207 Noch einen Beweis, wie man die ausgeſperrten Arbeiter behandelt hat, will ich Ihnen anführen. Mir liegt das Schreiben des Gewerbegerichts von Charlottenburg vor, wo geſagt wird: In Verfolg Ihrer Anrufung des Gewerbe⸗ gerichts als Einigungsamt zur Beilegung der zwiſchen den Müllkutſchern, Mitfahrern und Hofarbeitern und der Allgemeinen Müllver⸗ wertungsgeſellſchaft m. b. H. beſtehenden Differenz teilen wir ergebenſt mit, daß die letztgenannte die Anrufung des Einigungs⸗ amtes ablehnt, weil ſie nicht anerkennen kann, daß ihre Arbeiterſchaft ſich im Ausſtande be⸗ findet. Zu unſerem Bedauern können wir bei dieſer Sachlage weitere Schritte nicht unter⸗ nehmen. Das war ein Schreiben, welches auf ein Erſuchen der Ausgeſperrten, das Gewerbegericht als Eini⸗ gungsamt anzurufen, vom Gewerbegericht mitge⸗ teilt worden iſt. Es bezieht ſich auf den § 14 der Vereinbarungen, der ja heute noch beſteht, bezüglich deſſen ich bereits darauf hingewieſen habe, daß eine Anderung unbedingt notwendig iſt. Sie ſehen, hier wird rundheraus das Gewerbegericht ignoriert. Die Arbeiter waren ja eigentlich gar nicht verpflich⸗ tet, das Gewerbegericht anzurufen, ſondern die Ge⸗ ſellſchaft war auf Grund des § 14 dazu verpflichtet. Sie hat es abgelehnt, nachdem die Arbeiter den Weg des Friedens geſucht hatten, und einfach den § 14 dieſer Vereinbarungen ignoriert. — Auch hier ſehen Sie wieder einen Fall dafür, wie man ſich ein⸗ ſeitig unterrichten läßt. Nun hat auch der Herr Oberbürgermeiſter ein Schreiben, das ich geſchrieben habe, in einer eigen⸗ tümlichen Weiſe gloſſiert. Es mag ſein, daß darin ein ſolcher Sprachfehler oder Schreibfehler iſt. Ja, meine Herren, geben Sie doch der unteren Schicht der Bevölkerung die Gelegenheit, beſſere Lehr⸗ mittel zu benutzen — wir haben ja vorhin erlebt, daß Sie die Mittel ablehnten, die wir beantragt haben —, geben Sie der unteren Schicht der Be⸗ völkerung die Gelegenheit, von den höheren Schulen Gebrauch zu machen, dann werden derartige Sprach⸗ und Schreibfehler wohl verſchwinden. Daß Ihnen das vielleicht nicht angenehm klingt, glaube ich. Es iſt dann geſagt worden, daß unſere Organi⸗ ſation, deren Vertreter ich bin, eine ſozialdemokra⸗ tiſche Organiſation iſt. Das iſt von dem Herrn Oberbürgermeiſter angeführt worden. Ich möchte dem Herrn Oberbürgermeiſter empfehlen, die Ge⸗ werkſchaftsſchule in Berlin zu beſuchen. (Große Heiterkeit.) Da wird er gewahr werden, was eine ſozialdemo⸗ kratiſche Gewerkſchaft oder was eine freie Gewerk⸗ ſchaft bedeutet. Ferner will ich noch darauf hinweiſen, daß ja von unſeren Vertretern ſeinerzeit die ganze Sach⸗ lage, die Entſtehung der Bewegung, unterbreitet worden iſt. Heute ſind wir noch beſſer belehrt. Damals wußte man ſchon genau Beſcheid, daß der Kampf von der Geſellſchaft vom Zaun gebrochen war. Dann noch eins, meine Herren: Wenn derartige Vorkommniſſe, wie ſie der Herr Kollege Hirſch vor⸗ getragen hat, paſſiert ſind, ſo bedauern wir das. Aber iſt es denn dem Herrn Oberbürgermeiſter be⸗ kannt, daß wirkliche Buben — mit dem Ausdrucke des Herrn Oberbürgermeiſters wollen wir dieſe Perſonen mal bezeichnen — es gewagt haben, unter Kinder mit Revolvern zu