225 — linquenten wird dann ein probation officr zur Seite geſtellt, ein Unterſtützungsbeamter, der ihm Rat gewährt und ihn vor Rückfällen zu ſchützen ſucht. Eine Strafe iſt dabei zunächſt nicht in Ausſicht ge⸗ nommen, oder ſie erfolgt bedingt, und wenn der junge Miſſetäter eine Zeit ſich brav geführt hat, ſo kann die Strafe völlig erlöſchen; er kann anſtatt in das Gefängnis auch zwangsweiſe durch den probation officer einerHaftſchule zu geführt werden. In der Schweiz ſind derartige Beſtrebungen im Gang, und bei uns in Deutſchland an vielen Stellen. In nicht weniger als drei Regierungsbezirkshaupt⸗ ſtädten der Rheinprovinz, in Düſſeldorf, Aachen und Cöln, ſind ſolche Jugendgerichtshöfe eingeführt, in Haſpe durch den Oberlandesgerichtspräſidenten Holtgreven, in Witten, in Frankfurt a. M.; ſie ſind ferner eingeführt in Weſtpreußen, und zwar in Danzig, in der Provinz Schleſien in Breslau, in unſerer Mark bereits in Potsdam, in Rixdorf — wird mir eben geſagt —; im Königreich Württem⸗ berg werden ſie mit dem 1. Juni eingeführt. Da nun dieſen Gerichtshöfen ein Ausſchuß zur Seite tritt, der dem Armen⸗ und Waiſenweſen entnommen iſt, ſo wird dadurch der Richter in den Stand geſetzt, ſich zu informieren, um die Grund⸗ lagen für die Beurteilungen des jugendlichen Miſſetäters zu gewinnen. In verſchiedener Weiſe ſind dieſe Gerichtshöfe eingerichtet. Das Weſentliche, was bei der ſtarken Abweichung der Meinungen in dieſer viel um⸗ ſtrittenen Materie wohl als das allgemein Zu⸗ geſtandene betrachtet werden kann, iſt, daß der Strafrichter zugleich das Amt des Vormundſchaft⸗ richters ausübt, weil er im Beſitz der Vormundſchafts⸗ gewalt Informationen einziehen kann, und weil er in dieſer ſeiner Eigenſchaft für den Fall, daß der Miſſetäter nicht verurteilt wird, die Handhaben hat zu ſeiner erziehlichen Beſſerung. Denn das hat man erkannt: wenn die Strafe nicht mehr aus⸗ reicht, ſo iſt die Erziehung dasjenige, was den jugendlichen Miſſetäter zurückführt in ein geord⸗ netes Leben. Deswegen iſt dies eine Frage, die ebenſoſehr den Richter wie den Erzieher intereſſiert. Es wird beiſpielsweiſe in Württemberg in Zukunft der älteſte aufſichtsführende Amtsrichter den Vor⸗ ſitz in dieſem Gerichte führen, weil er in Württem⸗ berg allein der Vormundſchaftsrichter ſein kann. Bei uns können ja auch andere Amtsrichter Vor⸗ mundſchaftsrichter werden. Gewöhnlich wird die Sache alſo ſo gehandhabt, daß dem Richter ein Aus⸗ ſchuß zur Seite geſtellt wird, der aus dem Arzt, in gemiſchttonfeſſionellen Beſtandteilen aus einem katholiſchen und einem evangeliſchen Prediger, ferner aus Lehrern und anderen Perſonen beſteht. Ich möchte auf die ſtrafrechtliche Seite nicht eingehen, weil in der Verſammlung ein Berufenerer iſt, der, wenn die Herren darüber etwas hören wollen, es Ihnen beſſer auseinanderſetzen kann als ich. Alle dieſe Einrichtungen, wie ich ſie hier geſchildert habe, ſtehen auf dem Boden des zurzeit geltenden Strafrechts, ſind auf demſelben möglich. Bis zu einer Reform des Strafrechts dürften noch Jahre vergehen; der Mißſtand ſchreit aber nach ſchleuniger Abhiſe . In das Einzelne einzuſteigen, ſcheint mir auch in bezug auf die Strafprozeßordnung vielleicht zu umſtändlich. Sonſt möchte ich kurz erwähnen, daß die Anſichten bezüglich der zu erwartenden Reform der