— 178 — biete, ſoweit es unſere Finanzverhältniſſe ermög⸗ lichen, mehr getan werden ſoll. Ich bitte, dem vorgeſchlagenen Etat Kapitel IV, Fortbildungsſchulen, mit den vorgetragenen Ab⸗ änderungen zuzuſtimmen. Stadtv. Zietſch: Der Herr Berichterſtatter hat ja der recht ausgiebigen Debatte Erwähnung getan, die im Etatsausſchuß über die Ausdehnung der Rechtsbelehrung an die Schüler der Fort⸗ bildungsſchulen ſtattgefunden hat. Wenn der Herr Berichterſtatter über die Erklärung des Ma⸗ giſtratsvertreters, daß ja in bezug auf die Bürger⸗ kunde unter dem Rubrum Deutſch ſchon verſchie⸗ denes von dem gelehrt wird, was im Ausſchuß gewünſcht wurde, daß es erſt in der Fortbildungs⸗ ſchule eingeführt würde, ſeine Befriedigung aus⸗ drückte, ſo kann ich mich dieſer Befriedigungs⸗ erklärung nicht ganz anſchließen. Das ſoll aber durchaus keine Verurteilung ſein, die ich der ſtädtiſchen Fortbildungsſchulbehörde zuteil werden laſſen möchte; das liegt mir vollſtändig fern. Denn aus dem Plan, den der Herr Stadtſchulrat uns zur Verfügung geſtellt hat, ergibt ſich ja, daß, was daß die ſtädtiſche Fortbildungsſchulbehörde dieſe Rechtsbelehrung anbetrifft, vieles in unſerer Fort⸗ bildungsſchule geleiſtet wird. Aber daß das geleiſtet wird, was im Etatsausſchuß mit beſonderem Nachdruck angeregt worden ar, möchte ich doch beſtreiten. Ss iſt richtig, daß hier und dort auf das rechtliche Verhältnis der jungen Leute im Zivil⸗ leben und in der gewerblichen Tätigkeit Rückſicht genommen wird. Aber über das Strafrecht wird in den zwei Plänen, die mir hier zu Gebote ſtehen, nichts geſagt. Ich nehme danach an, daß in den Fortbildungsſchulen das Strafrecht überhaupt un⸗ berührt bleibt. Ich betonte aber ſchon im Aus⸗ ſchuß, daß Belehrungen über das Strafrecht von ganz weſentlicher Bedeutung für die jungen Leute ſind, die ja über das ſtrafunmündige Alter hinaus ſind, wenn ſie aus der Fortbildungsſchule heraus⸗ kommen, vom Strafrichter alſo nicht mehr als ſtrafunmündig betrachtet werden, ſondern mit der vollſten Verantwortung, die dieſes Geſetz jedem Erwachſenen auferlegt, für ihre Taten einzuſtehen haben. Deshalb iſt die jetzige Rechtsbelehrung in den Fortbildungsſchulen meiner Meinung nach unzulänglich. Aber auch in bezug auf die Punkte, die hier als Rechtsbelehrung aufgeſtellt worden ſind, ſcheint mir nicht alles das erfüllt zu ſein, was man den jungen Leuten bieten könnte, ſelbſt wenn man dieſe Rechtsbelehrung nicht als beſonderes Haupt⸗ fach zuſammenfaſſen wollte, wenn man ſie ein⸗ ſchiebt in das Hauptfach „Deutſch“ oder „Bürger⸗ kunde“ uſw. Ich finde wohl, daß das Verhältnis des Arbeiters zu dem Arbeitgeber in einigen Vor⸗ trägen erörtert wird, die ſich auf die Pflichten des Arbeiters, die Arbeitsordnung, Vertragstreue uſw. beziehen, daß aber kein Vortrag weiter vorgeſehen iſt über die Rechte des jungen Arbeiters, über die Rechte, die er durch die Gewerbeordnung in bezug auf Kündigung uſw. hat. Das fällt nach der Durchſicht der beiden mir zur Verfügung ſtehenden Pläne fort. Es iſt aber noch etwas anderes, was mich be⸗ ſonders bewogen hat, mich hier zum Worte zu mel⸗ den. Ich verkenne durchaus nicht die weitergreifen⸗ den Ziele, die die ſtädtiſche Fortbildungsſchul⸗ behörde mit der Aufſtellung dieſes Planes verfolgt hat. Ich möchte ihr nicht den