Dann iſt die komplizierte Frage zu entſcheiden, ob den Beiträgen und den Unterſtützungen zugrunde gelegt werden ſoll der ortsübliche Lohn oder ein Prozentſatz des wirtlichen Arbeitsverdienſtes. Für letzteres Verfahren ſpricht, daß gerade bei den Hausgewerbetreibenden der verdiente Lohn den einzigen Maßſtab bildet für die Bemeſſung der auf⸗ gewendeten Tätigkeit. Auch würde ſich dadurch die Haftpflicht des Arbeitgebers für ſeine Hausgewerbe⸗ treibenden, Zwiſchenperſonen und deren Hilfs⸗ perſonen ſachgemäß durch einen Prozentſatz des tatſächlich ausgezahlten Lohns beſchränken, ohne daß ein Rückgriff des einen Arbeitgebers auf den andern bei gleichzeitiger Beſchäftigung ſich als nötig herausſtellen würde. 5 4% Das, meine Herren, ſind nur einige wenige von den Fragen, die unterſucht werden müſſen. Sie werden ſchon daraus erſehen, daß ich mit Herrn Stadtrat Boll die Schwierigkeit der Materie durch⸗ aus anertenne. Aber ich muß mich doch auf das entſchiedenſte dagegen wenden, daß dieſe Schwierig⸗ feit der Materie ein Grund dafür ſein ſoll, ihre Ordnung hinauszuſchieben, bis etwa das Reich dazu übergeht, das ſeinerſeits zu machen. Herr Stadtrat Boll hat geſagt, die Heimarbeiter Charlottenburgs leiden keinen Notſtand. Ich meine, das iſt ein Moment, das für uns gar nicht in Betracht kommen kann. Denn es iſt ja die Tendenz der Verſicherungs⸗ geſetze, dem Notſtande in tritiſcher Zeit vorzubeugen, dafür zu ſorgen, daß alsdann durch die Verſicherung der Notſtand verhindert wird. Und wenn Herr Stadtrat Boll meint, daß bisher nur Berlin ſolche Vorſorge getroffen habe, ſo geſtatte ich mir, dieſen Irrtum dahin zu berichtigen, daß außer Berlin meines Wiſſens Aachen, Köln, Leipzig, Dresden und noch andere Kommunen ein Ortsſtatut für die Heimarbeiterverſicherung bereits beſitzen. (Stadtrat Boll: In Groß⸗Berlin, habe ich gemeint! Wenn ſchließlich Herr Stadtrat Bolluns auf den Bundesrat verweiſt, ſo iſt dem gegenüber feſtzu⸗ ſtellen, daß der erſte Entwurf eines Bundesratsbe⸗ ſchluſſes zur Regelung der Angelegenheit aus dem Jahre 1902 datiert, alſo 6 Jahre alt iſt. (Hört, hört!) Bei dieſer Schnelligkeit des Arbeitens der Reichs⸗ geſetzgebung meine ich doch, daß wir gut tun, nicht darauf zu warten, bis eine reichsgeſetzliche Regelung erfolgt. Erfolgt ſie, während der Magiſtrat ſich mit der Angelegenheit beſchäftigt, nun, ſo iſt das kein Fehler, zumal die allgemeine Regelung immerhin lotalen Statuten Raum laſſen dürfte und die Studien, die dafür aufgewandt ſind, dann jedenfalls nicht vergeblich geweſen ſein werden. Aus dieſem Grunde, meine Herren, erſuche ich Sie nochmals, dem Antrage des Herrn Kollegen Zietſch mit der von mir vorgeſchlagenen Abänderung zuzuſtimmen. Und ich bitte den Magiſtrat, in dieſe Arbeit mit rechter Energie einzutreten, damit wirklich das ſoziale Ziel erreicht wird, deſſen Er⸗ reichung für notwendig gehalten wird — das möchte ich zum Schluſſe meiner Ausführungen noch ganz beſonders betonen — nicht nur von den Arbeit⸗ nehmern, ſondern auch von den Arbeitgebern, deren Vertretungen ſich wiederholt in entſchiedener Form für die Verſicherung der Hausgewerbetreibenden ausgeſprochen haben. (Bravo!) