—— 111 „Der § 8 des Reichsgeſetzes über die Erwerbung und den Verluſt der Reichs⸗ und Staatsangehörig⸗ keit vom 1. Juni 1870 iſt insbeſondere in den Zif⸗ fern 2, 3 und 4 eine wörtliche Nachbildung des Preußiſchen Geſetzes über die Erwerbung und den Verluſt der preußiſchen Untertanſchaft vom 31. De⸗ zember 1842 (§ 7 ebendort). Dieſer Paragraph 7 des Geſetzes vom 31. Dezember 1842 ſchrieb vor daß die Landespolizeibehörden verpflichtet ſind, vor Erteilung der Naturaliſationsurkunden die Gemeinde desjenigen Ortes, wo der Aufzunehmende ſich niederlaſſen will, in Beziehung auf die Er⸗ forderniſſe der Ziffer 2, 3 und 4 des jetzigen § 8 des Reichsgeſetzes zu hören und ihre Ein⸗ wendungen zu beachten. Die Pflicht zur Beachtung der Einwendung beſteht heute nicht mehr. Schon bezüglich dieſer Vorſchrift, die zur Zeit der Geltung der Städteordnung von 1808 bzw. der revidierten Städteordnung von 1831 beſtand, herrſchte Streit, wer die betreffende Erklärung für die Gemeinde abzugeben hatte. Ein Erlaß des Miniſters des Innern vom 29. Juni 1843 S. 216 des Miniſterialblattes von 1843 erklärte „es um ſo weniger bedenklich, daß der Magiſtrat als Gemeindevorſtand die bezügliche Erklärung abgebe, als dieſer die Gemeinde nach außen hin überall zu vertreten hat und eine Zuſtimmung der Gemeinde⸗Repräſentation überhaupt nur in dem Falle erforderlich iſt, wo ſie das Geſetz ausdrücklich verordnet“. Mit Rückſicht auf dieſen Erlaß haben die Kommentatoren des Reichsgeſetzes, insbeſondere Kahn, unter wörtlicher Anlehnung an den Miniſte⸗ rialerlaß den Magiſtrat für berechtigt erklärt, die betreffende gutachtliche Außerung der Landes⸗ polizeibehörde allein zu erſtatten. Die betreffende, durch den Erlaß von 1843 auf eine Beſchwerde be⸗ ſchiedene Stadtverordnetenverſammlung hat gegen den Erlaß des Miniſters vom 29. Juli 1843 den Weg der Immediatvorſtellung beſchritten. Durch Allerhöchſte Kabinettsordre vom 15. Juni 1844 hat ſich indes der König mit der Anſchauung des Mi⸗ niſters einverſtanden erklärt und die Beſchwerde als unbegründet zurückgewieſen. Mit der Be⸗ kanntgabe dieſer Kabinettsordre hat der Miniſter eine weitere Begründung ſeines Stand⸗ punktes (S. 219/220 des Min.⸗Bl. der Inneren Verwaltung von 44) gegeben und in dem be⸗ treffenden Erlaſſe ausgeführt, daß das Geſetz über den Erwerb der Untertanſchaft mit dem vom gleichen Tage laufenden Geſetz über die Aufnahme neu anziehender Perſonen in Verbindung ſtehe, und daß in dieſem Geſetz die Entſcheidung darüber, ob dem Neuanziehenden der Aufenthalt in einer Gemeinde zu geſtatten oder aus irgendeinem Grunde zu verſagen, nur dem Gemeinde⸗ vorſtand ohne Konkurrenz der Stadtverordneten zuſtehe. Denn der § § des Aufnahmegeſetzes lege die Entſcheidung in die Hände der Polizeiobrigkeit, welche in der Regel der Magiſtrat ſei, und der § 10 beſtimme, daß da, wo die Polizeiobrigkeit von dem Gemeindevorſtand getrennt ſei, die erſtere vor der Entſcheidung über die Aufnahme des Neuanzie⸗ henden den „Gemeinde vor ſtan d“ mit ſeiner Erklärung hören müſſe. Der Miniſter verweiſt ferner darauf, daß der Gemeindevorſtand auch deshalb allein berechtigt ſei, die Erklärung abzu⸗ geben, weil ihm allein auch die An⸗ nahme neuer Bürger obliege. In dieſem zweiten Miniſterialerlaß wird alſo die Ver⸗ tretung