Vorwurf der Klein⸗ lichkeit machen, wie er einer andern Behörde in Preußen tatſächlich mit Recht gemacht werden kann. Denn von der ſtädtiſchen Fortbildungs⸗ ſchulbehörde waren in dem Lehrplane, nachdem den jungen Leuten das ganze Rechtsverhältnis in Staat und Gemeinde dargelegt worden iſt, nach⸗ dem ihnen gezeigt wurde, in welchem Verhältnis ſie ſich in der Familie, dem Arbeitgeber gegen⸗ über uſw. befinden, ſogar verſchiedene Vorträge vorgeſehen über die Organiſationsverhältniſſe der Arbeiter im beſonderen. Man darf doch nicht ver⸗ kennen, daß gerade dieſe Fragen für diejungen Leute, für die gewerblichen Arbeiter und auch für die Arbeitsburſchen, die in erſter Linie hier in Betracht kommen, von ungeheurer Wichtigkeit ſind. Da hat nun in richtiger Erkenntnis der Bedeutung dieſer Sache die ſtädtiſche Fortbildungsſchulbehörde als Themen in dem Lehrplane vorgeſehen: Bildung der engliſchen Gewerkvereine (trade unions), Gewertvereine, Genoſſenſchaften, Lohn⸗ und Schiedsgerichte, Arbeiterausſchüſſe uſw. Das ſind ſelbſtverſtändlich alles Dinge, die für das gewerb⸗ liche Leben der jungen Arbeiter von großer Be⸗ deutung ſind, und es iſt mit Freude zu begrüßen, Punkte in dem Lehrplan hatte. Aber auch in dieſem Falle hatte die Fortbildungsſchulbehörde die Rechnung ohne die preußiſche Regierung ge⸗ macht: dieſe hat ihr alle dieſe Organiſations⸗ vorträge kurzerhand aus dem Lehrplan geſtrichen. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenn die preußiſche Regierung damit die Ab⸗ ſicht verfolgen ſollte, daß die jungen Leute über⸗ haupt nicht über die Arbeitsverhältniſſe aufgeklärt werden könnten, ſo iſt ſie ſelbſtverſtändlich auf dem Holzwege. Was in den Fortbildungsſchulen nicht geran werden kann, wird außerhalb der Fort⸗ bildungsſchulen in weit erfolgreicherem Maße und in nachdrücklicherer Weiſe geſchehen, als es in der Fortbildungsſchule möglich iſt. Aber aus dieſer Streichung heraus blickt ohne weiteres eine ungemein große Furcht und Angſtlichkeit der preußiſchen Regierung in bezug auf die Auf⸗ klärung der Jugend über die gewerblichen Or⸗ ganiſationsverhältniſſe. Und dieſe Kleinlichkeit der preußiſchen Regierung hier etwas niedriger zu hängen, war meine Aufgabe. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr Penzig: Ich möchte mich auch nicht ganz mit der Erklärung des Herrn Referenten einverſtanden erklären und kann nicht ſagen, daß mir die Aufſtellung, die hier über Rechtsbelehrung und Rechtskunde gemacht worden iſt, irgendwie genügen könnte. Ich halte es für ein außerordent⸗ liches Verſäumnis, daß die Stadt Charlottenburg, die in ſozialpolitiſcher und ſolzialpädagogiſcher Hin⸗ ſicht ſo ſtark voranſchreitet, ſich noch immer es ent⸗ gehen läßt, die Lücke auszufüllen, die nun einmal durch das Geſetz darin beſteht, daß den jungen Leuten vom 14., 15. bis zum 18., 19. Lebensjahre abſolut gar kein Halt, keine ſittliche Belehrung oder ſittliche Überweiſung gegeben wird. Sie wiſſen, daß dies etwas iſt, was ich jedesmal vorbringe. Ich bin leider verhindert geweſen, diesmal im Etatsausſchuß irgendwelche Anträge zu ſtellen. Ich habe ja auch in der Fortbildungsſchuldeputation Gelegenheit gehabt, derartige Anträge zu ſtellen. Sie ſind leider dort an der Mehrheit geſcheitert, an der Mehrheit, die ſich nicht wollte belehren