Das Originellſte an der Sache iſt aber: alle Redner haben betont: „Wir ſind von dem Ernſt der Lage wohl durchdrungen, die Sache kann kritiſch werden“ uſw. Aber welche Hilfsmittel wollen wir den Arbeitern draußen bieten, was wollen wir ihnen nun geben? Man hat Vorſchläge gemacht. Man verweiſt die Arbeitsloſen nach dem Steinplatze; man hat auch 2,20 ℳa angeführt. Nun, meine Herren, das iſt ja ſehr gnädig, ein fürſtlicher Lohn, der dort gezahlt wird. Bedenken Sie aber das Eine: auch bei einer Zahlung von 2,20 ℳ. Tageslohn werden, trotz der Arbeitsloſigkeit, die notwendigen Lebensmittel nicht billiger, ſie bleiben im Preiſe ſtehen. Das muß man in Betracht ziehen. Daher iſt es auch erklärlich, warum die Fluktuation der Arbeiter auf dem Steinplatz ſich bemerkbar ge⸗ macht hat. Noch eins iſt originell: im Akkord kann die Arbeit vergeben werden, man kann 4 bis 5 ℳ. dann verdienen. Nun frage ich Sie: was iſt Akkord? Akkord iſt Mord! (Große Heiterkeit.) — Nun, meine Herren, dann haben Sie noch keine praktiſchen Erfahrungen auf dieſem Gebiete. — Nun weiter: es wird immer geſagt — und das iſt das Originellſte —: Charlottenburg iſt eine Stadt, der man das Prädikat mitgibt, modern zu ſein. Man ſagt aber ſtets und ſtändig: ja, wegen Groß⸗ Berlin können wir derartige Sachen nicht unter⸗ nehmen. Ich bin aber der Meinung, daß wir auf dieſem Gebiete ſelbſtverſtändlich ſchon arbeiten könnten, etwas ſchaffen könnten, damit Groß⸗ Berlin und die umgebenden. Ortſchaften etwas von Charlottenburg lernen, oder aber auch von Charlottenburg dazu getrieben werden, etwas zu tun. Ich meine, werte Herren, hier iſt einmal Gelegenheit geboten, auf wirklich ſozialem Gebiete etwas Ordentliches zu ſchaffen, wo Sie einem großen Teil der Steuerzahler ganz gewaltig helfen könnten, und Ihr Anſehen wird in dem Kreiſe der Steuerzahler ganz erheblich ſteigen. Es wird nun geſagt: die Statiſtik beweiſe nicht, daß eine große Arbeitsloſigkeit vorhanden iſt. Ja, meine Herren, warum kommt man nicht zu den Gewerkſchaften ſelber und holt ſich dort dasMaterial? Es iſt geſagt worden: wir ſind bei den Arbeitgebern geweſen, bei über 20 Firmen, und haben uns dort Material eingeholt, und dieſe 20 Firmen haben erklärt, daß Entlaſſungen nicht weiter ſtattfinden. Dieſe Erklärungen können aber in keiner Weiſe ſtichhaltig ſein. Ich weiſe nur darauf hin, wie man plötzlich 2000 Arbeiter, bei dieſer großen Arbeitsloſigkeit, zum Tore hinausgejagt hat. Ob man auch dieſe Firmen gefragt hat? Fragen Sie doch die Gewerk⸗ ſchaften, die Arbeitsloſenunterſtützungen zahlen! Fragen Sie auch die Seite der Arbeiter, wie es mit der Arbeitsloſigkeit beſtellt iſt! Nicht immer zu den Herren Arbeitgebern hingehen, ſondern gehen Sie auch zu den Arbeitnehmern und befragen dieſe! Und halten Sie beide Reſultate mal hübſch neben⸗ einander! Dann werden Sie vielleicht ein ganz anderes Bild bekommen. Nun, was der Herr Stadthagen geſagt hat! Ich weiß nicht, ob er ſeine letzten Ausſagen wirklich ernſt genommen hat; ich konnte ſie für ernſt nicht auffaſſen. In mir tauchte das Gefühl auf, daß Herr Kollege Stadthagen noch niemals Steine geklopft hat; ſonſt würde er anders reden. (Stadtv. Holz: Er iſt ja Feinmechaniker! — Große Heiterkeit.) 