280 die ſtaatlich habe, wie es von jedem guten preußiſchen Staats⸗ bürger verlangt wird. Heute macht man das, was damals einem Mitgliede der bürgerlichen Parteien gegenüber als eine Ausnahme geſchehen iſt, uns gegenüber zu einem Syſtem; für uns bedeutet die Ablehnung des Kollegen Borchardt die Innehaltung einer Methode der preußiſchen Regierung, einer Methode, die ſich auch betätigt hat in der Nicht⸗ beſtätigung unſeres Parteifreundes Singer in Berlin. Nun müſſen wir freilich bei dieſer Sachlage darüber ſprechen, ob wir in der Tat unfähig ſind, aus den Kreiſen unſerer Parteigenoſſen heraus Leute in die Schuldeputation zu ſenden, die dort in dem entſprechenden Maße zum Wohle und Ge⸗ deihen der Kinder wirken könnten. Ich möchte mich in beſondere Einzelheiten gar nicht mehr er⸗ gehen; ich verweiſe darauf, daß in anderen, nicht⸗ preußiſchen deutſchen Staaten Sozialdemokraten tatſächlich mit in der Schulverwaltung wirken können und in erſprießlicher Weiſe mitgewirkt haben; ich verweiſe ferner auf die ſehr vielfachen Beiſpiele, die das Ausland dafür bietet, insbeſondere die Schweiz, wo hervorragende, in der politiſchen Agitation ſehr lebhaft und rege tätige Genoſſen von uns in der Schulverwaltung arbeiten und auch ſtellenweiſe an hervorragender Stelle in der Schul⸗ verwaltung ſtehen. Fürchtet vielleicht die preußiſche Regierung, daß durch die Zugehörigkeit eines Sozialdemokraten zur Schuldeputation z u viel Aufklärung in die Schulen hineingetragen werden könnte? (Zuruf bei den Liberalen: Wahrſcheinlich!) — Wahrſcheinlich iſt das ſo, ſagen Sie; das würde aber kein Kompliment für die bürgerlichen Mitglieder der Schuldeputation ſein. (Heiterkeit.) Immerhin aber meine ich: ſelbſt wenn das die preußiſche Regierung fürchten ſollte, dann über⸗ ſchätzt ſie die ganze Inſtitution der Schuldeputa⸗ tionen, die ja irgendwelche nachdrückliche oder nach⸗ haltige Einwirtung auf die inneren Angelegen⸗ heiten der Schulen gar nicht haben. Darüber ſind ſich ja ſelbſt die Herren der bürgerlichen Parteien einig. Gewiß, man räumt den Schuldeputationen gewiſſe Rechte ein; aber bei Lichte beſehen, ſind dieſe Rechte recht fadenſcheiniger Natur. In letzter Linie ſteht über der Schuldeputation die Regierung: die Regierung ſpricht das letzte Wort, ſie kann über die Köpfe der Schuldeputationsmitglieder hinweg An⸗ ordnungen treffen, die nicht ſelten den Wünſchen und dem Willen der Schuldeputationsmitglieder entgegenſtehen. In dieſer Beziehung iſt, wie geſagt, die ganze Schuldeputation eine reine Formſache. Aber trotz alledem bleibt dieſe parteüſche Stellung der Regierung gegen uns ein Ausnahmezuſtand gegen uns, bildet dieſe Gewohnheit, unſere Partei⸗ freunde nicht zu beſtätigen, ein un geſchriebe⸗ nes Ausnahmerecht. Es iſt der offene Ausdruck der Klaſſenherrſchaft. Das, was man nach anderer Seite hin immer zu verdecken bemüht iſt, bricht hier in vollſter Evidenz und mit jeder nur möglichen Brutalität unſerer Partei gegenüber durch. Man wirft uns ſo oft vor, wir leiſteten keine poſitive Arbeit oder wollten ſolche nicht leiſten, oder wir ſeien zur poſitiven Mitarbeit im Staate, in den Ge⸗ meinden uſw. gar nicht imſtande. Ich meine, wenn irgendwo Gelegenheit gegeben iſt, die Sozial⸗ demokraten zu prüfen, ob ſie poſitiv mitarbeiten anertannte