267 verſammlung hat ſich in den Reihen der Stadt⸗ verordneten kein Widerſpruch gefunden; der Magi⸗ ſtrat war allerdings nicht einverſtanden. Infolge⸗ deſſen wurde die Sache einem Ausſchuß übergeben, und der Ausſchuß hat nun einſtimmig den Beſchluß gefaßt, den ich vorgetragen habe. 5 Am 22. April tagte der Ausſchuß. Der Ma⸗ giſtrat vertrat auch da ſeine ablehnende Haltung; weſentlich neue Gründe wurden nicht vorgebracht. Der Staat müſſe für dergleichen ſorgen, hieß es, die Kommune hätte das nicht nötig. Die Kommune macht dabei viele andere Sachen, die vielleicht auch nicht nötig ſind; z. B. unterſtützt ſie die Rote⸗Kreuz⸗ Station. Sie unterhält ſogar ſelbſt eine Dienſt⸗ perſonal⸗Vermietungsſtelle auf dem Wittenberg⸗ platz und anderswo; daß es auch notwendig iſt, daß die Stadt dergleichen tut, das bezweifle ich; 14 die Anſichten können ja darüber verſchieden ein. Es wurde dann noch die Außerung vom Magi⸗ ſtrat vernehmbar, jeder ſolle eigentlich in der Lage ſein, das Geſetz ſelbſtändig leſen und verſtehen zu können. (Stadtv. Zietſch: Dazu iſt eine beſſere Schul⸗ bildung notwendig!) Ja, meine Herren, das iſt ja ſehr richtig; aber augenblicklich leben wir in der Zeit ſolcher Maſſen⸗ geſetzgebung, (ſehr wahr!) daß es, glaube ich, bloß ein frommer Wunſch ſein wird, daß wir das ſelber alle können. Das war früher wohl möglich in der Zeit des Sachſen⸗ ſpiegels, als ein Geſetz z. B. lautete: „die Biene iſt ein wilder Wurm“,; damals war es vielleicht zu verſtehen; aber die heutigen Geſetze ſind nicht ſo, daß man ohne weiteres ſagen kann: das iſt die richtige Auslegung. Ein Punkt gab zu Bedenken Anlaß. Der § 2 der Satzungen dieſes gemeinnützigen Vereins lautet nämlich: Der Verein hat den Zweck, in Berlin und Umgebung gemeinnützig und unparteiiſch Rechtsauskunft zu vermitteln. Er unterhält deshalb in Berlin und Vororten Rechtsaus⸗ kunftsſtellen, die an jedermann aus den minderbemittelten Bevölkerungskreiſen ohne Unterſchied der Religion, der politiſchen Partei, der Organiſation, des Berufs unentgeltlich Rechtsrat erteilen und Rechtsbeiſtand ge⸗ währen. Die Gebühren, die für die An⸗ fertigung von Schriftſätzen und perſönliche Vertretungen erhoben werden, regelt die Geſchäftsordnung. Dieſe ſogenannte Prozeßvertretung iſt entſchieden anfechtbar. Deshalb hat der Ausſchuß ja auch den Antrag anders gefaßt: der Magiſtrat ſoll in Ver⸗ bindung treten reſp. ſoll, wenn an ihn heran⸗ getreten wird, ſich in Verhandlungen mit dieſem. gemeinnützigen Verein einlaſſen. Dann iſt es ja Sache des Magiſtrats — und er wird es auch er⸗ reichen —, daß dieſer § 2 eventuell modifiziert wird, daß es alſo beiſpielsweiſe heißen wird: inner⸗ halb von Charlottenburg wird eine ſolche Prozeß⸗ vertretung nicht geleiſtet — höchſtens vielleicht vor dem Reichsverſicherungsamt; das wäre das einzige. Ich empfehle Ihnen den einſtimmig im Aus⸗ ſchuß gefaßten Beſchluß. Stadtv. Wilk: Meine Herren, ich möchte mir erlauben, eine Anderung des Ausſchußantrages dahingehend vorzuſchlagen, daß auch der Antrag, welcher