ich überzeugt bin, gar nicht auf die Brücke, die ihm da gezeigt wird. Nun hat Herr Kollege Borchardt bereits einen Antrag geſtellt, der dieſe Nr. 2 etwas verändert. Er will das Wörtchen „ob“ verändern in „in welcher Weiſe“ und hat das damit begründet, daß die Stadtverordnetenverſammlung bereits klar aus⸗ ſprechen muß, wir wollen ſtädtiſche Mittel für die Arbeitsloſenverſicherung hergeben. Ich habe vor⸗ hin ausgeführt, daß das Bedenken hat. Wie kann das überhaupt geſchehen? Es kann geſchehen, wie Herr Kollege Borchardt angedeutet hat, indem man denjenigen Gewerkſchaften, die die Arbeits⸗ loſenverſicherung bereits eingeführt haben, eine Beihilfe gibt. Meine Herren, in welchen Händen dieſe Gewerkſchaften ſind, kann die Stadt nicht unterſuchen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Sie hat auch keine Möglichkeit, eine Kontrolle über dieſe Gelder in einer Weiſe auszuüben, daß ſie ſicher iſt, daß dieſe Gelder im Sinne der Stadt ver⸗ wendet werden, und wenn ſie dieſe Möglichkeit hätte, dann würde ſie dieſe Gewerkſchaften im all⸗ gemeinen ſtärken, ſo daß deren Mittel an einer andern Stelle frei werden für Zwecke, für die ſtädtiſche Mittel nicht aufzuwenden ſind. (Stadtv. Zietſch: Deshalb verſäumt ſie ihre ſoziale Pflicht!) Die Frage brauchen wir wohl nicht zu erörtern, ob wir von Charlottenburg aus eine ſtädtiſche Arbeitsloſenverſicherung wollen; dazu würde ſich die Stadtverordnetenverſammlung wohl nicht ver⸗ ſtehen. Es iſt angedeutet worden, man müſſe Groß⸗ Berlin heranziehen. Demgegenüber ſtehe ich aber, wie auch im Ausſchuß von verſchiedenen Seiten der Mehrheit erklärt wurde, auf dem Standpunkt, daß das Richtige die Verſicherung auf Grund des Reiches iſt. Das haben die Sozialdemokraten ja auch zugegeben, und auch ein Teil der Herren, die der Reſolution zugeſtimmt haben. Nun erklärt Herr Kollege Wöllmer, dieſe Ver⸗ ſicherung müßte immer baſieren auf der eigenen Verſicherung der Arbeiter. Bis zu einem gewiſſen Grade wird das immer der Fall ſein. Das iſt auch bei den Gewerkſchaften der Fall. Es würde auch bei der ſtädtiſchen Arbeitsloſenverſicherung der Fall ſein müſſen und ebenſo bei der Reichs⸗Arbeits⸗ loſenverſicherung. Ich möchte die Sache aber etwas anders auf⸗ gefaßt wiſſen mit Rückſicht auf die Beiſpiele, die Herr Kollege Borchardt gab. Er ſagte: die Arbeiter können nicht auf den Steinplatz gehen, wenn ſie nichts zu tun haben; er drückte ſich ſogar ſo aus, es wird doch keiner dahin gehen, der beſſere Arbeit finden kann. (Widerſpruch des Stadtv. Dr Borchardt.) Meine Herren, wenn einer beſſere Arbeit finden kann, dann gehört er nicht zu den Arbeitsloſen (Erneuter Widerſpruch des Stadtv. Dr Borchardt.) — das iſt wörtlich geſagt worden; ich habe ſelbſt mitſtenographiert. Es wird ſich nachher ja aus dem Stenogramm ergeben. — Es wird nun behauptet, die beſſeren Arbeiter können ſich nicht dazu her⸗ geben, Steine zu klopfen, weil ſie dadurch ihre Arbeitskraft für ihren beſſeren Beruf, der feinere Hände verlangt, vermindern würden. Bis zu einem möchte dieſe Erklärung heute ergänzen. gewiſſen