—— 210 — Verurteilung der Angeklagten aufzubauen, und hat / war. ſie demnach freigeſprochen. (Stadtv. Zietſch: Das iſt die Anarchie!) — Das Wort Anarchie werde ich mir nachher er⸗ lauben, Ihnen zu überſetzen. (Stadtv. Zietſch: Bitte ſehr!) Dann ein dritter Fall, in dem Freiſprechung erfolgt war, liegt folgendermaßen. Der Zeuge hat eidlich bekundet, daß die Angeklagten ihm am 28. April auf offener Straße zugerufen hätten: „Du Streikbrecher bekommſt wohl anderweit keine Arbeit?“ und ihn dann unſanft angefaßt hätten — § 153 der Gewerbeordnung und dann öffent⸗ liche Beleidigung. Dagegen haben andere Zeugen bekundet, daß ſie die Außerungen nicht gehört hätten, und das Gericht hat nun angenommen, daß die Außerungen von einer anderen, in der Menge geweſenen Perſon ausgeſprochen ſind. Alſo hier hat das Gericht freigeſprochen, weil nicht nachgewieſen iſt, daß gerade die Angeklagten die Außerungen getan haben. Die Tatſache ſelbſt iſt aber auch hier wieder feſtgeſtellt worden. Das ſind die 3 Freiſprechungen. (Stadtv. Hirſch: 8 ſind freigeſprochen!) In 3 anderen Fällen iſt eine Einſtellung des Verfahrens erfolgt, und zwar lag die Sache ſo. Es war den Angeſchuldigten vorgeworfen auf Grund der Ausſage eines Zeugen, daß ſie nach der Anzeige dem Geſpann des von dem Anzeigenden begleiteten Wagens in die Zügel gefallen, daß ſie den Anzeigenden beſchimpft und an der Weiter⸗ fahrt gehindert hätten. Es ſind drei Leute ange⸗ ſchuldigt geweſen. Zwei ſind dem Anzeigenden gegenübergeſtellt worden, und er hat erklärt, daß dieſe beiden die Täter nicht ſeien. Dabei hat er aber die Tatſache an ſich wieder beſtätigt. Der Dritte, der angeſchuldigt war, iſt unbekannt ver⸗ zogen und iſt nicht aufzufinden geweſen. Da nicht feſtgeſtellt werden konnte, daß die Angeſchuldigten wirklich die Täter waren, iſt die Einſtellung des Verfahrens angeordnet worden. Aber ich ſtelle feſt, daß die Tatſache an ſich von dem Zeugen ausdrücklich beſtätigt worden iſt. Ahnlich liegt der folgende Fall. Es lag vor Anzeige wegen Vergehens gegen § 153 der Reichs⸗ gewerbeordnung. Nach Ausſage der Zeugen hat der Angeſchuldigte einen von dem Anzeigenden gefahrenen Müllwagen der Müllverwertungsge⸗ ſellſchaft angehalten, indem er den Pferden in die Zügel fiel, darauf dem Anzeigenden die Peitſche entriſſen hat, ihn damit geſchlagen hat und dann die Peitſche entwendet hat. Der Zeuge hat dieſe Anklage bei der Vernehmung aufrechterhalten. Der Angeſchuldigte hat zwar zugegeben, bei dem Exzeß zugegen geweſen zu ſein, hat aber be⸗ ſtritten, daß er ſich daran beteiligt hat. Nun iſt be⸗ ſchloſſen worden, eine Gegenüberſtellung zwiſchen dem Angeſchuldigten und dem Zeugen erfolgen zu laſſen. Der Zeuge iſt inzwiſchen unbekannt verzogen und nicht mehr zu ermitteln geweſen. Infolgedeſſen ſind der Anzeigende und der Ange⸗ ſchuldigte gegenübergeſtellt, und der Anzeigende hat geſagt, der Angeſchuldigte ſei nicht der Täter. Er hat alſo den Angeſchuldigten nicht rekognosziert. Alſo auch hier iſt die Einſtellung des Verfahrens erfolgt, weil nicht feſtgeſtellt werden konnte, wer