ungefähr vor 4 Jahren von meinen Freunden hier geſtellt worden iſt, zur Geltung kommt, ſo⸗ daß der Antrag lauten wird: „Unter der Voraus⸗ ſetzung, daß ſich der gemeinnützige Verein für Rechtsauskunft in Groß⸗Berlin oder das Arbeiter⸗ ſekretariat in Berlin zum Zwecke der Errichtung einer Rechtsauskunftsſtelle reſp. einer Filiale in Charlottenburg künftig an den Magiſtrat wenden ſollte, wird der Magiſtrat erſucht, entſprechende Verhandlungen einzuleiten. Die Stadtverordneten⸗ verſammlung iſt ihrerſeits bereit, dem Magiſtrat zugunſten des Vereins für Errichtung einer Rechts⸗ auskunftsſtelle in Charlottenburg oder dem Arbeiter⸗ ſekretariat in Berlin zur Errichtung einer Filiale in Charlottenburg reſp. beiden Inſtitutionen zugleich jährlich 3000 ℳ und die erforderlichen Lokalitäten zur Verfügung zu ſtellen.“ Als vor 4 Jahren dieſer Antrag von meinen Freunden geſtellt wurde, iſt von Herrn Kollegen Spiegel geſagt worden, man müßte dann auch gleichzeitig anderen Vereinen dieſe Unterſtützung zuteil werden laſſen. Ich bin der Meinung, daß es aus dieſem Grunde heraus ihm leicht ſein wird, unſerm Antrage zuzuſtimmen. Die Arbeiterſetretariate, die ſich mit der Rechts⸗ auskunft befaſſen, genießen ein ganz beſonderes Vertrauen in Arbeiterkreiſen. Sie können ſich ja auch lebhaft denken, daß diejenigen, für die die ſoziale Geſetzgebung hauptſächlich in Betracht kommt, auch hauptſächlich zu denjenigen Inſtitu⸗ tionen ein beſonderes Vertrauen haben, die ſie ſich ſelbſt geſchaffen haben. Dieſe Arbeiterſetre⸗ tariate, die von Leuten, die ſelbſt im praktiſchen Leben ſtehen, verwaltet und geleitet werden, die ſelbſt Erfahrungen auf allen Gebieten haben und ganz beſonders in der ſozialen Geſetzgebung außer⸗ ordentlich beſchlagen ſind, werden vielfach dazu beitragen, das Vertrauen zu der Geſetzgebung in der Arbeiterſchaft und dem Recht ſuchenden Publikum zu feſtigen. Ich glaube nicht, daß ſich ganz beſonders die arbeitende Bevölkerung ſo leichten Herzens an dieſen Verein für Rechtaus⸗ kunft wenden wird; ſie wird jedenfalls lieber zu denjenigen Inſtitutionen hingehen, die ich ſchon erwähnte, die von ihr geſchaffen worden ſind. Ich möchte Sie daher bitten, aus dieſem Grunde heraus meinem Antrage zuzuſtimmen und beiden Inſtitutionen zu gleichen Teilen eine Unterſtützung der Stadt zuteil werden zu laſſen. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich möchte Sie bitten, den Antrag des Herrn Kollegen Wilk abzulehnen. Ich wundere mich eigentlich darüber, daß hier von einem Mitgliede des Aus⸗ ſchuſſes ein Antrag geſtellt worden iſt, der im Aus⸗ ſchuß, ſoviel ich gehört habe, gar nicht vorgebracht war. Meine Herren, wenn Herr Kollege Wilk Mitglied des Ausſchuſſes war, ſo hatte er doch Gelegenheit, einen derartigen Antrag dort ein⸗ zubringen; er hätte dort eingehend im einzelnen erwogen werden können. Ich halte allerdings eine ſehr eingehende Erwägung dieſes Antrages überhaupt nicht für nötig. (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Meine Herren, wenn die Stadt, die Kommune