Nun ſagt Herr Stadtv. Hirſch: ja, das ſind] mir. Ausſchreitungen, die bei jedem Streik vorkommen. Nun, meine Herren, das wäre ſehr bedauerlich, wenn wir wirklich in Deutſchland ſchon ſo weit wären, daß derartig grobe Ausſchreitungen, wobei Leute geſchlagen und beſchimpft werden, und wobei ſie abgehalten werden, ihre Arbeit zu leiſten, die ſie freiwillig übernehmen wollen, etwas Alltägliches wären! Dagegen wende ich mich denn doch ganz entſchieden, das als etwas Alltägliches, was leicht zu entſchuldigen ſei, entgegenzunehmen. Und ich glaube, Herr Stadtv. Hirſch würde ſich auch be⸗ danken, wenn er ſo behandelt werden würde und die Leute ihm ſagten: ach, das iſt ja etwas Alltäg⸗ liches, darüber kannſt du dicht nicht wundern! Ich habe nun geſagt, daß Anarchie geherrſcht hat in einzelnen Teilen der Stadt. Was iſt Anarchie? Anarchie iſt Geſetzloſigkeit. Geſetzloſigkeit hat ge⸗ herrſcht — das iſt nachgewieſen — an einzelnen Stellen der Stadt: es haben ſich die arbeitswilligen Leute in der Tat nicht ſchützen können vor den Angriffen. Sie haben weglaufen müſſen oder haben zur Polizei gehen müſſen, ſie ſind geſchlagen worden, und es ſind Verletzungen vorgekommen. Alſo was ich geſagt habe, iſt erwieſen: es hat in der Tat Geſetzloſigkeit beſtanden. Und wenn Herr Hirſch auch meint, daß derartige Ausſchreitungen etwas ganz Gewöhnliches ſeien, die bei jedem Streik vorkämen, ſo wird er mir doch zugeben müſſen, daß dieſe Ausſchreitungen gegen die Ge⸗ ſetze verſtoßen, und daß man einen Zuſtand, in dem ſolche Ausſchreitungen mehrfach vorkommen, einen Zuſtand der Geſetzloſigkeit, d. h. der Anarchie, nennen kann. Nun möchte ich noch einige Außerungen auf⸗ klären und zurückweiſen, die Herr Stadtv. Hirſch gebraucht hat. Er hat geſagt, ich hätte Angriffe gegen beſtimmte Schichten der Bevölkerung er⸗ hoben. Das iſt nicht richtig, das iſt tatſächlich nicht wahr. Ich habe nicht gegen beſtimmte Schichten der Bevölkerung meine Angriffe erhoben, ſondern gegen die Leute, welche in geſetzloſer Weiſe gegen unſere arbeitswilligen Arbeiter vorgegangen ſind — gegen ihre Berufsgenoſſen — und ſie gezwungen haben, etwas zu tun, was ſie nicht tun wollten. (Sehr richtig!) Ich bin auch nicht, meine Herren, einſeitig unterrichtet geweſen. Ich muß das ſehr dringend zurückweiſen, wenn Herr Stadtv. Hirſch ſagt, daß wir im Magiſtrat das, was die Arbeitgeber ſagen, immer für richtig erachten und das, was die Arbeiter ſagen, mmer für falſch erachten. Herr Stadtv. Hirſch iſt nicht imſtande, irgendeinen Beweis dafür zu erbringen, daß wir parteüſch unſer Amt und Urteil einrichten gegenüber den einzelnen Schichten unſerer Bevölkerung. Auch hier haben wir das nicht getan. Dieſer Vorwurf iſt mir damals ſchon vom Herrn Stadtv. Hirſch gemacht worden, und ich habe ihn gleich widerlegt; ich habe ihm geſagt, von wem ich die Kenntnis der Tatſachen habe: von der Direktion; und habe ihm außerdem geſagt, daß ich die Unterlagen, die aktenmäßigen Materi⸗ alien, auf denen die übrigen Ausführungen meines Berichtes beruhen, von der Direktion mir habe vorlegen laſſen, und daß ich in der Lage wäre, Ihnen auch die Namen der Zeugen und die Tat⸗ . die den Angeſchuldigten zur Laſt gelegt würden, mitzuteilen. Das ganze Material lag vor —. 