— 165 Stadtv. Jolenberg: Meine Herren, die Ant⸗ wort des Herrn Bürgermeiſters beweiſt mir, daß beſſer im Walde errichtet wird, in der Jungfern⸗ heide oder im Grunewald, und daß man auch dort er die Verhandlungen vom Dezember 1906 nicht an einer geeigneten Stelle eine Urnenhalle erbaut. mehr ganz im Gedächtnis hat; denn der Antrag unſerer Fraktion lautete urſprünglich gar nicht auf Errichtung von Urnenhallen, ſondern er lautete: „Die Unterzeichneten halten die Ausübung ſtäd⸗ tiſcher Aufſicht über das Begräbnisweſen für dringend erforderlich. Demzufolge wolle die Stadtverordnetenverſammlung beſchließen uſw.“ Begründet wurde damals der Antrag von dem Antragſteller damit, daß ſich außerordentlich viele Mißſtände in dem öffentlichen Begräbnisweſen, in der Leichenabfuhr uſw. gezeigt hätten, und daß andere Städte auf dieſem Gebiete Einrichtungen geſchaffen hätten, die die Antragſteller für gut und nachahmungswert halten. Es war urſprünglich von den Antragſtellern beabſichtigt, in erſter Reihe die ſtädtiſche Aufſich über das Begräbnisweſen zu fordern. Man hat ſich aber nachher auf den milderen Antrag geeinigt, um zunächſt genau über das bereits Beſtehende unterrichtet zu ſein. Daß große Mißſtände in Charlottenburg auf dieſem Gebiete beſtehen, iſt ja gar keine Frage. Nun hat allerdings der Herr Oberbürgermeiſter nach dem ſteno⸗ graphiſchen Bericht damals geſagt: Wir wollen wohl eine Enquete veranlaſſen, wir verſprechen uns aber nicht viel davon, bevor die Angelegenheit des Gemeindefried⸗ hofs erledigt iſt. Darauf hat aber der Antragſteller erwidert: zuerſt wollen wir mal das Ergebnis der Enquete kennen lernen; welche Anträge wir im Anſchluß an dieſe Enquete ſtellen werden, mag uns dann überlaſſen bleiben, um ſo mehr als wir uns nach keiner Richtung hin feſtgelegt haben. Schließlich iſt dann noch der Zuſatzantrag des Herrn Kollegen Dr Stadthagen mit angenommen worden, daß Erhebungen auch in bezug auf Leichenverbrennungs⸗ öfen, Urnenhallen uſw. gemacht werden ſollen. IIch möchte alſo den Herrn Bürgermeiſter bitten, doch veranlaſſen zu wollen, daß das Reſultat der Erhebungen nunmehr der Stadtverordneten⸗ verſammlung zugängig gemacht werde, damit wir imſtande ſind, es zu prüren und daran even uell unſere Anträge zu knüpfen. Bürgermeiſter Matting: Da der Magiſtrat auf dem Standpunkt ſteht, daß dadurch nur doppelte Arbeit veranlaßt werden würde, ſo ann ich auf die Anregung des Herrn Stadtv. Jolenberg eine Erklärung nicht abgeben. Ich ſtelle anheim, einen Beſchluß zu faſſen. Wenn Sie die Arbeit nicht aufſchieben wollen, ſo werden wir Ihnen das Material vorlegen. Zunächſt bin ich aber nicht anders in der Lage, als dieſe bedingte Erklärung abzugeben. Stadtv. Wöllmer: Der Herr Bürgermeiſter ſagte ſoeben, daß durch Annahme unſeres Antrages doppelte Arbeit entſtände. Ich möchte doch bitten, dieſe beiden Dinge, das, was Herr Kollege Stadt⸗ hagen, und das, was mein Freund Jolenberg vorgetragen hat, vollſtändig voneinander zu trennen. Auch ich ſehe nicht ein, warum das nicht möglich iſt. Es beſteh doch durchaus keine Not⸗ wendigkeit, eine Urnenhalle oder