die Tat ausgeführt hat. Der Angeſchuldigte war es jedenfalls nicht. Ebenſo liegt die Sache in einem dritten Fall, wo wegen Körperverletzung die Anzeige erſtattet u n d durchaus beſtätigt worden ſin d. Alle dieſe Ausſchreitungen ſind vorgekommen. Auch hier bekunden die Zeugen mit ganzer Beſtimmtheit, daß mit großen Steinen geworfen ſei. Die Zeugen erklären jedoch, daß ſie die Ange⸗ ſchuldigten nicht namentlich kennen. Sie haben ge⸗ meint, ſie würden die Angeſchuldigten rekognos⸗ zieren können, wenn ſie ihnen gegenübergeſtellt würden. Darauf iſt die Gegenüberſtellung erfolgt, und auch hier wieder haben die Anzeigenden ge⸗ ſagt: wir können die Leute nicht wieder erkennen, wir können nicht behaupten, daß es die ſe Leute geweſen ſind, die mit Steinen geworfen haben. Aber die Zeugen haben hier ganz poſitive Bekundungen gemacht. Der eine hat geſagt: Ob es die Angeſchuldigten ſind, vermag ich nicht zu behaupten, da ich damals, als wir mit Steinen beworfen wurden, mireinen Sackvordie Augenhaltenmußte, um mich zu ſchützen. Alſo dieſer bekundet, daß er die Angeklagten nicht rekognoszieren könne darum, weil er ſich einen Sack hat vor die Augen halten müſſen und die An⸗ geſchuldigten nicht mehr hat ſehen können. Der zweite ſagte: Am genannten Tage habe ich in der Straße 18 geſehen, wie drei Streikende auf einen großen Patentwagen losgingen; einer von dieſen ſprang den Pferden in die Zügel, während die andern den Kutſcher, den Mit⸗ fahrer ſowie den Kontroleur mit Steinen bewarfen. Ich vermag nicht, die Namen der Täter anzugeben, da ſich der Vor⸗ fall ſehr ſchnell zutrug. Der zweite erklärt alſo auf dieſe Weiſe ſeine Nichtkenntnis der Angeſchuldigten. Ein dritter ſagte: Wir, der Mitfahrer und ich, ſind in der Sickingenſtraße mit Steinen beworfen, ſind beſchimpft worden: „Streikbrecher“. Der eine der Mitfahrer iſt im Rücken ver⸗ letzt worden durch einen Steinwurf, ſodaß er ſogleich die heftigſten Schmerzen ver⸗ ſpürte. Er ſpricht von einer Anſammlung von etwa 100 Menſchen, denen ſie da begegnet ſeien. Und ein vierter Zeuge ſpricht von einem Knäuel von 50 Menſchen, aus welchem ſie an der Ecke der Kaiſerin⸗Auguſta⸗Allee mit Steinen beworfen worden ſind. Auch hier hat die Einſtellung des Verfahrens ausgeſprochen werden müſſen, weil durch die Anzeigenden nicht feſtgeſtellt werden konnte, daß die Angeſchuldigten es ge⸗ weſen ſind, welche den geſchilderten Tatbeſtand verübt haben. Aber der Tatbeſtand ſelbſt iſt auch hier feſtgeſtellt worden. Und nun kommen die Fälle, welche Herr Stadtv. Hirſch erwähnte, in welchen wirklich Ur⸗ teile ergangen ſind, wo alſo auch jemand wegen Werfens von Steinen verurteilt worden iſt zu einer Woche Gefängnis und ein anderer ebenfalls wegen Werfens von Steinen mit 6 ℳ beſtraft worden iſt. Hier iſt der Tatbeſtand des § 363, 7 an⸗ genommen worden, wonach derjenige, welcher auf Leute mit Steinen wirft, mit Geld zu beſtrafen iſt. Alſo, meine Herren, Sie ſehen, d aß die⸗ jenigen Tatſachen, die ich damals angeführt habe, indenpolizeilichen gerichtlichen Ermittlungen (Stadtv. Hirſch: Nein!)