188 — von einzelnen Gemeinden haben ſtattgefunden. für die Hausinduſtrie arbeiten, daß weiter eine rundlage, auf der die Reviſion ſtatt⸗ finden ſoll, mitgeteilt worden; es iſt auch öffent⸗ lich im Reichstage erklärt worden, daß gerade die Frage der Heimarbeiter oder Hausinduſtriellen, die allen Parteien am Herzen liegt, geregelt werden ſoll. Die ganze Krankenverſicherung wird auf einen andern Boden geſtellt, wird vereinfacht werden. Es werden die vielen Inſtanzen, die Zwergkaſſen, die wir jetzt haben, die vielen Re⸗ ſervefonds vereinigt, um wirklich etwas Ordent⸗ liches zu machen. Jetzt haben wir einige 20 Kaſſen in Charlottenburg. Später wird man daraus vielleicht eine machen. Dann werden die Kaſſen ordentliche Reſervefonds haben und werden die Leiſtungen erhöhen können. Die ganze Verwaltung wird vereinfacht ſein. Es wird kein Fragen mehr ſein: gehört der zu jener, der zu dieſer Kaſſe? Das ganze Meldeweſen wird vereinfacht, die ewige Melderei von einer zur andern Kaſſe wird aufhören. Es wird alſo eine radikale Veränderung der ganzen Krankenverſicherung ſtattfinden. Und in dieſem Moment ſollen wir in dieſe überaus ſchwierige Materie eintreten, ſollen ſie durch Ortsſtatut bei uns zu regeln verſuchen? Davon möchte ich dringend abraten. Hat es ſo lange ge⸗ dauert, dann kann es, da die allgemeine Regelung wirklich vor der Tür ſteht, auf ein paar Monate nicht ankommen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Glauben Sie nur nicht, meine Herren, daß ſich die Sache ſo aus dem Armel ſchütteln läßt, daß man einfach nur ein paar Statuten nimmt und ſagt: nach bewährtem Muſter machen wir es auch. So einfach geht das nicht. Es müſſen eine Unmenge Leute angehört werden, müſſen angefragt werden; darüber vergehen Monate. Die ganze Struktur der Sache iſt überaus ſchwierig; daran haben ſich ſchon Leute, die nichts anderes getan haben, die Zähne ausgebiſſen; ſie haben nichts Ordentliches geſchaffen. Es würde wirklich vergebene Liebes⸗ müh ſein, wenn wir im letzten Moment die Frage anregen wollten, wo uns der Bezirksausſchuß oder der Regierungspräſident ſagen würde: es kommt ja gleich eine neue Sache, in die ſteige ich nicht erſt hinein. Hier iſt nicht nur eine kleine Novelle, ſondern eine grundlegende Abänderung der ganzen Krankenverſicherungsgeſetzgebung beabſichtigt. Im übrigen, meine Herren, befinden ſich die Leute durchaus in keinem Notſtand. Erſtens hat Charlottenburg nur verhältnismäßig ſehr wenige Hausgewerbetreibende; die große Mehrzahl ſitzt in den Vororten im Oſten und Norden, in Rixdorf uſw. Wenn vorhin die Zigarreninduſtrie erwähnt worden iſt, ſo iſt Ihnen bekannt, daß dem Reichstage eine Vorlage vorliegt. (Stadtv. Zietſch: Die Verſicherungspflicht wird doch darin nicht geregelt!) Sie ſoll bei dieſer Gelegenheit — ſolche Anträge habe ich wenigſtens geleſen — auch geſtreift werden. Doch laſſen wir die Zigarreninduſtrie. Jedenfalls liegt bei uns nicht der Schwerpunkt der Großberliner Hausinduſtrie, es ſind hier verſchwindend wenig. Die Allgemeine Orts⸗ krankenkaſſe, die für dieſe Verſicherung überhaupt in Frage kommen könnte, hat ſich dahin geäußert, daß die große Mehrzahl dieſer Hausinduſtriellen zunächſt eine verſicherungspflichtige