—— 250 — ordnetenverſammlung dahin gefunden, daß ſie nun Familienzulagen beim Normaletat berückſichtigt wiſſen will, ſondern ich habe darin nur das gefunden, was geſagt wird, der Magiſtrat möchte einmal dieſe Frage prüfen, ohne daß die Stadtverordneten⸗ verſammlung dazu Stellung nimmt. Nun hätte ich an ſich gar nichts dagegen gehabt. daß Sie dieſen beſchoſſenen Satz ſtreichen, wie Herr Stadtv. Dr Crüger will, wenn Herr Dr Crüger mit der Streichung auch nur weiter nichts hätte zum Aus⸗ druck bringen wollen, als daß die Stadtverordneten⸗ verſammlung ſich nicht binden wolle; daß alſo der Magiſtrat einmal an die Frage herantreten möge, die bisher in ein paar Gemeinden wohl ſchon erörtert, aber doch noch nicht ganz geklärt worden iſt. Er hat aber geſagt, in der Streichung dieſes Satzes liege, daß die Stadtverordnetenverſammlung Familienzulagen nicht will, und das geht mir wieder zu weit. Ich möchte gern, meine Herren, daß wir bei der Prüfung des Normaletats auch dieſe Frage eingehend prüfen. Eine ein⸗ gehende Prüfung hat ja im Ausſchuß noch gar nicht ſtattgefunden, konnte auch gar nicht ſtattfinden. Der Herr Vorredner hat ausdrücklich darauf hin⸗ gewieſen, daß dem Ausſchuſſe Material nicht vor⸗ gelegen hat; der Ausſchuß hat, wie der Herr Re⸗ ferent ſagte, mehr mit dem Herzen geſprochen als gerechnet. Das iſt das Mißliche, meine Herren, daß die Debatte heute eine Unterlage hat, die rechnungsmäßig noch nicht überall nachgeprüft iſt und nachgeprüft ſein kann. Und nun möchte ich dieſe Prüfung in Bezug auf die Familienzulagen durch den Magiſtrat gewährleiſtet wiſſen, ohne daß Sie, meine Herren, heute auf Grund eines unzu⸗ reichenden Materials eine Stellung für oder wider einnehmen. Denn ich ſelbſt muß ihnen offen ge⸗ ſtehen, daß ich heute noch nicht weiß, wie ich mich zu der Frage der Familienzulagen ſtellen werde. Ich verkenne nicht, daß der Gedanke für mich einen gewiſſen platoniſchen Reiz hat und mir an ſich ſympathiſch iſt; aber ob ich dazu kommen werde, ſchließlich dafür zu ſtimmen, daß Familienzulagen in unſerem Normaletat eingeführt werden, das muß erſt eine ganz genaue Berechnung ergeben, die für alle Kategorien von Beamten, Arbeitern und Lehrern aufgemacht wird. Ich kann das heute ſelbſt noch nicht wiſſen, möchte aber gern, daß auch Sie ſich heute noch nicht binden. Man kann f ür die Familienzulagen und dagegen viel ſagen. Herr Stadtv. Dr Crüger hat nur gegen geſprochen. (Stadtv. Dr Crüger: Und das ſehr wenig!) Ich möchte einiges dafür anführen, um Sie dazu zu bewegen, daß Sie heute keine poſitive Stellung weder gegen noch für einnehmen. Herr Stadtv. Dr Crüger iſt davon ausgegangen, daß er ſagte: die Familienzulagen ſind ungerecht⸗ fertigt. Das hat er aus dem Begriffe des Gehalts gefolgert, den er dahin konſtruiert hat: das Gehalt ſei ein Aquivalent für die Leiſtung, die der Beamte aufweiſt. Ich muß ihm leider vollſtändig entgegen⸗ treten. (Stadtv. Dr Crüger: Er hat recht!) — Nein, er hat unrecht. Die Wiſſenſchaft ſowohl wie die Rechtſprechung iſt ſich darüber vollſtändig klar, und zwar ſeit jeher, daß das Gehalt n ich t ein Agquivalent für die Leiſtung, ſon⸗ dern daß esle diglicheine Alimentation i ſt. Durch das Gehalt zahlt der Staat und zahlt die Kommune dem Beamten — es handelt