aufgeworfen werden kann: welche Verantwortung ergibt ſich für die Stadt Charlottenburg hieraus? Ich nehme Bezug auf den Aufſatz der Juriſtiſchen Wochenſchrift, den ich bereits angezogen habe, in dem mit vollem Recht auch unter Hinweis auf alle dieſe Erwägungen darauf aufmerkſam gemacht iſt, daß in eine ſolche Rechtsberatungsſtelle in erſter Linie ein Juriſt hinein gehört. Der Herr Oberbürgermeiſter hat im Jahre 1904 die Bedürfnisfrage verneint. Ja, meine Herren, ich glaube, auf die Bedürfnisfrage hier heute ein⸗ zugehen nach dem Zahlenmaterial, das ich Ihnen mitgeteilt habe, erübrigt ſich vollkommen. Wenn von den 28 Großſtädten über 100 000 Einwohner in Preußen 24 derartige Rechtsberatungsſtellen eingerichtet haben, ich meine, daß daraus ſich ohne weiteres die Bejahung der Bedürfnisfrage ergibt, und daß wir nicht viel zu prüfen haben, ob für Charlottenburg ein beſonderes Bedürfnis vorhanden iſt. Ich müßte im übrigen alle die Momente noch⸗ mals vortragen, die im Jahre 1904 hier für die Einrichtung der Rechtsberatungsſtelle geltend ge⸗ macht worden ſind; ich glaube, zurzeit wenigſtens nicht nötig zu haben, das zu tun. Wir werden ja wohl ſpäter noch Gelegenheit haben, uns mit der Sache umgehend zu beſchäftigen. Es wurde von dem Herrn Oberbürgermeiſter damals das Intereſſe der Stadt geltend gemacht. Möglicherweiſe, meinte er, könnte eine ſolche Rechtsberatungsſtelle benutzt werden, um Aus⸗ kunft und Rat zu erteilen in Prozeſſen gegen die Kommune; nun: möglicherweiſe! Aber es kann ja durch entſprechende Organiſation einem ſolchen Mißbrauch der Rechtsberatungsſtelle entgegen⸗ gewirkt werden. Im übrigen halte ich es ſogar für möglich, daß unter Umſtänden, wenn in ver⸗ ſtändiger Weiſe auch in Prozeſſen gegen die Stadt eine Rechtsauskunft erteilt wird, dies vielleicht für die Stadt gar nicht unerwünſcht ſein kann, indem mancher, der heute die Stadt mit Beſchwerden und Petitionen, womöglich noch gar mit Prozeſſen beſtürmt und bedroht, durch die Rechtsberatungs⸗ ſtelle auf den richtigen Weg gewieſen wird, ſodaß die Stadt nicht zu befürchten braucht, daß ihr Intereſſe gefährdet werden könnte. Dann hat der Herr Oberbürgermeiſter geſagt: keine Bevormundung der Bürger. Selbſtverſtändlich vollſtändig mein Standpunkt! Ich würde der Letzte ſein, der irgendeine Maßregel treffen wollte, die zur Bevormundung der Bürger führen könnte. Aber ich kann nur den bevormunden, auf den ich einen gewiſſen Zwang ausübe, in der einen oder anderen Richtung tätig zu ſein oder eine Tätigkeit zu unterlaſſen. Hier wird ſelbſtverſtändlich kein Zwang ausgeübt, daß A oder ) zu der gemein⸗ nützigen Rechtsauskunftsſtelle kommt, ſondern es iſt ſein vollkommen freier Wille. Von Bevor⸗ mundung iſt alſo keine Rede, ebenſowenig, wie wir mit der Volksbadeanſtalt die Bürger bevor⸗ munden; wir treiben ſie ja nicht direkt ins Waſſer hinein! Ebenſo würden wir mit der Rechtsbe⸗ ratungsſtelle die Bürger nicht bevormunden; denn wir treiben ſie auch nicht in die Rechtsberatungs⸗ ſtelle hinein, ſondern überlaſſen es der Einſicht eines jeden, ob er ſich der Rechtsberatungsſtelle bedienen will. Endlich hat der Herr Oberbürgermeiſter aus⸗ geſprochen, der Miniſter hätte ſich hübſch an die Amtsgerichte wenden ſollen. Ihm ſchwebte wohl die Königsberger Einrichtung vor. Bei dem dortigen 104 Amtsgericht