— 179 —— laſſen, daß es möglich ſei, eine Art von Einführung in das ſittliche Leben der Gemeinſchaft auf päda⸗ gogiſchem Wege herzuſtellen. Ich möchte betonen, daß die Herren, die bis jetzt noch dieſe Möglichkeit bezweifeln, binnen ganz kurzem in der Lage ſein werden, ihr Urteil einer Reviſion zu unterziehen. Es wird gerade im September ein Kongreß für Moralpädagogik ſpeziell mit dieſen Zwecken, zur Beſprechung dieſer Fragen, in London ſtattfinden, und ich hoffe, daß er auch auf Deutſchland, obwohl ja die ſtaatliche Regierung ſich bisher noch nicht vertreten laſſen wird, Einfluß üben wird. Jeden⸗ falls kann ich nur ſagen, daß eine ſolche Einführung in das ſittliche Gemeinſchaftsleben noch viel wich⸗ tiger iſt als die Einführung in das Strafrecht und in das ganze Rechtsleben, wiewohl ich das natürlich auch gar nicht unterſchätze. Ich werde alſo auch ſpäter Veranlaſſung nehmen, in dieſer Beziehung noch weiter darauf zu wirken, daß Charlottenburg auch in moralpädagogiſcher Beziehung ſeine Fort⸗ bildungsſchulen auf das allerbeſte geſtaltet. Stadtſchulrat Dr. Neufert: Meine Herren, was die Wünſche der beiden letzten Herren Redner anlangt, noch mehr Stoff in den Lehrplan der Fortbildungsſchule aufzunehmen, ſo möchte ich erwidern, daß die Frage bezüglich der Lebenskunde in der Deputation und im Magiſtrat mehrfach er⸗ örtert worden iſt. Neu war heute die Forderung, daß auch Belehrungen über das Strafrecht aufzu⸗ nehmen ſind. Auf beide Wünſche möchte ich er⸗ widern, daß es nicht gut möglich erſcheint, im Rahmen der uns zu Gebote ſtehenden Stunden — wir haben nur wöchentlich 6 Stunden in der obli⸗ gatoriſchen Fortbildungsſchule — ſo viel in den Lehrplan aufzunehmen, als die Herren wünſchen. Es müßten unſeres Erachtens dann wichtigere Stoffe, die für die berufliche Ausbildung der jungen Leute unentbehrlich ſind, geſtrichen werden. Das bezieht ſich in erſter Reihe auf das Strafrecht. Wir haben nach unſerer Meinung von Anfang an reichlich Stoff über Geſetzeskunde aufgenommen, und in den jüngſten Lehrplänen, beſonders denen, die im letzten Jahre abgefaßt worden ſind, iſt der Prozentſatz von Belehrungen aus dieſen Gebieten noch größer geworden. Was dann die Wünſche des Herrn Dr Penzig betrifft, auch Lebenskunde einzuführen, alſo Moral⸗ belehrungen, ſo hat der Magiſtrat mancherlei Be⸗ denken dagegen. Er iſt kein entſchiedener Gegner — es würde ein Irrtum ſein, wenn Herr Dr Penzig das annähme —, aber er meint, daß das ein Ge⸗ biet iſt, auf dem man außerordentlich behutſam vorgehen muß. Ich weiß nicht, ob Herr Dr Penzig einverſtanden wäre, wenn diejenige Art von moraliſcher Belehrung in unſeren Fortbildungs⸗ ſchulen eingeführt würde, wie ſie beiſpielsweiſe der Majorität unſeres jetzigen Landtages genehm ſein würde. (Sehr gut!) Ich glaube, er wurde dagegen ſein. Aber wer garantiert uns denn, daß, wenn Belehrungen auf⸗ genommen würden, wie ſie Herrn Dr Penzig ge⸗ fallen, dann nicht auch von anderer Seite, die auch ihre Macht hat, und die gewohnt iſt, ihre Wünſche laut zu äußern, der Wunſch ausgeſprochen wird, daß auch ein paar