der Stadtgemeinde nach außen nicht mehr als entſcheidender Grund für die alleinige Zu⸗ ſtändigkeit des Gemeindevorſtandes erachtet. Die Gründe des Miniſterialerlaſſes vom 30. Januar 1844 treffen im weſentlichen auch heute noch zu. Die Anhörung der Gemeinde ge⸗ ſchieht behufs Wahrung der Rechte der Gemeinde in Anſehung der Abwehr neu entſtehender armenrechtlicher Verpflichtungen. Die Wahrnehmung der Rechte der Gemeinde in dieſem Sinne iſt ein Akt der laufenden Verwaltung und ſteht gemäß § 56 Ziffer 5 allein dem Gemeindevorſtand zu: denn nach § 35 der Städteordnung hat die Stadt⸗ verordnetenverſammlung nur über diejenigen An⸗ gelegenheiten zu beſchließen, die nicht ausſchließlich dem Magiſtrat überwieſen ſind. Das iſt durch § 56 Ziffer 5 für die Abgabe der erforderlichen Erklärung bei Naturaliſationsgeſuchen geſchehen. Es läßt ſich dies auch durch Bezugnahme auf die gegenwärtig geltenden Beſtimmungen des Frei⸗ zügigkeitsgeſetzes weiter erhärten. Das Frei⸗ zügigkeitsgeſetz vom 1. November 1867 beſtimmt im § 4: „5ie Gemeinde“ iſt zur Abweiſung eines Neuanziehenden befugt, wenn ſie nachweiſen kann, daß derſelbe nicht ausreichende Kräfte beſitzt, um ſich und ſeinen nichtarbeitsfähigen Angehörigen den notdürftigen Lebensunterhalt zu verſchaffen. Es iſt anerkannt rechtens, daß die Wahrnehmung der aus dem § 11 des Freizügigkeitsgeſetzes ſich erge⸗ benden Befugniſſe dem Gemeindevorſt an d obliegt (vgl. Oertel, 4. Aufl., Bemerkung zu § 565). Auf demſelben Standpunkt ſteht der Miniſterial⸗ erlaß von 10. Januar 1890 (S. 36 des Miniſterial⸗ blattes der Inneren Verwaltung von 1890). Trifft ſonach für das Freizügigkeitsgeſetz aus dem ange⸗ gebenen Grunde es zu, daß die Zuſtändigkeit des Magiſtrats die bezüglichen Erklärungen allein zu geben hat, trotzdem das Freizügigkeitsgeſetz ſich gleichfalls der Worte der Faſſung bedient („die Gemeinde“ iſt zur Abweiſung befugt), ſo muß auch dasſelbe für die gemäß § 8§ des Reichsgeſetzes über den Erwerb und Verluſt der Staatsangehörigkeit abzugebenden Erklärungen gelten. Die vom Ma⸗ giſtrat vertretene Anſchauung vertritt Hue de Grais, der ausdrücklich erklärt: „über die Naturaliſation iſt der Vorſtand der Gemeinde oder des Armenver⸗ bandes zu hören“. Die Erklärung über die Unbeſcholtenheit des Lebenswandels würde im übrigen, ſoweit nicht der § 56 Ziffer 5 in Frage käme, dem Magiſtrat als Ortsobrigkeit gemäß § 56 der Städteordnung obliegen, da die Ausſtellung von Leumundszeugniſſen auch obrigkeitlicher Natur iſt und keine Gemeindeverwaltungsangelegenheit darſtellt.“ Meine Herren, im Ausſchuſſe wurde dann im Anſchluß hieran gründlich erörtert, ob und inwie⸗ weit der Magiſtrat für den inneren Verkehr durch die Stadtverordnetenverſammlung gebunden werden könne. Denn daß der Magiſtrat nach außen hin die Erklärung allein abgibt, darüber beſteht kaum ein Zweifel. Es herrſchte im Ausſchuſſe darüber Einſtimmigkeit, daß jedenfalls eine Beſtimmung möglich wäre, nach der die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung von dem Magiſtrat verlangt, daß der Magiſtrat in jedem Falle der Naturaliſierung die Stadtverordnetenverſammlung hört. Es wurde aber weiter in dieſer Angelegenheit geprüft, wie die Dinge tatſächlich heute liegen. Dabei ſtellte ſich heraus, daß der Wahlausſchuß nur