— 215 zu welchem Z3weck ſich Herr Gebert eingemiſcht habe: „Doch nicht etwa, um Frieden zwiſchen die Parteien zu bringen, ſondern um Unfrieden zu ſtiften, und dieſe Befürchtung hat ſich dann auch bewahrheitet“. Alſo nicht, daß die Folge der Ein⸗ miſchung die Unruhen geweſen ſind, ſondern der Zweck des Kollegen Gebert ſoll das Unfrieden⸗ ſtiften geweſen ſein. Nun aber, meine Herren, m übrigen war ja Herr Kollege Gebert gar nicht unberufen, ſondern er iſt ja ausdrücklich zu den Verhandlungen ein⸗ geladen worden Ich habe hier das Protokoll des Ausſchuſſes, das u. a. von der Direktion unter⸗ zeichnet worden iſt; es beginnt mit den Worten: Es wird von dem Arbeiterausſchuß der Antrag geſtellt, daß ein Vertreter der Transport⸗ arbeiterorganiſation bei den Beratungen hinzugezogen wird. Die Direktion hat hier⸗ gegen nichts einzuwenden, und es wird be⸗ ſchloſſen, den Vertreter, Herrn Gebert, zu den Beratungen hinzuzuziehen. Infolge dieſes Beſchluſſes hat Herr Gebert auch die weiteren Einladungen bekommen. Es liegt mir ein Schreiben vom 21. April vor, wo ihm Schrift⸗ ſtücke überſandt werden von der Direktion und er um Beſtätigung des Empfanges gebeten wird. Alſo Herr Kollege Gebert war ſowohl von der Direktion als von den Arbeitern hinzugezogen worden und hatte ein Recht, an den Verhandlungen teilzunehmen. Ich begreife alſo nicht, wie man ſagen kann, daß Herr Kollege Gebert unberechtigter⸗ weiſe ſich eingemiſcht hat. 5 Der Herr Oberbürgermeiſter ſchloß damit, die gerichtlichen Verhandlungen hätten nur in Kleinig⸗ keiten ein anderes Bild ergeben. Nein, meine Herren, das ſtimmt nicht. Die gerichtlichen Ver⸗ handlungen haben ergeben, daß Ausſchreitungen vorgekommen ſind; ſie haben aber weiter ergeben, daß gerade die ſchweren Ausſchreitun⸗ gen, die angeblich ſich ereignet haben ſollen, nur in der Phantaſie der Herren Di⸗ rektoren exiſtieren. Das iſt es, worauf es mir ankommt. Und ferner wollte ich aus dieſem Fall die Lehre ziehen, daß wir nicht wieder in ſo unge⸗ rechter Weiſe hier Angriffe gegen beſtimmte Mit⸗ bürger richten ſollen. Gewöhnlich gilt der Grund⸗ ſatz, daß man über Angelegenheiten, die noch nicht abgeurteilt ſind, auch nicht reden ſoll. Dieſer Grund⸗ ſatz iſt hier durchbrochen, und zwar in einer Weiſe durchbrochen, wie es hoffentlich nicht wieder vor⸗ kommen wird. Die Verhandlungen haben im weſentlichen ein ganz anderes Bild ergeben, als der Herr Oberbürgermeiſter vorgetragen hat. Ich kann nur dringend den Wunſch ausſprechen, daß Sie, wenn es Ihnen auch noch ſo ſchwer fällt, ſich einmal von dem Gedanken befreien, daß es ſich bloß um Arbeiter handelt, daß Sie einmal Gerechtigkeit üben, vorurteilslos, ohne Rückſicht auf die Perſon, urteilen, ohne Rückſicht darauf, daß auf der einen Seite der Herr Oberbürgermeiſter ſteht, der ja nun aktiv in den Streit eingegriffen hat, und auf der anderen Seite nur Müllkutſcher. Meine Herren, ich kann nur wünſchen, daß Sie ganz ohne Anſehen der Perſon urteilen, und wenn Sie das tun, dann werden Sie zu der Überzeugung kommen, daß der Herr Oberbürgermeiſter in dieſem Falle gründlich daneben gehauen hat. (Rufe: Nein!) Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, das muß muß man Herrn Kollegen Hirſch laſſen: er hat ſich redlich Mühe gegeben, aus der Geſchichte eine Haupt⸗ und Staatsaktion zu machen. Ob es ihm allerdings im vollem Umfange gelungen iſt, ich ſtelle es Ihrem Urteile anheim. Ich glaube, er wird ſelbſt Zweifel haben, trotz des außerordentlichen Pathos, das er in ſeine Worte hineingelegt hat, und trotz der verſchiedentlichen Spitzen. Schließlich iſt ſeine Rede ausgelaufen in eine Scharfmacherrede, nach der die böſen Liberalen an der ganzen Sache ſchuld ſein ſollen. Nun hat er geſagt: wir ſollen uns doch einmal bemühen, objektiv zu urteilen, ſollen uns durch⸗ ringen, daß wir auch dort, wo „nur“ Arbeiter in Betracht kommen, wir auch deren Handlungsweiſe in richtiger Weiſe nachzuprüfen imſtande ſind; wir ſollten ohne Anſehen der Perſon urteilen. Ich glaube, Herr Kollege Hirſch, das kann ich Ihnen eigentlich alles zurückgeben; denn ich habe eigent⸗ lich das Empfinden, daß Sie in vollkommen ein⸗ ſeitiger Weiſe ſich auf den Standpunkt der Ange⸗ klagten oder der Nichtangeklagten geſtellt haben und nun gegen den Herrn Oberbürgermeiſter los⸗ ziehen, weil er eben der Oberbürgermeiſter iſt. (Stadtv. Hirſch: Nein, er hat falſche Behauptungen aufgeſtellt!) Ebenſo, wie Sie hier gegen uns geſagt haben: na⸗ türlich die Freunde des Herrn Oberbürgermeiſters! — ſo geſtatten Sie mir zu ſagen: natürlich die Freunde der Arbeiter! Sie ſpielen ſich doch ja als deren berufsmäßige und einzige Vertreter hier auf; ſie ſtellen ſich alſo ſelbſt auf den Parteiſtandpunkt. Meine Herren, es iſt merkwürdig, daß es doch den Arbeitern eigentlich hier in der Stadt Char⸗ lottenburg ganz gut zu einer Zeit gegangen iſt, als wir noch nicht die Freude hatten, Sie (zu den Sozialdemokraten) in ſo anſehnlicher Zahl im Stadtparlament zu ſehen. (Stadtv. Hirſch: Da waren Sie ja auch nicht da! Renommieren Sie doch nicht! — Heiterkeit.) — Ich weiß nicht, wer länger in der Verſammlung iſt. Aber viele von Ihnen ſind nicht länger hier als ich — vielleicht keiner. Ich nehme auch nicht für mich und meine Freunde in Anſpruch, daß es nur unſeren Bemühungen zu verdanken iſt, daß den Arbeitern in Eharlottenburg ſtets ihr Recht ge⸗ geben iſt. Der Magiſtrat iſt nie ein ſchlechter Arbeit⸗ geber geweſen. Soweit nun in den letzten Jahren noch eine weitere Beſſerung eingetreten iſt, tun Sie, glaube ich, wirklich ſich ſelbſt etwas zu viel, wenn Sie das auf Ihr Konto ſtellen. (Sehr richtig!) Laſſen wir nun aber mal den Zorn, in den ſich Herr Kollege Hirſch hineingeredet hat, laſſen wir auch die ganzen Scharfmacherreden! Wenn ich mir das Geſamtbild vor Augen halte — die ganzen Dinge liegen ſchon etwas weit zurück; ich glaube, Herr Kollege Hirſch hat ſelbſt die Empfindung, daß es mißlich iſt, auf ſolche Sachen zurückzugreifen, die vor Jahr und Tag paſſiert ſind, denen man vor allen Dingen ſelbſt nicht beigewohnt hat, ſondern über die man nur aus Mitteilungen Dritter ur⸗ teilen kann —, ſo iſt die Anklage berechtigter als die Verteidigung. Ich muß freilich dem Herrn Kollegen Hirſch eine ganz beſondere Anerkennung ausſprechen, daß er nämlich ein Künſtler im Ver⸗ leſen von Gerichtsurteilen iſt. (Heiterkeit.)