ſchießen? Iſt es dem Herrn Oberbürgermeiſter nicht bekannt und hat er davon nichts erfahren, daß der Arbeitswillige Knitter es verſucht hat, draußen auf Paſſanten zu ſchießen? Iſt es Ihnen nicht bekannt, daß ein weiterer Arbeitswilliger in der Nähe des Luiſen⸗ platzes einen anderen mit dem Revolver bedrohte, ihn über den Haufen ſchießen wollte? — Alles das hat man damals nicht erwähnt, trotzdem ſich das abgeſpielt hatte. Ich weiß nicht, ob das kein ein⸗ ſeitiger Bericht iſt, den der Herr Oberbürgermeiſter bekommen hat. Wenn wir uns in die Sachlage hineindenken, in der die Ausgeſperrten ſich ſeinerzeit befanden: bedenken Sie, 150 Arbeiter waren bis zum 28. April beſchäftigt, alles war im ſchönſten Frieden; wir haben Verhandlungen gehabt, haben alles Mögliche getan, um den Frieden aufrecht zu erhalten; die Geſellſchaft ſelbſt iſt bei mir im Bureau geweſen und hat geſagt: es iſt notwendig, daß ein Tarif abge⸗ ſchloſſen wird, damit wir eine Grundlage haben — und als wir den Tarif einreichten, erfolgte plötzlich die Entlaſſung von ca. 100 Perſonen! Das hat eine Erbitterung unter den Leuten bewirken müſſen, die in der feſten Zuverſicht waren, daß der Unter⸗ nehmer den ihm eingereichten Tarif zum mindeſten einer Beratung unterziehen wird. Sie werden zu⸗ geben, daß ſich unter dieſen Umſtänden eine Erbitte⸗ rung darüber bemerkbar machen mußte, daß die Arbeiter ſo düpiert worden ſind. Die Erbitterung mußte noch mehr wachſen durch die Ausführungen, die der Herr Oberbürgermeiſter am 15. Mai hier gemacht hat. Es iſt verſtändlich, daß die Arbeiter kein Zutrauen dadurch zu unſerem Herrn Ober⸗ bürgermeiſter gewinnen konnten. Stellen Sie ſich doch einmal die Sachlage vor: Sie werden es eben⸗ falls empfinden, wenn Sie plötzlich aus irgend⸗ einem Poſten, indem Sie, wie Sie glauben, ſich im beſten Frieden mit Ihrem Arbeitgeber befinden, mir nichts dir nichts auf das Straßenpflaſter geſetzt werden. Ihnen wird auch dadurch wehe getan werden, Sie würden auch zu etwaigen Mitteln greifen, die momentan falſch ſind! So liegt es auch bei den Arbeitern, darüber brauchen wir nicht zu ſtreiten; in dieſer Beziehung ſind ſie auch Menſchen und be⸗ ſitzen alle auf dieſem Gebiete eine Empfindlichkeit. Ich will vorläufig mit meinen Ausführungen ſchließen. (Bravo!) — Sie wiſſen ja gar nicht, ob ich mich nicht nachher noch zum Worte melde; (Heiterkeit) ich will nur erſt abwarten, ob der Herr Oberbürger⸗ meiſter die Liebenswürdigkeit beſitzt, die gemachten verkehrten Ausführungen oder, ſagen wir, die auf Grund von ihm unterbreiteten unrichtigen Mittei⸗ lungen gemachten Ausführungen hier richtig⸗ zuſtellen, auch das Wort von den Buben, das er von denen gebraucht hat, die ſich tatſächlich im Kampfe um ihre Exiſtenz befunden haben. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, ich bin ſehr gern bereit, die Anfrage der beiden Herren Vorredner zu beantworten, und zwar auf Grund eines Materials, das ich mir zu⸗ ſammengeſtellt habe, und das aus einwandfreier Quelle ſtammt. Zunächſt muß ich wohl auf das zurückgehen, was ich damals in bezug auf die Punkte geſagt habe, wegen deren ich heute angegriffen worden bin, ſowie auf das, was Herr Stadtv.