20 umgeworfen, in den Graben geworfen worden ſein, und nur einer Fügung Gottes ſei es zu danken, daß kein Todesfall vorgekommen iſt. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte im Anſchluß an dieſen Fall: „Es iſt nicht das Verdienſt derjenigen Leute, die dem Herrn Auguſt Gebert gefolgt ſind, wenn hier kein Todſchlag, wenn hier kein Mord ſtatt⸗ gefunden hat! Es hätte ebenſogut durch einen Stein einer erſchlagen werden können, wie einem der Arm gebrochen worden iſt, und wie die Leute blutig geſchlagen worden ſind.“ Weiter hat der Herr Oberbürgermeiſter in der betreffenden Verſammlung mitgeteilt, daß gegen die Urheber all dieſer Attentate Strafantrag geſtellt worden ſei. In 11 Fällen ſei der Strafrichter angerufen worden. Der Herr Oberbürgermeiſter erklärte, daß 11 der ſchlimmſten Fälle herausge⸗ griffen worden ſeien, und daß ihm das ganze Ma⸗ terial vorliege. Meine Herren, das iſt es, worauf ich ganz beſonderes Gewicht lege. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte uns: es liegt ihm das Material vor. Ich zweifle keinen Augenblick da⸗ ran, daß der Herr Oberbürgermeiſter wirklich durchaus bona fide auf Grund des ihm vorliegen⸗ den Materials uns hier Mitteilungen gemacht hat. Was ich aber beweiſen will, das iſt, daß der Herr Oberbürgermeiſter vollkommen falſch unterrichtet war, daß die Geſellſchaft ihm Mitteilungen gemacht hat, die den Tatſachen durchaus nicht entſprechen oder die doch weit, weit übertrieben waren. Meine Herren, wenn man die Ausführungen des Herrn Oberbürgermeiſters gehört hat, dann mußte man ſich ſagen, wenn tatſächlich ſo ſchwere Ausſchreitungen vorgekommen ſind, dann werden die, die dabei abgefaßt ſind, mit den ſchwerſten Strafen belegt werden. Inzwiſchen ſind die gerichtlichen Urteile ergangen. Es handelt ſich im ganzen um 14 Fälle, und ich möchte Ihnen hier gleich vorweg das Reſultat ſummariſch mitteilen. Ein einziger von den Angeklagten iſt mit einer Gefängnisſtrafe von 1 Monat beſtraft worden: der Betreffende hat ſich tatſächlich Roheiten zu⸗ ſchulden kommen laſſen, die ich durchaus mißbillige. Ich habe bereits in der Debatte vom Mai erklärt, daß, wenn ſolche Roheiten vorgekommen ſind, ſie dann von niemandem mehr gemißbilligt werden als von meinen ſämtlichen Parteifreunden. Ein anderer iſt mit einer Woche davon gekommen; ein dritter hat einen Tag Strafe erhalten, ein weiterer 6 ℳ. Alle übrigen ſind freigeſprochen worden. Das iſt das Ergebnis der gerichtlichen Verhand⸗ lungen, die gegen die „Buben“ eingeleitet worden iſt, von denen der Herr Oberbürgermeiſter ſprach: das iſt die „gerechte Strafe“, die dieſe „Buben“ erreicht hat. Nun, meine Herren, kann man daraus ſchon ohne weiteres ſchließen, daß doch die Ausſchrei⸗ tungen nicht ſo ſchlimm geweſen ſein können. Es handelte ſich eben um Ausſchreitungen, wie ſie bei jedem Streik vorkommen und wie ſie, ich möchte ſagen, ganz in der Natur der Sache ſelbſt liegen, wenn es ſich um einen Streik von Kutſchern handelt. Ich will hier die ganzen Urteile, die mir vorliegen, Ihnen nicht im einzelnen verleſen, um die Debatte nicht in die Länge zu ziehen. Ich möchte nur her⸗ vorheben, daß in einer ganzen Reihe von Fällen ohne weiteres feſtgeſtellt worden iſt, daß die Be⸗ treffenden überhaupt vollkommen ſchuldlos ſind; andere Angeklagte ſind wegen Mangels an Be⸗ weiſen freigeſprochen. Gewiß hat das Gericht feſt⸗ 5 geſtellt, daß bei dem Streik Ausſchreitungen vor⸗ gekommen ſind. Aber — ich wiederhole das, um kein Mißverſtändnis aufkommen zu laſſen — es ſind nur ſolche Ausſchreitungen feſtgeſtellt worden, wie ſie faſt bei jedem Streik gang und gäbe ſind, und vor allen Dingen iſt nirgends der Beweis er⸗ bracht worden, von wem denn eigentlich dieſe Aus⸗ ſchreitungen ausgehen. Recht intereſſant iſt das eine Urteil, das mir vorliegt; das iſt das Urteil gegen den Betreffenden, über den eine Strafe von einem Monat Gefäng⸗ nis verhängt worden iſt. Da iſt das Gericht auch auf den angeblichen Terrorismus zurückgekommen, der da jenſeits der Spree verübt worden ſei, wo ein Wagen umgeſtürzt worden ſein ſoll mit drei Leuten, die knapp mit dem Leben davon gekommen ſind. Ja, meine Herren, was hat das Gericht feſt⸗ geſtellt? Es hat ſich der Ausſage der Belaſtungs⸗ zeugen, das heißt der von der Müllabfuhrgeſell⸗ ſchaft geſtellten Zeugen angeſchloſſen: am ge⸗ nannten Tage ſei der von ihnen im Dienſte der gemeinſamen Ar⸗ beitgeberin gefahrene Wagen vor der Gasanſtalt in Charlottenburg im Sande ſtecken geblieben. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Darauf hätte ſich eine Menſchenmenge, die vorher ſchon den Wagen verfolgt hat, ohne daß darunter die Angeklagten zu bemerken geweſen wären, ange⸗ ſammelt und ſie — die Zeugen — beleidigt. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, es iſt bedauerlich, daß der Herr Oberbürgermeiſter auf Grund eines durchaus falſchen Berichts ſich zu ſo heftigen Angriffen gegen beſtimmte Schichten der Bevölkerung und gegen ganz beſtimmte Perſonen hinreißen läßt. Ich hätte überhaupt das Wort heute nicht ergriffen, wenn der Herr Oberbürgermeiſter erklärt hätte, daß ihn die Herren, von denen ſeine Informationen ausgehen, falſch unterrichtet haben. Da das aber nicht ge⸗ ſchehen iſt, ſo habe ich mich für verpflichtet ge⸗ halten, die Angelegenheit hier zu ſtreifen. Wir hatten ja die Abſicht, erſt eine Interpellation des⸗ wegen einzubringen; wir ſind von dieſer Abſicht abgekommen, weil man ja nie weiß, wann eine ſolche Interpellation beantwortet wird. Man könnte nun fragen, warum wie überhaupt die Fälle jetzt nach ueun Monaten noch zur Sprache bringen. Ich glaube, daß es einer Entſchuldigung dafür gar nicht bedarf. Wenn hier Mitbürger der Stadt Charlottenburg angegriffen werden von einer Stelle aus, wo ſie ſich ſelbſt nicht verteidigen können, dann iſt es die Pflicht der Stadtverordneten, die Verteidigung zu übernehmen. Und damit uns nicht geſagt werden kann, daß wir ſelbſt falſch in⸗ formiert ſind, daß wir nur unſere Informationen von den Arbeitern haben, deshalb haben wir ab⸗ gewartet, bis ſämtliche Fälle gerichtlich entſchieden ſind, um Ihnen das Aktenmaterial vorlegen zu können. Bedauerlich iſt es ja, daß die Vertreter des Magiſtrats bei wirtſchaftlichen Streitigkeiten zwi⸗ ſchen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ſich immer einſeitig unterrichten laſſen. Wir haben ſolche Fälle wiederholt erlebt. Was die Arbeitgeber ſagen, das iſt pure Wahrheit, und was die Arbeit⸗ nehmer ſagen, das iſt natürlich immer aus den Fingern geſogen. Hier haben ſie einmal einen Fall, wo ſich herausgeſtellt hat, daß die Arbeitgeber den Herrn Oberbürgermeiſter — gelinde geſagt —