Religion nicht geachtet /wollen, ſo iſt os geraé das Gebiet der Volksſchüle in erſter Linie, die Tätigkeit in den Volksſchul⸗ deputationen der Städte. Es kommt aber nicht allein darauf hinaus, daß hier eine Vergewaltigung irgendeiner Partei für uns in Frage kommt darüber würden wir uns hinwegſetzen: wir ſind mit ſo manchem fertig geworden, was uns die preußiſche Regierung angetan, und wir würden auch mit dem fertig werden; wir wollen hier auch nicht nur als Parteileute ſprechen —, ſondern wir werden auch als die Väter von Kindern, die die Volksſchule beſuchen müſſen, benachteiligt, zurück⸗ geſetzt und ungerecht behandelt. Wir haben aber unzweifelhaft das unveräußerliche Recht, als Staats⸗ bürger ſo behandelt zu werden wie jeder andere Staatsbürger, ob er Freiſinniger iſt oder im politi⸗ ſchen Leben konſervativ, nationalliberal oder anti⸗ ſemitiſch geſinnt iſt. 7 Ich meine, es handelt ſich nur in letzter Linie darum, ob die Herren von den bürgerlichen Parteien in Konſequenz ihrer früheren Haltung jetzt irgend⸗ welche Stellung gegenüber dem ablehnenden Be⸗ ſcheide der preußiſchen Regierung einnehmen wollen. Vor zwei Jahren, im Falle Penzig, haben Sie ſich ja etwas auf die Hinterfüße geſetzt; daß Sie es heute tun werden, bezweifle ich. Sie werden ſich auf das beſtehende Geſetz zurückziehen und werden ſagen: wenn wir von neuem einen Sozialdemo⸗ kraten wählen und dadurch demonſtrieren, dann kommt die Regierung und ſetzt uns noch einen Geiſtlichen mehr in die Schuldeputation, hinein. (Zuruf bei den Liberalen: Jawohl!) Nun, es kommt ſchließlich auf einen Geiſtlichen mehr oder weniger in der Schuldeputation nicht an. (Widerſpruch bei den Liberalen.) Es kommt nur darauf an, was für ein Geiſtlicher hineingeſetzt wird: wenn es ein Rabbiner iſt, — der iſt vielleicht immer noch etwas toleranter als ein evangeliſcher Geiſtlicher. Jedenfalls ſteht ohne weiteres feſt, daß Sie und der Magiſtrat gar nicht mehr den Willen haben werden,eszu einem wenn auch nochſoſchwachen — Konflikt mit der preußiſchen Regierung kommen zu laſſen. Es iſt auch gar nicht unſere Abſicht und nicht unſer Wille, Sie zu einem Konflikt zu drängen; ſondern wenn wir dieſe Sache noch einmal zur Sprache gebracht haben, ſo handelte es ſich für uns nur darum, die ungeheure Kleinlich⸗ keit der preußiſchen Regierung zu kennzeichnen; und dieſe Kleinlichkeit einer Partei gegenüber, der man bis jetzt nicht nachweiſen konnte, daß ſie jede poſitive Mitarbeit ablehnt, iſt es, die Preußen in der ganzen Welt verhaßt und geradezu lächerlich gemacht hat. Preußen hat ſich durch ſeine bureau⸗ tratiſche reaktionäre Geſinnung zum Geſpött der ganzen Welt gemacht. Und das hier an der Hand der Nichtbeſtätigung unſeres Freundes Dr Bor⸗ chardt noch einmal konſtatieren zu können, war mir ein Genuß. 11470 (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Otto: Meine Herren, die Charlotten⸗ burger Stadtverordnetenverſammlung hat Herrn Kollegen Dr Borchardt einſtimmig in die neu zu bildende Schuldeputation gewählt. Sie hat durch dieſe Wahl zum Ausdruck gebracht, daß ſie in der Perſönlichkeit des Herrn Dr Borchardt die Gewähr erblickte, daß er in der Schuldeputiarion ſehr wohl zum Wohle unſerer Volksſchule im Sinne der ſtädtiſchen Verwaltung tätig ſein lönne und tätig