Strafprozeßordnung ſich folgendermaßen gegen⸗ überſtehen. Die eine Anſicht meint, der jugendliche Delinquent müſſe vor das Schöffengericht geſtellt werden, dem der Vormundſchaftsrichter, der zu⸗ gleich Strafrichter iſt, vorſitzt, und dem 2 Schöffen — das können Fachleute, Erzieher ſein, — beigegeben ſind. Eine andere, davon abweichende Meinung wieder iſt, daß die Sache an die Strafkammer kom⸗ men ſoll, alſo dem Landgericht zu übergeben ſei, weil dort 5 gelehrte Richter ſitzen, und weil man glaubt, daß der jugendliche Miſſetäter, dem ein Verteidiger nicht zur Seite ſteht, wenn er ihn nicht aus eigener Taſche bezahlen kann, dadurch ge⸗ ſicherter iſt. Ich möchte nicht weiter auf dieſe Materie ein⸗ gehen; das würde zu weit führen. Meine Freunde, in deren Auftrag ich ſpreche, und ich ſind nun der Meinung, daß wir zu unſerem Magiſtrat das Vertrauen haben können, daß er in ſeiner ſozialen Fürſorge, wenn die Frage an die Stadt herantritt, ihr ſeinen werktätigen Beſtand leihen wird. Denn wir ſind, wie wenige andere Städte, in der Lage, durch die Vereinigung der Wohltätigkeitsbeſtrebungen einem Richter Perſonen an die Seite zu ſtellen, die ihn auf das gründlichſte über die Perſon deſſen zu informieren imſtande ſind, der vorgeführt wird. Ich hoffe, daß wir in kurzer Zeit bereits dieſes Jugendgericht in Char⸗ lottenburg haben werden, und daß es zum Segen der Jugend, zum Segen unſerer Stadt gereichen werde. Ich kann den Antrag in der Form, in der ich ihn eingebracht habe, nicht aufrecht erhalten. Denn da der Juſtizminiſter, wie nach Einbringung unſeres Antrages bekannt wurde, eine ſinnentſprechende Umfrage an die Gerichte hat ergehen laſſen, ſo iſt eine von uns ausgehende Anregung dadurch be⸗ reits überholt. Ich möchte alſo den Magiſtrat bitten, daß er uns ſeine werktätige Hilfe für den Fall, daß die Frage der Bildung eines Jugendgerichts⸗ hofes an ihn herantritt, zuſagt. Dberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich kann mitteilen, daß die Anregung des Herrn Miniſters auch bereits eine weitere Folge gehabt hat, daß die zuſtändigen Behörden, die über die Einrichtung der Jugendgerichtshöfe Beſchluß zu faſſen haben, bereits ſeit einiger Zeit ernſtlich in die Erwägungen über dieſe Frage eingetreten ſind, und daß wir in kurzer Friſt ein poſitives Ergebnis dieſer Erwä⸗ gungen werden erwarten können, ſo daß auch ich der Anſicht bin, daß eine Anregung unſererſeits an dieſe Herren heute nicht mehr am Platze wäre. Ich glaube, daß man an ſich prima vista der Einrichtung dieſer Gerichtshöfe ſich wohlwollend, wie der Herr Referent, wird gegenüberſtellen können. Ich kann namens des Magiſtrats nicht ſprechen, da ein Be⸗ ſchluß desſelben nicht vorliegt; ich möchte aber an⸗ nehmen, daß der Magiſtrat der Frage, ebenſo wie der Herr Referent es getan hat, ſein Wohlwollen nicht verſagen wird. „ Stadtv. Dr. v. Liſzt: Meine Herren, es iſt ja hier ſicherlich nicht der Ort, in längere juriſtiſche Auseinanderſetzungen über Strafrecht und Straf⸗ prozeß einzutreten. Ich möchte auch erklären, daß das gar nicht notwendig wäre, ſelbſt wenn ich es wollte, da Herr Kollege Schwarz in ausführlicher, klarer und erſchöpfender Weiſe die ganze Sachlage dargeſtellt )at. as 4 Ich möchte meinerſeits — ich glaube, nach dieſer Richtung durchaus in dem Sinne meiner