Religionsſtunden, wie an den höheren Lehranſtalten bei gleichaltrigen Jünglingen, in den Lehrplan aufgenommen wür⸗ den? (Stadtv. Otto: Sehr richtig!) Der Magiſtrat ſteht auch auf dem Standpunkt, daß wir zurzeit genug haben mit 6 Stunden Wochenunterricht, und daß wir die Aufnahme ſolcher Belehrungen entbehren können. Ein Verſuch iſt aber gemacht worden, und zwar in der Mädchen⸗Fortbildungsſchule — eigent⸗ lich ſchon zwei: früher ein Verſuch in der Mädchen⸗ Fortbildungsſchule 11, der aber nur kurze Zeit gedauert hat, weil der ganz vorzügliche Dozent derartig überlaſtet war, daß er ſich nicht mehr zur Verfügung ſtellen konnte; jetzt iſt es uns ſeit etwa einem Jahre gelungen, eine ſehr tüchtige Lehrerin zu finden, die an der Mädchen⸗Fortbildungsſchule 1 derartige Vorträge hält und, wie ich mich über⸗ zeugt habe, mit Nutzen hält; die jungen Mädchen, die ſie an ſich heranzuziehen weiß, haben gewiß mancherlei Vorteile davon. Es iſt ſehr wichtig, die richtigen Perſonen zu finden, denen man derartige Belehrungen anvertraut; das ſcheint mir die aller⸗ ſchwierigſte Aufgabe zu ſein. Wenn wir derartige geeignete Perſonen gefunden haben, dann, glaube ich, wird auch der Magiſtrat geneigt ſein, mit aller Vorſicht und Behutſamkeit wieder einen Schritt vorwärts zu gehen. Stadtv. Vogel 1: Ich möchte Wünſche und Bedürfniſſe anderer Art betr. die Fortbildungs⸗ ſchulen zur Sprache bringen. Ich habe neulich Gelegenheit genommen, die Schulen ſelbſt zu be⸗ ſuchen, und war erfreut, zu ſehen, mit welchem Eifer ſich Direktor und Lehrer bemühten, ihren Obliegen⸗ heiten nachzukommen. Aber zugleich mußte ich bemerken, daß die Lokalitäten, in denen ſie ſind, ich möchte ſagen, nicht ſchlechter gedacht werden können. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sie ſind im höchſten Grade eng und unzweckmäßig⸗ Es wurde vor allen Dingen der lebhafte Wunſch ausgeſprochen, daß möglichſt bald andere Räume beſchafft würden und überhaupt ein eigenes Ge⸗ bäude. Ich weiß, der Gedanke iſt ſchon erwogen worden, aber es ſcheint etwas langſam zu gehen. Ich möchte alſo im Intereſſe der Schule wie der Lehrer bitten, dieſen Plan der Errichtung eines eigenen Fortbildungsſchulgebäudes — nicht in Mietsräumen — möglichſt zu beſchleunigen. Dann wird es möglich ſein, den Unterricht noch mehr zu differenzieren nach dem Berufszweige der Schüler und nach ihrem Intellekt, ihrem Faſſungsvermögen, was auch ſehr zu wünſchen wäre. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Stadthagen: In recht erfreulicher Weiſe haben wir im Etatsausſchuß Aufklärung des Magiſtrats über die Einführung der Pflicht⸗ fort bildungsſchule für Mädchen er⸗ halten. Es iſt ja ein alter Wunſch vieler Kreiſe der Bevölkerung, daß auch für die Mädchen die Pflichtfortbildungsſchule eingeführt wird. Nach den Mitteilungen, die wir vom Magiſtrat darüber bekommen haben, dürfen wir annehmen, daß an der Sache kräftig gearbeitet wird, und daß in nicht zu ferner Zeit die Pflichtfortbildungsſchule für Mädchen in die Tat umgeſetzt wird. Ich glaube, daß es wichtig iſt, daß die Bevölkerung davon Kunde erhält.