beſteht eine ſolche Rechtsberatungs⸗ ſtelle — ich weiß nicht, ob ſie noch beſteht —, die einen ſehr hübſchen Namen führte: ſie hieß nämlich W tube. ochenſtube Sane Meine Herren, eine derartige Gerichtsſtelle, in der in Rechtsfragen ein Referendar fungiert, wird, glaube ich, gerade die Fragen, um die es ſich hier handelt, nicht in erſchöpfender Weiſe behandeln können. Außerdem handelt es ſich dort in der Regel um Eingaben, die direkt fürs Gericht beſtimmt ſind. Aber der Miniſter hätte ja möglicher⸗ weiſe den Amtsgerichten ein erweitertes Tätig⸗ keitsfeld geben können! Meine Herren, das hätte der Miniſter auch ſchließlich bei den Kaufmanns⸗ gerichten und bei den Gewerbegerichten tun können; er hat es aber vorgezogen, es nicht zu tun und die Angelegenheiten an die Kommunen abzuſchieben. Sollen wir nun in den Kommunen mit dieſen Angelegenheiten warten, bis der Miniſter ſich eines beſſern beſinnt? Ich glaube, wir werden ſehr lange warten können. Dann werden Rechts⸗ beratungsſtellen dem Publikum überhaupt niemals, überhaupt nirgends zur Verfügung geſtellt werden. Ich weiſe wiederum auf die vorhin angegebenen Zahlen hin, und ich meine, daß die Stadt Char⸗ lottenburg, obgleich ſie doch ſonſt auf ſozialem Gebiete, nach verſchiedenen Richtungen hin geradezu vorbildlich wirkend, als Pionier angeſehen werden kann, auf dieſem Gebiete nachgehinkt iſt, und hoffe, daß man ſich eines beſſeren beſinnen und dem Beiſpiele der übrigen 24 Städte folgen wird. Ich komme nun zu der Frage, in welcher Weiſe wohl die Stadt Charlottenburg am beſten die An⸗ gelegenheit zu ordnen imſtande ſein wird, und da möchte ich von vornherein ſchon — und das iſt ja auch in dem Antrage zum Ausdruck gebracht — den Einwänden die Spitze abbrechen, die dahin gehen: es darf die Kommune als ſolche nicht ſich mit der Sache befaſſen. Ich möchte auch nicht, daß die Kommune als ſolche die gemeinnützige Rechts⸗ beratungsſtelle einſetzt, ſondern ich möchte, daß die Kommune ſich mit dem Gemeinnützigen Verein für Rechtsauskunft in Verbindung ſetzt und ihn veranlaßt, hier eine gemeinnützige Rechtsberatungs⸗ ſtelle einzuſetzen. Meine Herren, dieſer Gemein⸗ nützige Verein für Rechtsauskunft iſt im Jahre 1907 gegründet und hat heute in Groß⸗Berlin ſchon eine Anzahl Stellen, in denen unentgeltlich Rechtsaus⸗ kunft erteilt wird; das ſind Stellen in der Stre⸗ litzer Straße, in der Gormannſtraße, in der Oranien⸗ ſtraße, in Rixdorf in der Steinmannſtraße, bei dem ſchwimmenden Schifferheim, und in Ausſicht ſteht eine Rechtsberatungsſtelle in Schöneberg; wahrſcheinlich wird dieſer Gemeinnützige Verein noch eine ganze Anzahl derartiger Stellen in Groß⸗ Berlin etablieren, und ich glaube, daß Städte wie Charlottenburg das lebhafteſte Intereſſe daran haben, den Gemeinnützigen Verein auch für die eigene Kommune zu gewinnen, was natürlich in der beſten Weiſe dadurch geſchieht, daß dem Verein eine Subvention gewährt iſt. Der Verein iſt tatſächlich ein unpolitiſcher, iſt tatſächlich ein vollſtändig gemeinnütziger; die Namen der Per⸗ ſonen, die an der Spitze des Vereins ſtehen, bieten die vollſte Garantie dafür, daß keinerlei Mißbrauch von dieſem Verein ausgehen könnte: da ſteht z. B. an der Spitze der Oberlandeskulturgerichtsrat Ortmann, der Rixdorfer Bürgermeiſter Kaiſer, ein Rechtsanwalt, dann gehören zu den Beſitzern