Grade gebe ich das vollkommen zu Ein Feinmechaniker muß darauf achten; es gibt auch andere Berufe, die darauf achten müſſen. Aber die, Arbeitsloſigkeit iſt in dieſem feinen Berufen ſehr wenig vorhanden. (Widerſpruch bei den Sozialdemokraten.) Feinmechaniker,die dabeian allererſter Stelle ſtehen — (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Siemens und Halske!) — ich kann aus meiner eigenen Kenntnis ſagen, daß bei den Feinmechanikern heute noch der aller⸗ größte Mangel herrſcht, noch heute im Februar dieſes Jahres. Ich bitte Herrn Kollegen Bor⸗ chardt, wenn er gute Kräfte auf dieſem Gebiete weiß, ſie mir namhaft zu machen; ich werde ihnen nachweiſen, wo ſie Arbeit finden können. Wenn Herr Kollege Borchardt ſagt, daß dieſe Leute nicht auf den Steinplatz gehen können, um gute Hände zu behalten, dann, meine ich, tritt die eigene Verſicherung des Menſchen ein, dann muß er bei Zeiten, wo er Arbeit hat, etwas zurück⸗ legen. Wenn er ſich nicht auf den Standpunkt ſtellt, jede Arbeit an⸗ zun eymen, d ann würd e er zur rechten Zeit etwas zurücklegen müſſen für die Zeit, wo er keine Arbeit hat. Meine Herren, ich würde es als gelehrter Mann nicht verſchmähen, Steine zu klopfen, und ich würde es für das Richtige halten, daß die Arbeiter, denen Arbeit geboten iſt, ſie auch annehmen. Stadtrat Samter: Meine Herren, der Magiſtrat hat im Ausſchuß den Standpunkt ver⸗ treten, der in den letzten Worten der Ziffer I des Ausſchußbeſchluſſes zum Ausdruck gekommen iſt: daß die Lage auf dem Arbeitsmarkte zwar ernſt iſt und mit aller Aufmerkſamkeit verfolgt werden muß, daß aber heute noch kein Anlaß vorliegt, da⸗ von zu ſprechen, daß wenigſtens für Charlottenburg, eine Kriſe vorliegt. Daß der Magiſtrat den Arbeitsmarkt auf⸗ merkſam verfolgt, werden Sie aus den Tabellen erſehen haben, die Ihnen heute vorgelegt worden ſind. Und wenn Sie einen Blick auf die graphiſchen Darſtellungen werfen, ſo werden Sie beſtätigt finden, daß auch heute kein Anlaß vorliegt zu einer veränderten StellungnahmedesMagiſtrats gegenüber den Ausführungen, die er damals gemacht hat. Ich möchte auf dieſen Punkt aber nicht näher ein⸗ gehen, ſondern auf etwas anderes. Herr Stadtv. Dr Borchardt hat Bezug genommen auf eine Er⸗ klärung, die ich im Ausſchuß abgegeben habe. Den er Magiſtrat kann, ſoweit der Armenverwaltung Ma⸗ terial vorliegt, ſich auch heut nicht auf den Stand⸗ punkt ſtellen, daß eine Kriſe auf dem Arbeitsmarkt vorliegt. Ich habe im Ausſchuß erklärt, daß ſeit einer Reihe von Jahren eine Statiſtik geführt wird über die Unterſtützungsgeſuche, die wegen Arbeitsloſigkeit eingehen. Ich gebe zu, daß dieſe Statiſtik kein abſolut richtiger Maßſtab iſt; aber wenn man eine Reihe von Jahren eine ſolche Statiſtik durchgeführt hat, wird man vergleichen und beurteilen können, ob ein größerer oder ge⸗ ringerer Grad von Arbeitsloſigkeit vorhanden iſt oder nicht. Ich lann nun erklären, daß die Zahlen im Dezember 1907 — heute habe ich auch die Zahlen für Januar 1908 — daß alſo die Zahlen für De⸗ zember und Januar weſentlich niedriger ſind als