211 Ich hatte mich ſo genau informiert, wie ich mich nur informieren konnte. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Aber die Arbeiter?) — Ich kann natürlich die Angeſchuldigten und Zeugen nicht vorladen. Sie ſehen ja, wie ſchwer es überhaupt iſt, die Zeugen zu finden; aus den Mitteilungen, die ich Ihnen gemacht habe, geht hervor, wie ungeheuer ſchwierig es geweſen iſt, in dem Tumult, in der Erregung diejenigen Leute, die Ausſchreitungen begangen haben, feſtzuſtellen. Das iſt für den Richter nicht möglich geweſen, für die Polizeibeamten nicht möglich geweſen, und es iſt viel weniger, meine Herren, für mich möglich, der ich gar kein Mittel habe, die Leute vorzuladen und ſie zu zwingen, meiner Vorladung Folge zu geben. Ich konnte mich nur an das halten, was mir geſagt worden iſt, und die Tatſachen haben ergeben, daß das, was geſagt worden iſt, in den weſentlichſten Hauptſachen richtig iſt. Die Ver⸗ handlungen haben vielleicht ein anderes Bild ergeben in kleinen Einzelheiten. Aber in den weſentlichen Hauptſachen hat die Direktion mir das Material richtig angegeben, welches ſie mir unterbreitet hat. Meine Herren, auf die Frage, ob damals ein Streik oder eine Ausſperrung vorgelegen hat, möchte ich heute nicht weiter eingehen. Die Stadt⸗ verordnetenverſammlung hat dem Magiſtrat zu⸗ geſtimmt in der Beurteilung der Sachlage, daß damals in der Tat ein Vertragsbruch gegen den § 14 des Vertrages nicht vorgelegen hat. Ich habe immer auf dem Standpunkt geſtanden, daß kein Streik vorgelegen hat. Von einer Ausſperrung habe ich nicht geſprochen, ſondern ich habe geſagt: die Geſellſchaft hat von ihrem vertragsmäßigen Rechte, die Leute zu entlaſſen, Gebrauch gemacht. Wenn der Richter von einer Ausſperrung geſprochen hat, ſo will ich darauf nicht eingehen. Der Begriff der Ausſperrung müßte erſt definiert werden: was iſt eine Ausſperrung? Aber darauf kam es ja ſchließlich gar nicht an; es kam darauf an: war § 14 verletzt oder nicht? Ich habe Ihnen damals nachgewieſen, daß § 14 nicht verletzt iſt, und die Stadtverordnetenverſammlung hat mir darin bei⸗ geſtimmt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Argliſtigerweiſe umgangen!) Was den Herrn Gebert anbetrifft, ſo habe ich ihm vorgeworfen, daß er durch ſein Eingreifen Unfrieden in das friedliche Verhältnis hineinge⸗ tragen hat, das damals zwiſchen Arbeitgeber und Arbeitnehmern beſtand. Nun ſagt Herr Gebert heute, in ſeiner ganzen Wirkſamkeit ſei er nur be⸗ ſtrebt geweſen, immer zum Frieden zu wirken. Wenn er das ſagt, will ich es ihm gern glauben. Aber ſein Wille iſt hier nicht das Maßgebende ge⸗ weſen. Er hat tatſächlich mit ſeinem Eingreifen anders gewirkt, als er es wollte. Er hat tatſächlich Unfrieden zwiſchen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hineingetragen, und durch ſein Eingreifen ſind dieſe groben Ausſchreitungen ſchließlich dann erwachſen — ohne ſeinen Willen, ohne ſeine Abſicht ſelbſt⸗ verſtändlich. Aber es wäre beſſer geweſen, er hätte die Hand davon gelaſſen, (Sehr richtig!) 0 weil er ja gar nicht hineingehört in die Angelegen⸗ heit: er war ja ein vollſtändig Fremder, er war weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber. Es iſt