ein Krematorium auf einem Gemeindekirchhofe zu errichten oder überhaupt auf einem Kirchhofe. Ich perſönlich kann mir ſehr wohl vorſtellen, daß ein Krematorium Ich kann durchaus nicht finden, daß dieſe Frage mit der Frage der Errichtung eines Gemeinde⸗ friedhofs überhaupt verbunden werden muß. Ich gebe zu, daß der Antrag des Herrn Kollegen Stadt⸗ hagen von einem Optimismus getragen iſt, was die Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts in der Hagener Angelegenheit anbetrifft, und ſchließ⸗ lich auch von einem Optimismus inbezug auf die Beſchlüſſe der preußiſchen Regierung. Aber ich teile dieſen optimiſtiſchen Standpunkt, ſogar in dem zweiten Punkt, und meine, daß ſelbſt die preußiſche Regierung nicht in der Lage ſein wird, länger als ein, zwei Jahre mit der Erteilung der Erlaubnis einer fakultativen Leichenverbrennung zu zögern. Ich halte es nicht für möglich, daß die preußiſche Regierung ſich länger einer ſolchen Zu⸗ ſtimmung enthalten kann. Ich möchte nochmals bitten, dieſe Frage nicht mit der Errichtung eines Gemeindefriedhofs in Ver⸗ bindung zu bringen; denn, meine Herren, es geht ja aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Boll⸗ mann hervor: wenn wir auf die Zuſtimmung der Landespolizei für den Gemeindefriedhof warten wollten, dann würden wir, bis dieſe Zuſage er⸗ folgt, vielleicht alle zuſammen begraben ſein. (Heiterkeit.) Vorſteher⸗Stellv. r Hubatſch: Es iſt ein Antrag des Herrn Stadtv. Jolenberg eingegangen, welcher lautet: Ich beantrage, den Magiſtrat zu erſuchen, das Reſultat der Erhebungen zu Frage 15 der Stadtverordnetenverſammlung ſogleich zugehen zu laſſen. Stadtv. Zietſch: Selbſtverſtändlich ſind wir für den Antrag des Herrn Kollegen Jolenberg. Wir ſind auch in einer anderen Beziehung voll⸗ kommen derſelben Meinung wie der Herr Antrag⸗ ſteller. Wir ſehen in der Errichtung eines Krema⸗ toriums, in dem fortſchreitenden Gedanken der Leichenverbrennung auch einen Teil der fort⸗ ſchreitenden Kultur im allgemeinen. Den Opti⸗ mismus des Herrn Kollegen Stadthagen auf eine auf der eventuell günſtigen Entſcheidung des Ober⸗ verwaltungsgerichts ſich aufbauende Umwandlung der Geſinnung der preußiſchen Regierung teile ich nicht, weil bei dem ſtark verfrömmelnden Kurs in Preußen immer noch der Grundſatz gilt, daß außer der evangeliſchen Kirche kein Heil zu er⸗ warten ſei. Und die Kirche ſtellt ſich heute noch ſtrikt gegen die Leichenverbrennung. (Widerſpruch.) Sie macht das faſt zu einem konfeſſionellen Dogma. Einzelne Geiſtliche ſind ja allerdings ſo⸗ weit freiſinnig geworden, daß ſie eine andere An⸗ ſchauung angenommen haben. Ich erinnere an den Bremer evangeliſchen Geiſtlichen Kalthoff, der leider verſtorben iſt, der ein eifriger Vorkämpfer der Feuerbeſtattung war. Aber ſolche Geiſtliche können Sie in Preußen an den Fingern herzählen. In ihrer Mehrheit ſteht tatſächlich die Kirche, viel⸗ leicht wegen der finanziellen Vorteile, die ihr zu⸗ fließen, auf dem Standpunkt, den Herr Kollege Bollmann vorhin dargelegt hat. ce Aber ich meine, ſo wenig man die Frage des Gemeindefriedhofs mit der Errichtung eines