90 — Ja, meine Herren, ich habe ſchon was anderes geklopft als Steine! 1 (Heiterkeit.) Was die beiden Anträge des Ausſchuſſes betrifft, 1 und II, die hier ſo warm empfohlen werden, — dieſe Anträge beſagen rein gar nichts. Was be⸗ deutet der erſte Antrag? Ein Vertrauensvotum. Was bedeutet der andere Antrag? Eine Erwägung. Es iſt in Charlottenburg ſchon viel erwogen; es wird erwogen und erwogen, und zum Schluſſe haben wir uns tatſächlich verwogen — da bleibt nämlich von der Erwägung nichts übrig. So ſieht das aus, und ſo ſcheint es auch hier zu ſein. Ich erinnere Sie an die denkwürdigen Ausführungen, die hier vor zwei Jahren gepflogen worden ſind. Auf die Frage meiner Freunde: was ſoll geſchehen auf Grund der Arbeitsloſigkeit“ hat man auch geſagt: es iſt nicht ſo ſchlimm uſw.; man hat die Sache wieder bei Seite geſchoben. Ich bin der feſten Überzeugung: wollen wir etwas ſchaffen, ſoll etwas geſchehen, dann lehnen Sie rundweg beide Anträge ab, und nehmen Sie den von meinen Freunden geſtellten Antrag an! Dann haben wir jedenfalls den Willen bezeugt und betont, daß etwas gemacht werden ſoll, und haben dazu bei⸗ getragen, daß in dem großen Kreiſe Groß⸗Berlins eine Stadt ſich aufgeworfen hat, die nicht mehr dieſen langſamen Weg der Erwägungen gehen will. (Stadtv. Hirſch: Bravo!) Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren, Herr Kollege Stadthagen will ebenfalls für die Aus⸗ ſchußanträge ſtimmen, (Stadtv. Dr Stadthagen: Nein, nur für den erſten Antrag!) hat aber gleichzeitig erklärt, daß ſeine Meinung dabei iſt, ausdrücklich dem Magiſtrat mit auf den Weg zu geben, daß ſtädtiſche Mittel nicht ver⸗ wendet werden ſollen für Zwecke der Arbeitsloſen⸗ verſicherung! Dann ſollte der Herr Kollege Stadt⸗ hagen in einem klaren Antrage das doch zum Aus⸗ druck bringen. Daraus, daß Herr Kollege Stadt⸗ hagen trotz dieſer Meinung für den Ausſchuß⸗ antrag I1 ſtimmen zu wollen erklärt, 4 (Widerſpruch des Stadtv. Dr Stadthagen) in der Hoffnung, daß die Erwägungen des Ma⸗ giſtrats in ſeinem Sinne ſich bewegen werden, daraus erſehen alle diejenigen, die mit dieſem Antrage die Meinung ausdrücken wollten, es ſolle aus den Erwägungen etwas herauskommen, wie verkehrt ein ſolcher Antrag iſt, wie abſolut nichts⸗ ſagend er iſt. Wenn ſelbſt ein Mann mit den An⸗ ſchauungen des Herrn Kollegen Stadthagen über Arbeitsloſenverſicherung, über Aufwendung ſtädti⸗ ſcher Mittel zur Arbeitsloſenverſicherung erklärt, für einen ſolchen Antrag ſtimmen zu können, ſo meine ich, daß alle diejenigen, die noch irgendwie zweifelhaft waren, ob zum mindeſtens das zweite Amendement unbedingt notwendig iſt, dadurch überzeugt werden, wenn ſie ehrlich dem Aus⸗ druck geben wollen, daß ſie der Meinung ſind: ſtädtiſche Mittel für die Arbeitsloſenverſicherung ſind zu verwenden, — daß ſie dann wenigſtens für dieſes zweite Amendement unbedingt ſtimmen müſſen. Herr Kollege Wöllmer hat eigentlich in recht warmer Weiſe, möchte ich ſagen, für den urſprüng⸗ lich von mir und meinem Kollegen Zietſch im Ausſchuß geſtellten Antrag geſprochen. Dieſer