Beſchäftigung annehmen und dann als freiwillige Mitglieder Es iſt die G Anzahl in den ihnen viel bequemeren Hilfskaſſen Aufnahme finden, die ihnen das ewige An⸗ und Abmelden erſparen. Die Leute wollen zum Teil gar nicht verſichert werden. Sie 1710 in Berlin die ewige Klage; kein Menſch will ver⸗ ſichert werden. Es ſind auch Leute darunter, die ſich nur in der ſogenannten Saiſon einige Wochen lang beſchäftigen, ſonſt gar nicht arbeiten. Es gibt überhaupt keine ſo verſchiedenartige Arbeiter⸗ bevölkerung wie gerade in der Hausinduſtrie. Es ſind Leute darunter, die ſich nur ein paar Mark Taſchengeld verdienen wollen, wieder andere, die bloß ein paax Wochen arbeiten, dann welche, die ſich in der Hausinduſtrie beſchäftigen, wenn ſie gerade keine reguläre Arbeit haben. Alle dieſe müſſen, wenn das Ortsſtatut in Kraft tritt, in die Verſicherung gebracht werden. Jedenfalls iſt die Frage überaus ſchwierig, ſie läßt ſich nicht binnen kurzem regeln. Ich wieder⸗ hole nochmals: es wird nach meiner Meinung nichts verſäumt, wenn wir abwarten, was aus der Reviſion der Krankenverſicherung heraus⸗ kommt. Und das muß ſich doch in dieſer Seſſion herausſtellen; denn es iſt von dem Staatsſekretär Herrn v. Bethmann Hollweg zugeſichert worden, daß die Frage der Krankenverſicherung noch in dieſer Seſſion zur Löſung kommen ſoll. (Zurufe.) Meine Herren, ich rate Ihnen, wenigſtens ſo lange noch zu warten. Sollte dann wieder ein Vakuum eintreten, dann würde ich auch ſagen: nun warten wir nicht länger, wir wollen den Weg, wenn er auch nur unzureichend iſt, beſchreiten. Denn Sie erreichen dadurch, daß Sie ein Orts⸗ ſtatut machen — ſoviel ich weiß, hat unter unſeren Nachbarn nur Berlin ein Ortsſtatut —, nur, daß die Arbeitgeber den Leuten in den Orten mit Ortsſtatut keine Arbeit geben, weit ſie ſich ja ſonſt die Arbeit verteuern; ſie geben ſie vielmehr nach den Orten, wo keine Verſicherungspflicht beſteht. Sie können alſo dadurch vielen Leuten, die viel⸗ leicht jetzt eine kleine Zubuße durch Hausarbeit haben, die Arbeit wieder nehmen, und ob Sie damit gerade im Sinne derer handeln, denen Sie helfen wollen, iſt mir einigermaßen zweifel⸗ haft. Jedenfalls iſt die Frage überaus ſchwierig; ich wiederhole noch einmal: wir müſſen abwarten, was die Geſetzgebung in dieſer Beziehung ſchafft, und dann vielleicht eintreten. große Stadtv. Meyer: Meine Herren, ich hatte die Abſicht, mit wenigen Worten die Zuſtimmung meiner Freunde zu dem Antrage des Herrn Kollegen Zietſch zu erklären. Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch machen es mir unmöglich, dieſe Abſicht auszuführen. Herr Kollege Zietſch hat zwar vorausgeſchickt, daß es nicht angängig ſei, auch nur kurz die wichtigſten Punkte der Frage der Heim⸗ arbeiterverſicherung hier zu erörtern. Das hat ihn aber nicht abgehalten, ſich über eine Reihe anderer Fragen, die nach meinem beſcheidenen Dafür⸗ halten nur in ſehr oberflächlichem Zuſammenhange mit jener ſtehen, zu verbreiten. Wenn ich auch nicht dem Fluge durch die Sozialpolitik, den Herr Kollege Zietſch genommen hat, folgen will, ſo kann ich mir doch einige Bemerkungen gegenüber ſeiner Darſtellung des ganzen Problems der Heimarbeit nicht verſagen.