ſich nur muß, um ſich und ſeine Familie zu unterhalten. Meine Herren, darüber iſt die Wiſſenſchaft wie die Judikatur ſich vollſtändig klar. Daß das richtig iſt, geht ja auch aus den Begleit⸗ erſcheinungen bei der Gehaltszahlung hervor. Sie haben überall in Staat und Gemeinde die Alters⸗ zulagen durchgeführt. Aus welchem Grunde? Weil die Ausgaben mit dem Alter wachſen, weil die jungen Leute heiraten, die Familie allmählich heranwächſt. Man hat ſich notwendig ſagen müſſen, da eben das Gehalt eine Alimentation darſtellt: wir müſſen denjenigen Beamten, welche Familien haben und mit der wachſenden Familie wachſende Auslagen haben, das Gehalt mit dem Steigen des Alters erhöhen. Derſelbe Gedanke liegt dem Wohnungsgeldzuſchuß zu Grunde. Es iſt ja ganz gleichgültig, ob ein Beamter in Konitz oder Berlin Tüchtiges leiſtet; nicht ſeiner Leiſtung wegen be⸗ kommt er in Berlin mehr und in Konitz weniger, ſondern weil die Wohnungsverhältniſſe in Berlin teurer ſind als in Konitz und weil er zu ſeinem und ſeiner Familie Unterhalt mehr Geld braucht. (Stadtv. Dr Crüger: Wohnung!) — Ja, die Kinder wachſen heran, infolgedeſſen braucht er eine größere Wohnung. Die Wohnungen ſind teurer in der Servisklafſe A als an einem Orte, der in der Servisklaſſe 3 oder 4 liegt. Sie ſehen alſo, daß gerade dieſe Begleiterſcheinungen der Gehaltszahlung ſich aus der Begriffsbeſtimmung ergeben haben, wonach das Gehalt zur Alimenta⸗ tion dient. Es iſt richtig, was Herr Dr Crüger beſtreitet: das Gehalt ſtellt in der Tat das Minimum dar. Meine Herren, wir zahlen dem Beamten weder im Staat noch in der Gemeinde mehr, als er in einer beſtimmten Kategorie zu ſeinem Lebensunter⸗ halt braucht. Erſparniſſe machen die Beamten nur bei der allergrößten Sparſamkeit. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Beamten in Not geraten, dann müſſen ſie die Spargroſchen verwenden, (Stadtv. Dr Crüger: Wir wollen ja das Gehalt erhöhen!) aber die Notfälle liefern eben dann den Beweis, daß das Gehalt nicht ausreicht, daß in der Tat das, was wir als Gehalt zahlen, nur gerade das iſt, was notwendig zum Lebensunterhalt dient. Daß wir auf dieſem Standpunkte ſtehen, geht daraus hervor, daß wir eine fünfjährige Reviſion des Normaletats eingeführt haben. Aus welchem Grunde denn? Wenn die Teurungsverhältniſſe zunehmen, ſoll der Beamte mehr bekommen, damit er ſein Leben friſten kann, damit er nicht die Sorge um den Unterhalt ſeiner Familie hat, damit er ſorgenfrei arbeiten kann. Meine Herren, daß dieſe theoretiſche Erörte⸗ rung, die ich hier gemacht habe, auch mit den Tat⸗ ſachen übereinſtimmt, geht aus einer Statiſtik her⸗ vor, die ich mir habe anfertigen laſſen. Vom Jahre 1903 bis zum Jahre 1908 haben wir in der Stadtverordnetenverſammlung 118 Unterſtützungs⸗ geſuche von 95 Bittſtellern erörtert und darüber beſchloſſen, und von dieſen 95 Bittſtellern waren 80% ſolche, die Kinder hatten: ein klarer Beweis dafür, daß ich recht habe, wenn ich ſage, daß das Gehalt für Notfälle nicht ausreicht. Und Notfälle kommen naturgemäß in einer Familie mit Kindern, wo Krankheiten häufiger ſind, ſehr viel öfter vor als in einer Familie ohne Kinder. Alſo Sie ſehen, um Beamte — nur diejenigen Mittel, die er haben meine Herren, ſobald die Not eintritt, reicht das