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Der Antrag des Herrn Stadtv. Meyer lautet: In dem Antrage der Stadtv. Zietſch und Gen. iſt das Wort „Heimarbeiter“ zu erſetzen durch das Wort „Hausgewerbetreibende“. Stadtv. Liſſaner: Meine Herren, ich wollte mich auch nach der ausführlichen Darlegung des Herrn Antragſtellers darauf beſchränken, zu erklären, daß jedenfalls meine Freunde mit dem Vorſchlage und dem Antrage einverſtanden ſind. Aber es geht mir genau ſo wie dem Herrn Vorredner: auch ich fühle mich veranlaßt, die Motive des Herrn Antragſtellers etwas zu beleuchten. Ich glaube, es iſt nicht praktiſch, daß, wenn man Anträge ſtellt, die von allen Seiten auf Zuſtimmung rechnen können, man die Begründung mit einer derartig ſcharfen Kritik durchſetzt, namentlich gegenüber einer ſozialen Geſetzgebung wie der unſrigen, die einzig in der Welt daſteht. Herr Kollege Zietſch wird doch wohl einräumen müſſen, daß es kein anderes Reich in der Welt gibt als das Deutſche, das imſtande iſt, täglich eine Million Mark an Verſicherungsrenten und ſonſtigen Verſicherungen zu zahlen. Das kann man, glaube ich, doch unterſtreichen. Wenn damit auch noch nicht das Allervollkommenſte geſchaffen iſt, um allen Jammer und alles Elend der Welt zu beſeitigen, ſo müſſen das doch auch die Antragſteller anerkennen. Der Herr Antragſteller hat ſodann von den⸗ jenigen Unternehmern geſprochen, die ſich ihren ſozialen Pflichten zu entziehen ſuchen. Da möchte ich mir doch die Bemerkung erlauben, daß gerade unter dieſen ſich ein ſehr großer Teil von Zwiſchen⸗ meiſtern befindet, die, wenn ſie ſich ihrer ſozialen Pflicht nicht entziehen wollten, es vollſtändig in der Hand hätten, für die Heimarbeiter, die ſie be⸗ ſchäftigen, zu ſorgen und die ſoziale Pflicht der Ver⸗ ſicherung zu übernehmen. Zur Sache ſelbſt möchte ich mir die Bemerkung erlauben, daß die Schwierigkeiten wohl etwas über⸗ ſchätzt werden. Der Hauptanteil an den Heim⸗ arbeitern fällt hauptſächlich zwei Branchen zu, der Textilbranche zu 52% und der Bekleidungsbranche zu 33%; dieſe beiden Branchen machen ſchon 85% der geſamten Heimarbeiter aus. Hieraus ergibt ſich, daß ſich die Unterſuchung der Verhältniſſe abſolut nicht ſo ſchwierig geſtalten wird, wie es auf den erſten Blick den Anſchein hat. Seitens des Magiſtrats iſt darauf hingewieſen worden, daß wohl zu hoffen iſt, daß die Reichsre⸗ gierung energiſche und durchgreifende Schritte tun wird, um die ganze Materie zufriedenſtellend und obligatoriſch für das ganze Reich zu erledigen. Da möchte ich doch darauf aufmerkſam machen, daß ſchon im April 1907 Herr Graf Poſadowsky im Reichstage erklärte, daß er ſich die Aufgabe geſtellt habe, die Krankenverſicherung auf die Heimarbeiter, aber auch auf die ländlichen Arbeiter auszudehnen. Ich glaube, daß in dieſem Zuſatz die Schwierigkeit zu finden iſt, und daß in abſehbarer Zeit wohl kaum von der Reichsregierung eine allgemeine Aus⸗ dehnung der Krantenverſicherung auf ſämtliche Arbeiter ohne Unterſchied im Reiche durchgeführt werden wird. Iſt die Sache aber tatſächlich ſo ſchwierig, wie ſie vom Magiſtrat geſchildert wird, ſo wird, ſo hoffe ich, der Magiſtrat von Ehar⸗ lottenburg gerade in der Schwierigkeit einen An⸗ ſporn ſehen, ein Ortsſtatut feſtzuſtellen, das muſter⸗ gültig und vielleicht das hervorragendſte und beſte in Deutſchland ſein wird. Das möchte ich wünſchen, damit wir zeigen, was der Herr Antragſteller zum